Urs Fischer zeigt seine Kunstinstallationen in ganz Basel
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Skelette und Wachsfiguren:Urs Fischer zeigt seine Kunstinstallationen in ganz Basel

Gefeierter Künstler Urs Fischer über Skelette und Tattoos
«Am Ende sind wir alle nur Knochen»

Seine Skelette hängen lässig auf Sofas, sein Selbstporträt schmilzt in Basel dahin: Urs Fischer (52) gehört zu den erfolgreichsten zeitgenössichen Künstlern – und bleibt doch bodenständig. Im Blick erzählt er, was seine Kunst mit Speck zu tun hat.
Publiziert: 15.06.2025 um 15:22 Uhr
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Künstler Urs Fischer im «Totehüsli» mit einer seiner Skelett-Skulpturen.
Foto: STEFAN BOHRER
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Seine Kunst wird zu Millionenpreisen gehandelt, wenn es um ihn selber geht, ist der Zürcher Künstler Urs Fischer (52) zurückhaltend. Für seine aktuelle Ausstellung in Basel macht er eine Ausnahme: Kaum aus seiner Wahlheimat L.A. gelandet, nimmt er sich Zeit für ein Gespräch. Wir setzen uns unter eine Linde vor dem «Totehüsli», wo seine Werke ausgestellt sind. Ganz amerikanisch bleibt es mit Urs beim Du. 

Skelette spielen eine grosse Rolle in deiner Kunst. Warum?
Urs Fischer: Die haben mich schon als Kind begleitet, diese kitschigen Plastikskelette zum Spielen. Oder die tanzenden Toten aus alten Walt-Disney-Filmen. Skelette sind universell, sie tauchen in allen Kulturen auf. Es ist eine reduzierte, aber sehr menschliche Figur – nur eben ohne Fleisch.

Zeigt das, dass wir am Ende alle gleich sind?
Ja. Das sieht man bei einer toten Katze: Wenn da nur noch die Knochen sind, sehen wir uns doch erstaunlich ähnlich. Dafür, wie wir uns als Menschen fühlen. 

Deine Skelette lümmeln auf Sofas oder tun sonst was, wie kommst du auf deine Ideen?
Meistens habe ich zuerst ein Bild im Kopf – und wenn man dann beginnt, die Dinge zusammenzubauen, passiert noch mal was. Es muss in sich funktionieren, es ist ein formaler Prozess.

Der Künstler mit seinem Selbstporträt aus Wachs: Die Skulptur schmilzt im Laufe der Ausstellung.
Foto: STEFAN BOHRER

Deine Werke zeigen nicht nur die Vergänglichkeit, sie sind es auch. So wie die Wachsskulpturen.
Sie werden nicht alt – man kann einfach wieder eine Neue machen. Das ist praktisch. Die Haltbarkeit ist ja sonst ein grosses Problem in der Kunst. 

Im «Totehüsli» sitzt dein Selbstporträt aus Wachs. Die Skulptur wird angezündet und schmilzt dahin. Wie fühlst du dich gegenüber dem brennenden Urs?
Da bin ich nicht sentimental, ich betrachte das sehr technisch. Ich fand, dass diese Skulptur gut nach Basel passt. Es gibt ja verschiedene.

Was ist mit dem Speck auf dem grossen Plakat auf dem Marktplatz?
Der Speck! Ja, ähm.
Fischer lacht, weiss offensichtlich nicht, was er sagen soll.

Das Plakat «Eternity» mit Speck über dem Münsterplatz in Basel.
Foto: STEFAN BOHRER

Hattest du einfach Hunger?
Nein, ich esse das Zeugs nicht so. Aber meine Girls mögen den gern. Zum Frühstück brate ich den Speck für sie an, so ganz knusprig, amerikanisch. Ich mag die Farbe, es sieht aus wie ein Sonnenuntergang am Horizont. Ich finde, das funktioniert gut, mit dem roten Sandstein des Rathauses.
Ein älteres Paar setzt sich dicht neben uns auf das Mäuerchen. Urs Fischer rückt höflich zur Seite. Die Dame: «So viel Platz brauche ich also nicht!» Der Künstler schmunzelt amüsiert.

Deine Kunstwerke werden hoch gehandelt. Was macht man mit so viel Geld?
Das stecke ich wieder in neue Dinge. Es zieht aber auch mehr Verantwortung nach sich. Die Preise an einer Auktion hat man nicht unter Kontrolle. Inzwischen hat sich der Kunstmarkt wieder etwas beruhigt. Es ist super, dass es funktioniert, aber es kommt einem auch in den Weg. 

DCX STORY: doc8127aup18uq2vr2lkoj [Vom Türsteher zum Kunststar]

Wie das?
Die Versicherungssummen werden sehr hoch, der Transport wird aufwendiger, es sind mehr Leute involviert, und Gesamtausstellungen sind nur noch in grösseren Museen möglich. 

Viele Kunstschaffende träumen vom Erfolg. Dein Tipp?
Einfach immer weitermachen. Und hoffen. Wichtig ist, dass du eine gute Zeit mit dir hast. Wieso sollte deine Kunst sonst für andere interessant sein? Selbst wenn du dabei grauenhaft leidest, kann es eine gute Erfahrung sein. 

Leidest du, wenn du Kunst machst?
Nein, manchmal ist es einfach mühsam, bis man anfängt. Das lässt sich schwer regulieren. Schlussendlich geht es immer irgendwie vorwärts.

Was wäre aus dir geworden, wenn du kein Künstler wärst?
Was anderes! Ich mache verschiedene Sachen, ich koche gerne, ich mache gerne was mit meinen Händen. 

Du machst dich rar in der Öffentlichkeit. 2009 gab es einen Beitrag über deine Vernissage auf im «Kulturplatz» auf SRF. Eva Wannenmacher hat moderiert, und ein Reporter hat vergeblich versucht, dich in New York aufzuspüren?
Ah ja, Eva Wannenmacher! Sie hat im Tele Züri gearbeitet, als ich als Kabelträger dort war. Sie war VJ. 

Wieso ist es schwierig, dich zu erwischen?
Ist es gar nicht. Vielleicht bekommt Annie das Mail nicht.
Er schaut rüber zu seiner Assistentin und fragt: «Annie, wieso gibt es keine Interviews mit mir?» Beide lachen. Dann kommt seine neunjährige Tochter Grace und kuschelt sich an ihn. Er streicht ihr über den Kopf, fragt auf Englisch, ob sie eine heisse Schoggi trinken will.

Sprichst du mit deinen beiden Töchtern Schweizerdeutsch?
Ich habe es anfangs versucht. Ich habe ganz wenige Leute im Umfeld, die Schweizerdeutsch reden. Wenn das nur ich bin, ist es schwierig zum Lernen. Schön wäre es. Ich finde Schweizerdeutsch cool, und es ist ein Teil von mir als Mensch. 

Voller Tattoos: Laut Fischer sind sie keine Kunst, sondern einfach alt.
Foto: STEFAN BOHRER

Was ist mit deinen vielen Tattoos? Ist das Kunst am eigenen Körper?
Nein, die sind einfach alt.

Du hast mal gesagt, Tattoos seien eine Beleidigung gegenüber der Mutter?
Ja. Mütter kommen immer als Erste und fragen: «Bleibt das jetzt so?» Einer meiner Freunde hat auch viele Tattoos, seine Mutter ist Künstlerin. Sie malt ihn ohne Tattoos, sie ignoriert sie einfach. Inzwischen ist sie 84, und die Tätowierungen sorgen noch immer für Gesprächsstoff.

Was, wenn deine Kinder mit einer Tätowierung kommen?
Ich könnte ihnen nichts vorwerfen. Aber cool fände ich das glaubs nicht.

Es sind ja auch zwei Mädchen ...
Ich weiss nicht, ob das eine Gender-Frage ist. Unser Kindermädchen ist voll tätowiert. Aber ich habe sie nicht deshalb ausgesucht.


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