Dass Vögel so schön singen, ein buntes Gefieder haben, Tintenfische ihre Form und Gestalt wechseln können oder Hirsche Geweihe haben, geht auf die sexuelle Selektion zurück. Denn so farbenprächtig und formenreich wie die Welt der Tiere ist, so vielfältig ist auch die Art und Weise, wie sie sich paaren, um ihre Partner buhlen oder ihre Jungen grossziehen. Das Naturhistorische Museum Basel widmet sich mit der Ausstellung «Sexy – Triebfeder des Lebens» der Rolle der Geschlechter im Tierreich. Was alle gemeinsam haben: Sie wollen Nachkommen zeugen. Zehn Beispiele für besonderes Paarungsverhalten oder Familienmodelle.
Anemonenfische – vom Männchen zum Weibchen
Anemonenfische tragen beide Geschlechter in sich. Das grösste Tier in einer Gruppe produziert Eizellen und ist immer weiblich – alle kleineren männlich. Stirbt das Weibchen, wechselt das nächstgrössere Männchen das Geschlecht: Es wird das neue Weibchen! Im Film «Findet Nemo» hätte also sein Vater nach dem Tod von Nemos Mutter ein Weibchen werden müssen.
Hirschkäfer – zwei Geschlechter
Ein Körper mit unterschiedlichen Geschlechtern auf beiden Körperseiten: eine ist männlich, die andere weiblich. Dieses seltene Phänomen beobachtet man nur bei Insekten, z.B. bei Schmetterlingen oder Hirschkäfern. Bei Letzteren hat die männliche Seite einen Kiefer mit grossem Geweih, welches Hirschkäfer normalerweise im Kampf um Weibchen gebrauchen. Auf der weiblichen Seite ist der Kiefer klein.
Schwan – Penis als Korkenzieher
Der Schwan hat etwas, das den meisten anderen Vögeln fehlt: einen Penis. Das Besondere daran ist die Form, er ist geschwungen wie ein Korkenzieher. Die Paarung findet im Wasser statt und – wichtig – nur wenn die Schwanen-Frau das will. Die Natur hat gegen unerwünschte Übergriffe vorgesorgt: Falls sie von zu vielen Männchen bedrängt wird, kann sie ihre Vagina zusammenziehen und macht das Eindringen unmöglich. Dasselbe gilt übrigens auch für alle anderen Entenvögel. Diese sind zudem nicht monogam wie Gänse, sondern buhlen jedes Jahr erneut um ein Weibchen.
Feldhase – Superfötation
Sanft geht es bei der Hasenhochzeit nicht zu, die Rammler müssen der Häsin ihre Stärke beweisen, sogar mit Boxkämpfen. Erst nach aufdringlichen Annäherungsversuchen und wilden Verfolgungsjagden kommt der Gewinner zur Kopulation: Ein kurzer Spass, in 10 Sekunden ist es schon vorüber. Zudem hat die Evolution bei Häsinnen eine Besonderheit entwickelt: Sie haben noch ein Überraschungs-Ei. Das bedeutet, dass sie, während sie trächtig sind, erneut befruchtet werden können. Den Trick der Natur nennt man Superfötation.
Igel – stacheliger Balztanz
Wie paaren sich Igel? Sehr vorsichtig. Zuerst umkreist das Männchen die Igelin, die Paarungszeremonie nennt man das Igelkarussell. Das Weibchen faucht und boxt den Bewerber zuerst mit aufgestellten Stirnstacheln weg. Es dauert manchmal Stunden, bis die Igeldame sich besteigen lässt. Dann legt sie ihre Stacheln nieder, ansonsten würde sich das Männchen verletzen. Darum ist der Igel auch mit einem besonders langen Penis bestückt.
Schweine – Paarung mit Lust
Bei vielen Tieren sind die Geschlechtsteile, also Vulva und Penis, mit vielen Sinneszellen besetzt. Die Entdeckung, dass auch weibliche Säugetiere eine Klitoris haben, ist relativ neu. Denn der weibliche Schwellkörper wurde in der Forschung lange Zeit vernachlässigt – bei Mensch und Tier. Im Naturhistorischen Museum Basel wird nun erstmals das Modell einer Vulva eines Hausschweins gezeigt. Das Besondere daran: Das Hausschwein hat zwei Muskeln, mit denen es seine Klitoris bewusst steuern kann – man kann also davon ausgehen, dass die Paarung zur Fortpflanzung auch von Lust begleitet ist.
Dreistachlicher Stichling – fürsorglicher Vater
Die meisten Tiere in Seen, Flüssen und Meeren zeugen Nachkommen, ohne den Partner je berührt zu haben. So ist das auch beim Dreistachligen Stichling, der in Schweizer Seen schwimmt: Er baut ein Nest. Legt ein Weibchen Eier hinein, befruchtet sie das Männchen und verteidigt den geschlüpften Nachwuchs gegen Räuber. Damit gilt der Stichling als fürsorglicher Vater. Bei der äusseren Befruchtung sind es oft die Männchen, die den grossen Teil der Familienarbeit übernehmen.
Wölfe – Grossfamilie
Um ein Kind grosszuziehen, braucht es ein ganzes Dorf – das besagt ein afrikanisches Sprichwort. Zumindest auf die Wölfe trifft das zu. Kurz vor der Geburt gräbt sich die trächtige Wölfin eine Höhle, wo sie sich zurückzieht und vom Rudel versorgt wird. Die Jungen sind anfangs noch blind. Nach drei Wochen verlassen sie das erste Mal den Schutz der Geburtshöhle und lernen das Rudel kennen. Es besteht meist aus den Wolfseltern und älterem Nachwuchs. Bis die Kleinen mit zwei Jahren eine eigene Familie gründen, bleiben sie bei den Eltern und unterstützen sie bei der Aufzucht ihrer Geschwister.
Orang-Utan – Vollzeit-Mutter
Eine lange Schwangerschaft, die Jungen säugen: Damit sich das lohnt, investieren die Weibchen vieler Säugetiere besonders viel in den Nachwuchs. Rehe tragen Jungtiere mit zehn Monaten besonders lange aus, damit sie frisch geboren schon vor Raubtieren flüchten können. Und Orang-Utan-Mütter gelten im Tierreich als die Fürsorglichsten. Sie kümmern sich acht Jahre lang innig um ihren Nachwuchs – so lange dauert es, bis die Kleinen alles gelernt haben, was sie zum Überleben brauchen.
Kuckuck – unfreiwillige Pflegeeltern
Nicht immer können oder müssen Elterntiere ihre Nachkommen aufziehen. Eine besondere Strategie verfolgt das Kuckuck-Weibchen, es lagert die Aufzucht aus: Es legt ein Ei in ein Nest von kleineren Singvögeln. Mit dem aufgerissenen Mund weckt er den elterlichen Instinkt des fremden Vogels und wird gefüttert. Die eigene Brut der fürsorglichen Vogelmutter wird indessen geopfert. Der frisch geschlüpfte Kuckuck schmeisst die anderen Eier oder kleineren Vögel aus dem Nest – ein Instinkt der Natur.