Kleine Lügen
Wie viel Wahrheit erträgt die Liebe?

Kleine und grössere Notlügen nutzen wir täglich. Auch in einer Partnerschaft. Ist das okay? Oder schadet es der Beziehung? Eine Paartherapeutin nimmt sechs Situationen unter die Lupe, in denen man oft auf «White Lies» zurückgreift.
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Karoline Herfurth in der deutschen Version von «Das perfekte Geheimnis».
Foto: Praesens Film

Darum gehts

  • «White Lies» sind kleine Unwahrheiten, welche die andere Person schützen sollen
  • Eine Paartherapeutin sagt, sie werden oft verwendet, um Diskussionen auszuweichen
  • In manchen Situationen darf man auch mal schweigen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandra CasaliniRedaktorin Gesellschaft

Sieben Freunde, darunter drei Paare, stellen bei einem gemeinsamen Abendessen ihr Vertrauen auf die Probe, indem sie ein Spiel wagen: Alle legen ihre Handys offen auf den Tisch, alle eingehenden Nachrichten und Anrufe werden ehrlich mit allen Anwesenden geteilt. Dies die Ausgangslage der italienischen Komödie «Das perfekte Geheimnis», die in zahlreichen anderen Ländern neu verfilmt wurde. Die schweizerdeutsche Bühnenversion wird derzeit im Zürcher Bernhard Theater gezeigt. 

Anne Ehret berät Paare bei Paarberatung im Kanton Zürich.
Foto: zVg

Dass die Lage irgendwann eskaliert, ist programmiert. So stellt der Film bzw. das Stück die Frage: Wie viel Ehrlichkeit erträgt eigentlich eine Beziehung? Viel, sagt Paartherapeutin Anne Ehret. Mit Ausnahmen.

«White Lies» nennt man sie, die kleinen Alltagslügen, die man oft nutzt, um andere zu schützen. «Oder um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, was wohl häufiger der Fall ist», sagt Anne Ehret. Die Studien zum Thema gehen sehr weit auseinander, manche sagen, wir lügen etwa zweimal pro Tag, andere sprechen von fast 200 kleinen Unwahrheiten täglich. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. «Im beruflichen Kontext brauchen wir White Lies oft aus Höflichkeit», so die Expertin. In einer Partnerschaft plädiert sie allerdings für so viel Ehrlichkeit wie möglich. 

«White Lies» ja oder nein? Wir nehmen sechs Situationen unter die Lupe.

«Wie wars gestern Abend im Ausgang? Hast du jemanden getroffen?»
Ja, du bist deinem Arbeitskollegen über den Weg gelaufen. Oder deinem Ex-Freund. Und ihr habt euch nett unterhalten. Aber das dem Partner auf die Nase binden? Ist verschweigen lügen? «Man muss nicht alles voneinander wissen, und einander proaktiv jedes Detail aus dem Leben erzählen», so Anne Ehret. «Aber in einer funktionierenden Partnerschaft sollte man einander erzählen können, wen man trifft.»

«Lass uns spazieren gehen, du hast auch Lust, oder?»
Die Wahrheit ist: Der gemeinsame Sonntagsspaziergang ist dir seit Tag und Jahr ein Graus. «Gerade Männer tun sehr vieles ihrer Frau zuliebe, um den Frieden zu wahren, manchmal jahrelang. Wenn die Wahrheit dann irgendwann ans Licht kommt, explodierts, auch wenn der Grund noch so nichtig ist», sagt die Paartherapeutin. Also lieber so früh wie möglich damit rausrücken, auch wenns im Moment vielleicht eine Diskussion gibt. 

«Das sagen wir dem Mami aber nicht, gell?»
Du gibst deinem Kind das dritte Pack Gummibärli an einem Nachmittag, was deine Frau kaum gut finden dürfte. Anne Ehret: «Jemanden von der Wahrheit ausschliessen finde ich ganz schwierig, gerade mit Kindern. Sie kommen so in einen Loyalitätskonflikt.» Lieber mit einem Augenzwinkern gestehen, dass der Süssigkeitenkonsum heute wohl etwas hoch war. 

«Wie war ich?» (nach dem Sex)
Die Paartherapeutin: «Wenn man Wünsche offen kommuniziert, ist die Frage überflüssig.» Wird sie trotzdem gestellt, darf man auch mal schweigen.

«Findest du, ich habe zugenommen?»
Sehr heikel. «Manchmal will man angeflunkert werden. Wer einander gut kennt, erkennt so eine Situation», so Ehret. Ansonsten müsste eine gute Beziehung auch hier die Wahrheit ertragen können. Denn: «People Pleasing hat auf Dauer in einer Partnerschaft nichts zu suchen.»

«Ist dein Ex eigentlich handwerklich besser als ich?»
Ja, natürlich ist er das. Und natürlich kannst du die Wahrheit sagen und lange und breit erklären, warum das absolut irrelevant ist. Oder du sagst einfach «Nein, selbstverständlich nicht.»

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