Darum gehts
- Schäfers neues Buch «Jetzt gerade ist alles gut» verarbeitet ein einschneidendes Erlebnis
- Der Autor betont die Bedeutung des Moments und des Lebens im Hier und Jetzt
- Das Buch enthält 21 abgeschlossene Geschichten mit einem durchgehenden Ich-Erzähler
Blick: Herr Schäfer, in Ihrem letztjährigen Bestseller «25 letzte Sommer» geht es um die Begrenztheit des Lebens. Waren Sie zu optimistisch?
Stephan Schäfer: Der Titel hat mich seit Jahren begleitet, ich fand den immer wahnsinnig schön. Er steht ja für so viel: Die einen finden ihn melancholisch, und für andere bedeutet «25 letzte Sommer» noch ganz viel, was vor einem liegt.
Während des Schreibens blieb Ihnen beinahe nicht einmal mehr ein Sommer. Was war geschehen?
Als ich an «25 letzte Sommer» arbeitete, habe ich durch einen Schnitt an der rechten Hand eine nekrotisierende Fasziitis bekommen. Das war eine schwere bakterielle Entzündung am Mittelfinger, eine Blutvergiftung, die lebensbedrohlich sein kann.
Hat das Ihre Perspektive noch einmal verkürzt – von einer 25-jährigen Zukunft auf das Jetzt?
Ja, ich gucke anders auf das Leben und lebe viel mehr im Hier und Jetzt. Es war sozusagen der Augenblick, der alles veränderte. Es sind die Momente, die jetzt alles für mich bedeuten.
Stephan Schäfer (51) war langjähriger Journalist und Chefredaktor der Zeitschriften «Brigitte» und «Schöner Wohnen». 2021 wurde er CEO des Verlags Gruner + Jahr und stand bis Mitte 2022 als Co-CEO an der Spitze von RTL. Sein Roman «25 letzte Sommer» stand über 30 Wochen auf der «Spiegel»-Bestsellerliste, erschien in mehreren Sprachen und inspirierte ihn zu den Büchern «100 Fragen an meine Mutter» und «100 Fragen an meinen Vater» sowie «100 Fragen an mich». Mit seiner Familie lebt er in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Stephan Schäfer (51) war langjähriger Journalist und Chefredaktor der Zeitschriften «Brigitte» und «Schöner Wohnen». 2021 wurde er CEO des Verlags Gruner + Jahr und stand bis Mitte 2022 als Co-CEO an der Spitze von RTL. Sein Roman «25 letzte Sommer» stand über 30 Wochen auf der «Spiegel»-Bestsellerliste, erschien in mehreren Sprachen und inspirierte ihn zu den Büchern «100 Fragen an meine Mutter» und «100 Fragen an meinen Vater» sowie «100 Fragen an mich». Mit seiner Familie lebt er in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Sie zitieren in «25 letzte Sommer» den argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges: Das Leben bestehe nur aus Momenten, «nur aus Augenblicken; vergiss nicht den jetzigen». Haben diese Verszeilen für Sie heute ein grösseres Gewicht?
Das Gedicht begleitet mich fast schon mein Leben lang. Lustigerweise hatte ich diese Stelle überhaupt nicht als die entscheidende erachtet, den Augenblick-Satz, den hatte ich gar nicht so im Fokus. Den habe ich jetzt durch das neue Buch für mich entdeckt.
«Jetzt gerade ist alles gut» heisst Ihr neues Buch, in dem Sie dieses einschneidende Erlebnis verarbeiten. Hatten Sie ursprünglich ein anderes Buch geplant?
Niemals wäre ich auf dieses Buch gekommen. Aber irgendwann habe ich mir gedacht: Meine Güte, wenn ich das schon erlebe, dann soll es wenigstens Sinn machen.
Der Titel klingt fragil – wie wenn im nächsten Moment etwas zerbrechen könnte.
Interessant. Sie sagen jetzt fragil. Ich würde denken, er strahlt Stärke aus. Aber Sie haben recht, denn man ist immer nur ein Telefonat von einer möglichen Katastrophe entfernt.
Die Welt ist im Grossen instabil. Reicht es, wenn wir schauen, dass wir im Kleinen im Gleichgewicht bleiben?
Wenn es einem selber gut geht, ist man ein besserer Mitmensch zu anderen. Und im Endeffekt kann ich die Welt nicht verändern. Von daher konzentriere ich mich auf die Dinge, auf die ich wirklich einen Einfluss habe. Und das sind gar nicht so wahnsinnig viele.
Das klingt beschönigend angesichts der misslichen Weltlage.
Ich versuche, das Schöne zu finden. Selbst wenn die Weltlage kompliziert ist: Ich bin Partner meiner Frau, ich bin Vater meiner Kinder. Und ich möchte denen auch das Gefühl geben, dass trotzdem ganz viel gelingt in dieser Welt, die immer noch ein schöner Ort ist.
Episodenhaft erzählen Sie 21 abgeschlossene Geschichten. Das Buch hat keine Gattungsbezeichnung. Ist es ein Erzählband, oder möchten Sie es als Roman sehen?
Was würden Sie sagen? Sie sind der Fachmann.
Es hat einen Ich-Erzähler, der wie ein roter Faden alle Geschichten zusammenhält. Aber selbst wenn sie manchmal aufeinander verweisen, kann man sie einzeln lesen. Für einen Roman fehlt es mir am Überbau.
Wenn Sie das so sehen, schliesse ich mich Ihnen an.
Ob in der Geschichte «Das Rezept», in «Die Mohnschnecken», in «Das Restaurant» oder sogar in «Der Unfall» – immer wieder sorgt Essen für Glücksmomente. Ist das auch für Sie so?
Ich war ja mal Chefredaktor von «Essen & Trinken». In meinem Leben spielt Essen und Trinken eine grosse Rolle. Die meistgestellte Frage zu Hause ist: «Was gibt es zu essen?» Und meine Frau kocht wundervoll. Es gibt nichts Verbindenderes, als gemeinsam zu essen.
Was essen Sie am liebsten?
Ich bin ein Freund der Hausmannskost. Wenn ich in Wien bin, esse ich ein Schnitzel und einen Kaiserschmarrn. Wenn ich hier bin, esse ich Geschnetzeltes mit Rösti, und wenn ich in Italien bin, esse ich Pasta.
Und trinken Sie – wie der Ich-Erzähler – am liebsten Espresso?
Mein Leben besteht aus Im-Café-Sitzen und Espresso-Trinken. Ich könnte mein Leben lang im Kaffeehaus sitzen, und man könnte mich in 20 Jahren wieder abholen. Als Jugendlicher wollte ich Buchhändler werden – ich dachte, ich beschäftige mich mit Büchern und betreibe ein angeschlossenes Café.
Im Kapitel «Der Schuppen» werden die Sommermöbel verräumt. Bleiben jetzt noch «24 letzte Sommer»?
Die Sommermöbel stehen für so vieles. Man holt sie raus, und wenn man sie reinschiebt, denkt man: Wo ist die Zeit geblieben? Es ist etwas verloren gegangen, aber man ist reich an Erinnerungen an diesen Sommer.
Macht das melancholisch?
Ja, aber für mich ist das kein trauriges Gefühl. Ich finde melancholische Musik schön, ich mag melancholische Bücher – man nimmt die Welt in solchen Momenten intensiver wahr.
«Aber jetzt gerade, Papa, jetzt ist alles gut», sagt der Sohn zum Ich-Erzähler im Text «Der Sonntag» – und die Melancholie verfliegt. Helfen solche Sätze?
Absolut! Der Sonntag ist der komischste Tag der Woche. Dann kann man wirklich einer Melancholie verfallen. Dass mein Sohn gemerkt hat, dass sein Vater sonntags plötzlich so anders ist, war toll. Ich machte seinen Satz gleich zum Titel meines neuen Buchs.
Stephan Schäfer, «Jetzt gerade ist alles gut», Park x Ullstein, ab 30. Oktober im Handel. Der Autor ist auf Schweizer Lesetour in Orell-Füssli-Filialen: in St. Gallen am 10. November, in Zürich am 11. November, in Bern am 13. November und in Basel am 14. November.