Darum gehts
- Lehrer wegen Laserpointer am Flughafen angezeigt. Strafmass über 910 Franken
- Laserpointer ab Klasse 1M seit Juni 2021 in der Schweiz verboten
- Rund 3000 verbotene Laserpointer an Schweizer Zöllen seit 2019 beschlagnahmt
Als sich Bruno Patricio (31) am frühen Morgen des 10. Februars 2025 zum Flughafen Genf aufmacht, ahnt er nichts Böses. Der Forscher und Dozent aus Nyon VD will einen kranken Freund in Amsterdam besuchen. Doch wenig später wird er von der Polizei verhört – und angezeigt. Am 17. März 2025 flattert ihm ein Strafbefehl der Genfer Staatsanwaltschaft ins Haus: 910 Franken Geldstrafe, bei Nichtzahlung droht Haft. Doch was hat Bruno Patricio verbrochen?
An der Sicherheitskontrolle stoppt ihn die Flughafen-Security und entnimmt ihm seine Tasche. Ein Mitarbeiter erklärt, es befinde sich etwas Verdächtiges darin, Patricio solle auf die Polizei warten. Diese führt ihn in eine kleine Kabine, ähnlich einer Umkleide. Der verdächtige Gegenstand: eine Präsentationsfernbedienung mit integriertem Laserpointer. Eine Fernbedienung, mit der Patricio in Vorlesungen Folien weiter klickt und Inhalte hervorhebt.
«Ich wollte in Amsterdam auch an meinen Projekten arbeiten, deshalb hatte ich mein ganzes Arbeitsmaterial im Handgepäck», erzählt er. Die Fernbedienung habe er vor Jahren im Interdiscount gekauft. Und genau da liegt die Krux: Das Gerät gehört zur Laserklasse 2. Seit dem 1. Juni 2021 ist in der Schweiz aber nur noch Klasse 1 erlaubt, und auch das nur in Innenräumen.
Keine «Versteckte Kamera»
Das zugrundeliegende Bundesgesetz und die Verordnung «zum Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall» traten am 1. Juni 2019 erstmals in Kraft, um die Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden durch starke Laserstrahlen zu schützen, insbesondere an Augen und Haut. Anfangs betraf das Verbot nur Geräte der Laserklassen 3R, 3B und 4 sowie Laser ohne Etikett. Doch ab Juni 2021 wurde das Gesetz verschärft, nachdem vermehrt Laserattacken auf Flugzeuge, Züge und Menschen registriert worden waren. Wer seither in der Schweiz ein Gerät mit höherer Klasse als 1 besitzt, hätte es bis zum 31. Mai 2021 entsorgen müssen. Dazu Patricio: «Kein Mensch in der Schweiz kann alle Gesetze auswendig kennen.»
Dass die meisten Laserpointer verboten sind, wissen tatsächlich viele nicht. An Schweizer Zöllen wurden zwischen Inkrafttreten des Gesetzes im Juni 2019 und heute rund 3000 solcher Geräte beschlagnahmt. Diese Zahl berücksichtigt nur Warenkontrollen von Postsendungen und Personenkontrollen bei Einreisen in die Schweiz, nicht bei Ausreisen.
Als Patricio am Flughafen in der Kabine steht, hält er die Situation für einen Scherz und beginnt zu lachen. Dann sieht er das Formular vor sich und realisiert den Ernst der Lage. Die erste Frage lautet: «Woher haben Sie Ihre Waffe?» Das Verhör dauert knapp 30 Minuten, seinen Flug erwischt Patricio noch knapp. Besonders in Erinnerung bleibt ihm, wie verständnisvoll sich die Polizei verhalten habe. «Ich war unglaublich wütend, die Polizisten stimmten mir aber sofort zu, dass das Ganze absurd sei. Ich glaube, auch sie sind dieses Themas überdrüssig», so der Dozent.
Zu Einzelfällen wie Patricios äussern sich weder die Kantonspolizei noch die Staatsanwaltschaft Genf. Letztere teilt auf Anfrage lediglich mit, man wende das Gesetz an. Die Polizei erklärt allgemein: «Wir kennen das Phänomen, dass insbesondere Personen aus dem akademischen Bereich kontrolliert werden, weil sie solche Geräte mitführen.»
Eine zunehmend komplexe Gesellschaft
Etwas differenzierter geht die Polizei am Flughafen in Zürich vor. «Das Verbot bestimmter Laserpointer-Klassen wird mit Augenmass durchgesetzt. Fallweise erfolgen auch Verzeigungen», so die Kantonspolizei Zürich. Details zur konkreten Handhabung will man nicht nennen.
In Genf bleibt es bei der Anzeige. Patricio soll 910 Franken zahlen, davon 510 Franken Administrationskosten. «Für den Fall, dass er die Geldbusse schuldhaft nicht bezahlt, wird ausserdem eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Tag und höchstens drei Monaten verhängt», heisst es im Strafbefehl. Patricio wehrt sich: Er schaltet seine Rechtsschutzversicherung ein und legt Einsprache ein. Doch am 2. April folgt der Rückschlag: Die Staatsanwaltschaft hält am Strafbefehl fest.
Ob der 31-Jährige bis vors Bundesgericht zieht, ist offen. Der Aufwand wäre hoch, die Strafe vergleichsweise gering – und das Gesetz bliebe bestehen. Doch darum geht es ihm nicht. «Mein ultimatives Ziel ist nicht, die Strafe zu senken», sagt er, «Meine Geschichte zeigt exemplarisch, dass unser demokratisches System mit seiner heutigen Gesetzeslage der zunehmend komplexen, vielfältigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird.»