Darum gehts
- Beziehungsfehler: Bauchgefühl ignorieren, naive Hoffnungen und mangelnde Kommunikation
- Paare leben sich oft schleichend auseinander
- Die Expertin sagt: Häufig werden einem Fehler erst im Nachhinein bewusst
Etwa 40 Prozent der Ehen in der Schweiz werden geschieden. Überdurchschnittlich viele Trennungen fallen in die Adventszeit. Die Gründe sind vielfältig, und im Nachhinein weiss mans immer besser. Fünf Personen gestehen ihre grössten Beziehungsfehler:
Claudia* (50), zwei Kinder, geschieden:
«Ich hatte alles, wovon frau träumen konnte: einen tollen Job, zwei wunderbare Kinder, ein schönes Haus und einen Traummann. Trotzdem hatte ich relativ früh in der Beziehung oft ein komisches Gefühl im Bauch – irgendetwas stimmte nicht. Da ich dieses Irgendetwas nicht definieren konnte, schob ich es immer wieder weg. Als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, wurde dieses Bauchgefühl immer stärker. Ich ignorierte es. Und schwieg. Nachdem ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, mich zu trennen, erfuhr ich Stück für Stück, dass ich jahrelang auf jeder Ebene hintergangen wurde. Sexuell, finanziell, emotional. Die Erkenntnis, dass 20 Jahre lang kaum etwas so gewesen war, wie ich gedacht hatte, war eine bittere Pille. Dafür weiss ich jetzt, dass ich meinem Bauchgefühl trauen kann.»
Das sagt die Expertin: «Oft ist das Bauchgefühl das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Viele ignorieren es zugunsten der Beziehung – und erkennen erst im Rückblick, wie lange es da war.»
Anna* (26), in einer Beziehung:
«Jan* erzählte mir bereits bei unserem ersten Date von seinem Traum, in den USA zu studieren. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Wir wurden ein Paar und hatten eine wunderschöne Zeit. Über seine geplante Auswanderung haben wir zwei Jahre praktisch nicht gesprochen. Ich hoffte, er überlegt es sich anders. Aber er bekam ein Stipendium. Wir trennten uns zwar, ich hoffte aber inständig, dass wir nach seiner Rückkehr wieder zusammenfinden. Jan ging in die USA – und kam drei Monate später zurück, weil es ihm nicht gefiel. Nur: Wir konnten nicht einfach wieder dort anknüpfen, wo wir aufgehört hatten. Es war zu viel passiert. Heute bin ich in einer glücklichen Beziehung, die nicht auf einer vagen Hoffnung beruht.»
Das sagt die Expertin: «Manchmal werden bestimmte Themen über lange Zeit vermieden, weil ihr Ansprechen mit Ängsten verbunden ist. Gerade wenn die Lebensvorstellungen auseinandergehen, kann dieses Schweigen zum Ende der Beziehung führen.»
Thomas* (59), drei Kinder, geschieden:
«Die Beziehung zu Jeanette* war eine typische Amour fou. Ich war damals 45 Jahre alt, sie im Alter meiner ältesten Tochter, und ich war sehr verliebt und stolz. Eines Tages machte ich Jeanettes Mutter gegenüber eine sehr unbedarfte Äusserung über ihren Stiefvater. Kurz darauf gab mir Jeannette am Telefon den Laufpass und sagte, sie wolle nicht mehr mit mir reden. Ich war total betroffen. Rückblickend hätte ich etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen können. Oder mich zumindest für meine deplatzierte Äusserung entschuldigen. Aber vielleicht sagte ja auch etwas in mir, dass diese Beziehung auf keinem guten Fundament stand. Heute bin ich seit über 12 Jahren mit meiner grossen Lebensliebe glücklich. Und ich weiss, dass eine Partnerschaft keine Einbahnstrasse ist. Man muss immer wieder an ihr arbeiten und, lernen, zu kommunizieren.»
Das sagt die Expertin: «Manchmal fühlt sich eine Trennung für das Gegenüber abrupt an. Für die trennende Person jedoch ist sie meist das Ergebnis eines inneren Prozesses, bei dem der Gedanke schon lange vorher Gestalt angenommen hat.»
Julia* (45), zwei Kinder, geschieden:
«Als ich Mutter wurde, war ich überwältigt, dass ein Gefühl von so viel Liebe existiert. Dies, gekoppelt mit der gesellschaftlichen Vorstellung, dass eine Mutter sich für ihre Kinder aufopfern muss, führte dazu, dass auf meiner Prioritätenliste zuoberst meine Kinder standen und dann ganz lange nichts kam. Die Partnerschaft folgte ganz weit hinten. Wir arbeiteten beide viel, stimmten alles perfekt ab, vereinten Job und Familie scheinbar mühelos. Dass wir uns oft nur noch die Türklinke in die Hand gaben, merkten wir beide lange nicht. Wir führten keine Ehe mehr, sondern eine Firma. Als die Kinder älter wurden, passierte der Klassiker: Wir hatten einander nichts mehr zu sagen. Heute weiss ich, dass auch meine Kinder von einer Mutter profitiert hätten, die in sich selbst und in die Beziehung zu ihrem Vater investiert hätte. Das habe ich leider zu spät erkannt.»
Das sagt die Expertin: «Durch fehlende gemeinsame Zeit können Paare sich schleichend auseinanderleben – oft ohne es im Moment wahrzunehmen. Erst im Rückblick erkennt man, wie sehr der Alltag die Verbindung langsam gelockert hat.»
Florian*(42), zwei Kinder, geschieden:
«Bei Nina* und mir war es Liebe auf den ersten Blick. Wir lernten einander bei einem meiner Heimatbesuche kennen, denn ich lebte damals im Ausland. Bei ihrem ersten Besuch bei mir wurde Nina schwanger. Was jetzt? Ich konnte mir nicht vorstellen, in die Schweiz zurückzukehren, sie hatte Mühe mit dem Gedanken, im Ausland zu leben. Schliesslich willigte sie ein, mit dem Baby nach der Geburt zu mir zu kommen. Ich realisierte nicht, wie unglücklich Nina bei mir war. Die Zeit allein mit dem Baby, ohne ihre Familie in der Nähe, zermürbte sie. Ich lebte einfach weiter wie vorher und freute mich, dass abends Frau und Kind auf mich warteten. Nina tönte immer wieder eine Rückkehr in die Schweiz an, aber ich liess nicht mit mir reden, schliesslich lebten wir von meinem Job. Unsere Beziehung ging je länger je mehr bachab, auch ein zweites Kind rettete uns nicht. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir trennten uns, Nina zog zurück in die Schweiz, ich 18 Monate nach unserer Trennung ebenfalls, weil ich die Kinder vermisste. Da hatte Nina bereits einen neuen Partner.»
Das sagt die Expertin: «Grundlegend unterschiedliche Vorstellungen über elementare Fragen lassen sich oft nur schwer überbrücken.»
* Namen von der Redaktion geändert