Darum gehts
- Schweizer wünschen mehr Lohntransparenz, Umfrage zeigt geteilte Meinungen
- Leser äussern Bedenken wegen Neid und unfairer Vergleiche
- 55 Prozent befürworten bedingungslose Lohntransparenz in Schweizer Unternehmen
Beim Thema Lohn herrscht in der Schweiz oft Schweigen. Doch eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts MIS Trend im Auftrag von Blick zeigt: Viele würden sich mehr Offenheit wünschen. 55 Prozent der Befragten befürworten eine bedingungslose Lohntransparenz in Schweizer Unternehmen. Weitere 20 Prozent sprechen sich ebenfalls dafür aus – allerdings nur für Führungskräfte. Lediglich 25 Prozent lehnen Lohntransparenz grundsätzlich ab.
Besonders gross ist die Zustimmung zur Offenlegung des Gehalts bei Frauen und Personen mit tiefem Einkommen. Am anderen Ende der Skala stehen jene, die über 10'000 Franken im Monat verdienen. Sie sprechen sich deutlich häufiger gegen eine Offenlegung der Gehälter aus. Generell zeigt sich: Je höher der Lohn, desto geringer das Interesse, ihn öffentlich zu machen.
Viele Leser bleiben skeptisch
In der Blick-Kommentarspalte zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Dort überwiegt die Skepsis gegenüber mehr Transparenz. Leserin Beatrix Jud etwa warnt: «Bei Offenlegung würde der Neid noch mehr geschürt. Und zwar nicht auf die CEO-Löhne, sondern auf die mittleren und niedrigen Löhne. Ich habe selber erlebt, dass männliche Kollegen neidisch wurden, als sie meinen Lohn erfuhren. Das hat nicht nur Neid geschürt, sondern regelrecht Krach gegeben. Dabei wurde einfach ausser Acht gelassen, dass ich mehrere Ausbildungen und Weiterbildungen gemacht habe. Das ist, als würde man einen Apfel mit einer Birne vergleichen.»
Auch Marco Straumann hält Lohntransparenz für wenig sinnvoll. Er erzählt von einer früheren Stelle, wo er für die Lehrlingsausbildung zuständig war. Nachdem er einen Lernenden erfolgreich durch die Abschlussprüfung gebracht hatte, blieb dieser im Unternehmen. «Zwei Jahre später erfuhr ich, dass er nur 1'000 Franken weniger verdient als ich – ein 20-Jähriger ohne Berufserfahrung im Vergleich zu mir, 35, mit Wirtschaftsinformatik-Abschluss», schreibt er. Er gönne es dem jungen Kollegen, «aber das hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen wollen». Sein Fazit: Lohntransparenz mache niemanden glücklicher.
Auch für Leser René Merten ist die Sache klar: «Warum wollen denn die Leute angeblich die Löhne der anderen Leute wissen? Reiner Gwunder oder Neid. Löhne sind Privatsache und auch der Arbeitgeber kann seine Löhne nach seinem Gutdünken ausrichten. Jeder Mensch hat andere Qualifikationen und Ausbildungen und auch andere Einstellungen zur Arbeit. Fleiss und Weiterbildung sind auch Anstellungskriterien. So zeigen sich deshalb auch unterschiedliche Löhne.»
«Die Heimlichtuerei in der Schweiz ist ärgerlich»
Doch nicht alle teilen diese Haltung. Leser Hans Scheidegger hält mangelnde Transparenz für ein Zeichen fehlender Fairness: «Natürlich gibt es bei der überwiegenden Anzahl der Unternehmen keine Lohntransparenz, die Gehälter werden nicht offengelegt. Warum? Eigentlich ist die Antwort sehr einfach: weil die Lohnunterschiede meistens weder sachlich noch objektiv begründet werden können.»
Auch Leser Marcel Juergens aus Wila ZH findet das Lohngeheimnis fragwürdig. «Es ist schon interessant. Im Ausland ist es kein Problem, über den Lohn zu sprechen. Nur in der Schweiz wird das teilweise sogar vertraglich verboten. Dabei geht es doch nur darum, zu verhindern, dass ein Mitarbeiter plötzlich denselben Lohn fordert wie sein Kollege», schreibt er.
Und auch Marcel Stierli aus Mérida kritisiert die Schweizer Lohnpolitik: «Die Heimlichtuerei in der Schweiz ist ärgerlich. Sie fördert nicht die Qualität der Arbeitnehmenden, sondern begünstigt jene, die sich am besten verkaufen.» Besonders interessant findet er das Modell in Mexiko. Dieses würde er auch in der Schweiz befürworten: «Bei Stellenangeboten wird hier gleich der Lohn sowie diverse Zusatzleistungen transparent angegeben.»