Brennstoffzellen-Mythen im Fakten-Check
Die Wahrheit über Wasserstoff

Das mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Auto scheint nun doch auf eine Zukunft zuzusteuern. Aber macht das trotz der nun immer besseren Akkus denn Sinn? Fakten zu zehn Vorurteilen.
Publiziert: 23.12.2020 um 02:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 13:19 Uhr
Wasserstoff: Sah erst alles nach einem Siegeszug nur der Akkus für den E-Antrieb aus, erhält die Brennstoffzelle nun wieder Auftrieb.
Foto: Keystone
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Timothy Pfannkuchen

Die mit Wasserstoff (H2, englisch Hydrogen) betriebene Brennstoffzelle ist wieder da: Nachdem es noch vor Jahren aussah, als sei diese Idee nun Geschichte und das Akku-Auto wohl die alleinige Zukunft, erlebt die Brennstoffzelle ihr Revival. Quasi alle grossen Hersteller sind jetzt – teils wieder – unter Hochdruck am Thema dran.

Dabei kommt die Brennstoffzelle quasi durch die Hintertür ins Auto: Fernverkehrs-Gütertransport ist mit Akku laut Meinung der meisten Experten kaum machbar. So wird der Laster vielleicht zum Entwicklungshelfer des Wasserstoffautos. Doch geistern reichlich Mythen durch das Internet. BLICK macht den Faktencheck, was an Brennstoffzellen-Vorurteilen real dran ist.

1. Brennstoffzellen sind besser als Akkus

Nein. Sie sind nur je nach Einsatzzweck sinnvoller. Experten sagen: Im Alltagsauto gehört die Zukunft dem Batteriebetrieb. In teureren, grossen Langstreckenautos werde es Brennstoffzellen geben. Denn Wasserstoff lässt sich fast tanken wie Sprit, also entfällt trotz Elektroantrieb das Reichweiten- und Ladezeitproblem (ähnlich wie heute Plug-in-Hybride). Nutzfahrzeuge werden im Nahverkehr mit Akku laufen. Im Fernverkehr mit Brennstoffzelle – weil die Akkus hier sonst zu schwer würden.

2. Brennstoffzellen sind ökologischer

Je nachdem: Brennstoffzellenautos sind Elektroautos, die den Strom an Bord erzeugen. Diese Umwandlung bringt erhebliche Verluste. Batterieelektrische Antriebe haben den höheren Wirkungsgrad (90 Prozent) als Brennstoffzellen (65) – aber die sind dennoch effizienter als Benziner (35) oder Diesel (45). Bei der Bilanz Energiequelle bis Antrieb über die Lebensdauer widersprechen sich die Studien: Meist liegt der Akku, manchmal die Brennstoffzelle vorne. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte zu finden sein: Akkus sind effizienter, Wasserstoff aber ist nicht so dramatisch schlechter wie häufig angenommen.

3. Wasserstoff ist zu energieaufwendig

Jein. Die Herstellung von Wasserstoff verlangt viel Energie (und umstritten bleibt zurecht, wie energetisch sinnig es ist, mithilfe von Strom erst Wasserstoff und daraus Strom zu erzeugen). Meist wird Wasserstoff heute unter Einsatz von Erdgas hergestellt. Aber wie Akku-Autos selbst im EU-Strommix ökologischer sind als Benziner und Diesel, ist Wasserstoff selbst mit Nutzung von Erdgas noch grüner als Verbrenner. Die Zukunft liegt wie beim Strom aber nur in der Erzeugung mithilfe natürlicher Energiequellen. Zwar bleibt die Wasserstoff-Erzeugung auch dann energieaufwendig, aber bei grüner Energie spielt dies emissionsseitig dann keine bedeutende Rolle.

4. Die Brennstoffzelle ist zu teuer

Noch ja. Derzeit kostet die Brennstoffzelle so viel wie ein Kleinwagen. Aber das liegt an viel Handarbeit in kleinen Stückzahlen. Experten sagen: Steigen die Stückzahlen in Grossserienbereiche, ist die Brennstoffzelle nicht teurer als ein Akku. Helfen würde, falls Laster vermehrt auf die Brennstoffzelle setzen sollten. Durchaus möglich, da Camions eher betriebskosten- als kaufpreissensibel sind, was die Stückzahlen antreiben würde (und an den Hauptverkehrsachsen für die Laster auch eine Tankstelleninfrastruktur).

So funktioniert die Brennstoffzelle

Brennstoffzellen-Autos sind elektrisch angetrieben – nur eben mit an Bord in einer Brennstoffzelle erzeugtem statt vorher in einer Batterie gespeichertem Strom. In der im Prinzip seit 1838 bekannten Brennstoffzelle reagiert ein Brennstoff – im Auto ist das stets Wasserstoff – mit einem Oxidator – im Auto (Luft-)Sauerstoff. Ohne auf Details wie die Wanderung der Wasserstoff-Ionen durch eine Elektrolyt-Membran einzugehen: Der Wasserstoff wandert von einer zur anderen Elektrode (ähnlich Batteriepolen) und reagiert mit dem Sauerstoff. Und hierbei entsteht in einer sogenannten kalten Verbrennung (also einer chemischen Reaktion) Strom für den Antriebs-Elektromotor und als «Abgas» nur Wasser(dampf). Technisch betrachtet ist ein Brennstoffzellen-Auto übrigens ein serieller Hybrid. Es wird jedoch, um keine Verwirrung mit «normalen» (parallelen) Hybriden zu stiften, meist nicht so genannt.

Honda/zVg

Brennstoffzellen-Autos sind elektrisch angetrieben – nur eben mit an Bord in einer Brennstoffzelle erzeugtem statt vorher in einer Batterie gespeichertem Strom. In der im Prinzip seit 1838 bekannten Brennstoffzelle reagiert ein Brennstoff – im Auto ist das stets Wasserstoff – mit einem Oxidator – im Auto (Luft-)Sauerstoff. Ohne auf Details wie die Wanderung der Wasserstoff-Ionen durch eine Elektrolyt-Membran einzugehen: Der Wasserstoff wandert von einer zur anderen Elektrode (ähnlich Batteriepolen) und reagiert mit dem Sauerstoff. Und hierbei entsteht in einer sogenannten kalten Verbrennung (also einer chemischen Reaktion) Strom für den Antriebs-Elektromotor und als «Abgas» nur Wasser(dampf). Technisch betrachtet ist ein Brennstoffzellen-Auto übrigens ein serieller Hybrid. Es wird jedoch, um keine Verwirrung mit «normalen» (parallelen) Hybriden zu stiften, meist nicht so genannt.

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5. Wasserdampf schadet der Umwelt

Unsinn. Als einziges «Abgas» stossen Brennstoffzellenautos Wasserdampf aus. Die Menge Wasserdampf ist jedoch kaum höher als beim Verbrenner, denn auch Sprit besteht aus Kohlenwasserstoffen und setzt beim Verbrennen Wasserdampf frei. Für Umweltschäden oder glatte Strassen im Winter ist die Menge zu gering.

6. Brennstoffzellen brauchen Platin

Ja. Genau wie Elektroautos in ihren Akkus etwa Lithium oder Kobalt brauchen, ist die Brennstoffzelle auf Platin angewiesen. Aber genau wie bei den Akkus jetzt das Recycling in Gang kommt und an Ersatzstoffen geforscht wird, steckt schon in der jüngsten Generation der Brennstoffzellen 90 Prozent weniger Platin. Und Experten sagen: Bald ist es so wenig pro Brennstoffzelle wie im Verbrenner im Katalysator. Bei jenen wird Platin übrigens längst zu 98 Prozent wiedergewonnen und neu verwendet.

7. Wasserstoff sollte man verbrennen

Technisch geht es, praktisch ist es sinnlos. Weil Wasserstoff sehr flüchtig ist und die Schmierung angreift, ist der Aufwand, einen Verbrennungsmotor umzurüsten, enorm. Und Wasserstoff sollte idealerweise flüssig sein, um ihn zu verbrennen. Dies ist er aber nur in tiefgekühltem Zustand. Erwärmt er sich, muss er beim Ausdehnen entweichen – bis der Tank leer ist, ohne gefahren zu sein. All das, um am Ende ineffizienter als ein Diesel zu sein. Darum haben fast alle Hersteller diese Idee inzwischen aufgegeben.

8. Nach zwei Wochen ist der Tank leer

Nein, bei Brennstoffzellenautos nicht. Hier wird gasförmiger Wasserstoff bei meist 700 bar in mehrschichtigen Drucktanks gespeichert. Beim Komprimieren gehen bis zu zehn Prozent verloren, danach fast nichts. Apropos Speicherung: Wasserstoff gilt als ideal, um bei grüner Stromherstellung Energie zwischenzuspeichern.

9. Wasserstoff ist brandgefährlich

Jein. Im Hinterkopf geistert das Inferno des Zeppelins «Hindenburg» herum. Was stimmt: Wasserstoff und Luftsauerstoff sind eine explosive Mischung. Nur: Den nötigen Wasserstoffanteil erreicht man kaum, denn Wasserstoff verflüchtigt sich sofort, da leichter als Luft. Es bildet sich also kein «Gas-See» wie bei Flüssiggas. Tests zeigen: Die Tanks sind sicher wie Tanks in Erdgasautos und blasen notfalls mit Stichflamme ab (während Benzin sich ausbreitet und so alles in Brand setzt).

10. Keine Tankstellen, keine Autos

Ohne Brennstoffzellenautos keine Wasserstofftankstellen und umgekehrt? Doch es tut sich (z.B. dank Fördervereinen) was: Derzeit gibt es in der Schweiz sechs öffentliche Wasserstofftankstellen. Aber noch nur zwei Brennstoffzellenautos: Hyundai Nexo für 89'900 Franken und den neuen Toyota Mirai für 59'900 Franken. Der Honda Clarity wird hierzulande noch nicht angeboten. Andere werden bisher nur in kleiner Serie verleast (z.B. Mercedes GLC F-Cell). Aber auch hier gilt: Es tut sich was, viele Hersteller entwickeln kräftig.

Ob sich Brennstoffzellenautos durchsetzen? Abwarten. Experten sagen: 2025 bis 2030 könnte es losgehen. Und noch vor zehn Jahren schienen auch E-Autos für die Masse und Schnell-Ladesäulen unrealistisch. Es braucht halt Zeit: Auch Berta Benz (1849–1944) ging 1888 im vom Gatten 1886 erfundenen Auto auf Werbefahrt, weil erst niemand einen Verbrenner wollte. Und musste zum Spritkauf in die Apotheke.

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