Darum gehts
- E-Auto-Markt nimmt Fahrt auf, Hersteller verschieben dennoch Verbrenner-Aus
- Opel setzt weiterhin auf Multi-Energy-Strategie über 2028 hinaus
- In Deutschland stieg E-Auto-Nachfrage im Juli um 58 Prozent, auch in der Schweiz gehen Zahlen hoch
Diese Zahlen dürften die Autohersteller freuen: Nach einem Einbruch des E-Auto-Markts 2024 in weiten Teilen Europas nehmen die Stromer dieses Jahr endlich an Fahrt auf. So stieg die Nachfrage in Deutschland, dem grössten Automarkt Europas, im vergangenen Juli um 58 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Fast jeder fünfte Neuwagen – 18,4 Prozent – war laut Kraftfahrt-Bundesamt mit rein elektrischem Antrieb ausgestattet, weitere 10,3 Prozent fallen unter die ebenfalls wiederaufladbaren Plug-in-Hybride. Bis Ende Juli wurden in Deutschland schon fast 300'000 E-Autos neu zugelassen – fast 40 Prozent mehr als 2024. Ein Grund dürfte laut Expertinnen das deutlich grössere Fahrzeugangebot in Einstiegssegmenten sein.
In der Schweiz ist ebenfalls Entspannung in Sicht: Mit 20,6 Prozent Elektroautos und 10,5 Prozent Plug-in-Hybride steigt der Anteil der sogenannten Steckerfahrzeuge bis Ende Juli laut der Autoimporteursvereinigung Auto Schweiz seit langem wieder über die 30-Prozent-Marke. In Feierlaune sind Hersteller und Importeure dennoch nicht: Das vom Bund ausgegebene Ziel, bis Ende 2025 einen Marktanteil der Steckerfahrzeuge bei Neuwagen von 50 Prozent zu erreichen, dürfte meilenweit verfehlt werden.
Opel: Verbrenner-Aus verzögert sich
Die Unlust der Kundinnen und Kunden an Elektroautos ist europaweit nach wie vor so gross, dass sich immer mehr Hersteller dazu entscheiden, ihre ambitionierten Ziele zu kassieren und die grosse Elektrowende nach hinten zu verschieben. Der Ausstieg verzögert sich – die Verbrenner gehen in die Verlängerung.
Nun hat auch Opel den Ausstieg vom Ausstieg verkündet und das geplante Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2028 auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben. Weil die Kundinnen und Kunden es verlangten, werde man in Rüsselsheim (D) auch weiterhin auf eine «Multi Energy»-Strategie setzen, heisst es vonseiten der Opelaner. Jedes Modell soll also auch über das Jahr 2028 hinaus nicht nur rein elektrisch, sondern auch als Plug-in, Mildhybrid und Verbrenner angeboten werden. Auch die Pläne für ein grosses Batteriezellenwerk am Opel-Standort in Kaiserslautern (D) liegen vorerst auf Eis.
Zahlreiche Marken mit Kehrtwende
Opel ist nicht die einzige Marke im schwächelnden Stellantis-Konzern, der bei der Elektrowende der Saft ausgeht. So wollte Citroëns Edelsparte DS bereits ab 2024 nur noch rein elektrische Modelle im Portfolio haben – ein Ziel, welches die Franzosen still und heimlich ad acta gelegt haben. Sie werden auf unbestimmte Zeit neben Stromern auch weiterhin auf Fahrzeuge mit Hybridantrieb setzen. Citroën selber hatte wie die Konzernschwestern Opel, Peugeot, Alfa Romeo und Maserati das Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2028 verkündet. Aufgrund der aktuellen Marktlage scheint dieses Ziel kaum mehr realistisch.
Andere Autobauer waren von Anfang an vorsichtiger beim Verkünden ihrer Elektro-Ambitionen. Für BMW-Boss Oliver Zipse war «das Verbot der Verbrennungsmotoren aus unserer Sicht naiv und muss angepasst werden», wie er sich gegenüber der deutschen «Bild» äusserte. Sein Unternehmen stelle sich darauf ein, auch nach 2035 noch Autos mit Verbrenner in Europa anzubieten. Premium-Konkurrent Audi hat das für 2033 geplante Verbrenner-Ende unlängst ebenfalls nach hinten verschoben, bei Mutterkonzern Volkswagen siehts ähnlich aus. Nach einem enttäuschenden 2024 hatte Anfang Jahr auch der zu VW gehörende Sportwagenbauer Porsche bekannt gegeben, zukünftig wieder vermehrt auf Benziner und Plug-in-Hybride zu setzen.
Tabubruch von Mercedes
Wie ernst die Lage für Europas Autobauer ist, hat unlängst das Beispiel Mercedes gezeigt. In gewissen Modellen des schwäbischen Megakonzerns – eines der Zugpferde der deutschen Industrie – könnten ab 2027 Vierzylindermotoren von Erzfeind BMW zum Einsatz kommen. Ein Tabubruch, der noch vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen wäre. Brancheninsider sprechen von einer strategischen Bankrotterklärung, an der vor allem Mercedes-CEO Ola Källenius (56) die Verantwortung tragen soll: Der Schwede setzte angesichts des drohenden Verbrenner-Verbots konsequent wie kaum ein anderer Konzernchef fast alles auf die Karte Elektroantrieb.
Dass die Kunden zum mächtigsten Gegenspieler werden könnten, scheint er nicht erwartet zu haben. Und so werden die Hersteller vorerst munter weiter Autos mit Verbrennungsmotoren verkaufen – und gewisse Mercedes-Modelle bald sogar mit BMW-Aggregaten in die Showrooms rollen.