Darum gehts
- Mercedes wird ab 2027 BMW-Motoren in verschiedenen Modellen verwenden
- Der deutsche Premium-Hersteller hat zu sehr auf Elektroantriebe gesetzt
- BMW verfolgt eine Zweigleisigkeit-Strategie für Verbrenner und Elektroautos
So, so, Mercedes will also in Zukunft BMW-Motoren verwenden. So steht es jedenfalls im gemeinhin solide informierten «Manager Magazin». Ab 2027 sollen die BMW-Vierzylinder mit und ohne Plug-in-Hybrid-Modul in verschiedenen Mercedes-Modellen zum Einsatz kommen. Eigentlich wäre der Deal als Verbesserung zu sehen. Schon längere Zeit verwendet Mercedes bei kompakteren Modellen französische Renault- und chinesische Geely-Triebwerke – dagegen ist ein BMW unter der Haube allererster Motorenadel.
Trotzdem. Man stelle sich die gleiche Meldung vor zehn bis fünfzehn Jahren vor – mehr Tabubruch wäre nicht möglich gewesen! Beide Marken leben stark von ihrem Image, spielen in der gleichen Liga, haben stets darauf geachtet, ihre Kernkompetenzen sauber zu differenzieren. Damals wären die Fangemeinden beider Marken auf die Barrikaden gestiegen, in der Motorpresse hätte man den Donnerhall des Hohns bis Detroit und Tokio gehört.
Mercedes' All-in-Strategie geht nicht auf
Aber wir leben in einer Alles-ist–möglich-Zeit, in der sich selbst Ferrari nicht zu schade ist, einen wahrlich nicht genialen SUV in Form des Purosangue zu bauen. Also löst die Meldung nicht sehr viel mehr als ein bedauerndes Schulterzucken aus. Und selbst das ist irgendwie traurig, weil der Eingriff tief in die Markenphilosophien reicht. Wird es in Zukunft egal sein, ob man sich für einen BMW oder Mercedes entscheidet?
Die klare Verantwortung an diesem Debakel trägt Mercedes-Chef Ola Källenius (56). Denn für Mercedes ist das Thema nicht weniger als eine strategische Bankrotterklärung. Der Schwede ging angesichts des drohenden Verbrenner-Verbots konsequent wie kaum ein anderer Konzernchef all-in in Richtung Elektroantrieb. Heerscharen hoch qualifizierter Motoreningenieure wurden für viel Geld in den Vorruhestand versetzt oder für andere Bereiche umgeschult.
BMWs goldrichtige Transformation
BMW entschied sich hingegen für eine Strategie der Zweigleisigkeit, die zwar in der Produktion teurer ist, sich aber gerade als goldrichtig erweist. Die Münchner blieben an der Motorenentwicklung dran und gingen sogar so weit, die Fabriken so umzurüsten, dass Verbrenner- und Elektromodelle vom gleichen Band laufen können. So geht wetterfeste Mobilitätstransformation. In Zukunft könnte die Mercedes-Variante des BMW-Vierzylinders österreichische Arbeitsplätze sichern. Denn schon heute kommen etwa die Hälfte der bayrischen Motoren aus dem oberösterreichischen Steyr, wo BMW das weltweit grösste Motorenwerk des Konzerns betreibt.
Rein optisch sieht die Sache für Mercedes weniger gut aus. Das bisher renditestarke Geschäft mit grossen Limousinen und sportlichen AMG-Modellen bricht in China gerade zusammen, und die neuen US-Zölle werden das Geschäft auch nicht einfacher machen. Damit wird der kompakte CLA plötzlich zum Hoffnungsträger des deutschen Autogiganten. Falls es zu einer Kooperation mit BMW kommen sollte, würde das bedeuten, dass die im CLA verwendeten und mit dem chinesischen Hersteller (und Mercedes-Anteilseigner) Geely gemeinsam entwickelten Motoren vielleicht doch nicht ganz das Gelbe vom Ei sind. Peinlich, peinlich, zumal der Verkaufsstart des CLA gerade erst erfolgt ist.
Das Beste – der Konkurrenz
Ohne Zweifel gehört die Vierzylinder-Familie von BMW zum Besten, was man in dieser Klasse fahren kann. Aber beim Autokauf geht es auch um Klassenstatus und Emotionen. Ja, immer noch! Und nun wollen wir uns die Nöte des stets korrekt gekleideten und überwiegend vor Selbstbewusstsein strotzenden Mercedes-Verkaufspersonals vorstellen. Die Damen und Herren werden sich bei Nachfrage nach der Motorisierung winden wie ein Gourmet, der gerade seinen bretonischen Hummer vom japanischen Holzkohlegrill an geschwenkten Pilzen und Waldpilzkompott wegen zu viel Salz zurückschicken musste.
«Der Motor? Ähm, hüstel, der kommt derzeit aus chinesischer Fabrikation, aber natürlich von deutschen Ingenieuren entworfen und in China in höchster Präzision gefertigt. Schliesslich kommt ihr iPhone – Zwinkerzwinker – ja auch von dort. Alles am letzten Stand der Technik, Vollalu-Kurbelgehäuse, Turbo mit variabler Geometrie, Mildhybrid mit 48-Volt-Technik serienmässig, Ölwanne aus glasfaserverstärktem Kunststoff zur weiteren Gewichtsreduktion. Wie schon gesagt, das Beste vom Besten.» Und wenn der Kunde dann nachfragt: «Und ab wann ist der BMW-Motor verfügbar?», sollte er ein sauberes Taschentuch zur Hand haben, falls der einst so stolze Mercedes-Verkäufer doch in Tränen ausbricht. Denn es dauert noch mindestens zwei lange Jahre, bis im Benz BMW drin ist.
Logik spricht für Kooperation
Aber vielleicht kommt es gar nicht so weit. Denn 2009 gab es schon einmal einen Anlauf für eine weitreichende technische Kooperation zwischen BMW und Mercedes. Es ging allerdings «nur» um die stillen Helden des Antriebs: Getriebe und Hybrid-Komponenten. Vieles schien möglich, damals wurde aber interessanterweise der Motorenbau klar ausgeschlossen, um die Eigenständigkeit der Marken zu bewahren. Letztlich konnte man sich nicht auf gemeinsame Spezifikationen der Bauteile einigen – zu gross waren die Unterschiede in den Vorstellungen der Ingenieure. Der Deal platzte.
Umso spannender wird es diesmal, weil es eben um das so imageprägende Bauteil Motor geht. Aber damals sah die wirtschaftliche Situation der Konzerne deutlich rosiger aus. Heute haben beide mit drastischen Gewinneinbussen zu kämpfen. Die Logik würde für eine Kooperation sprechen: Stern auf den Motor und rein damit, und «Powered by BMW» wird wohl nicht auf dem Zylinderkopfdeckel stehen. Spannend ist die Sache allemal, es muss ja nicht in einer Fusion der beiden imageträchtigsten deutschen Hersteller enden. Aber wer weiss schon, was die nächsten, wirtschaftlich sicher nicht einfachen Jahre bringen werden.