Geheime Studie erst auf Druck veröffentlicht
Darum findet das Bundesamt für Energie die Ökobilanz von E-Autos «heikel»

Den alten Verbrenner länger fahren oder besser ein neues E-Auto kaufen? Mit dieser Frage hat sich auch das Bundesamt für Energie (BFE) beschäftigt und kommt in einer Studie zu einem eindeutigen Ergebnis. Das passte dem BFE aber anscheinend nicht.
Publiziert: 07:23 Uhr
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Aktualisiert: 09:01 Uhr
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Elektroautos sorgen oft für hitzige Diskussionen – besonders, wenn es um die Ökobilanz geht.
Foto: Gudrun Muschalla

Darum gehts

  • E-Autos sind umweltfreundlicher als Verbrenner, zeigt zurückgehaltene Studie
  • BFE veröffentlichte Studie erst auf Druck von Medien
  • Studie zeigt: 90 Prozent der Schweizer Verbrenner sollten durch E-Autos ersetzt werden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Ein neues E-Auto hilft der Umwelt? «Unsinn!», hört man nicht wenige rufen, die der Meinung sind, es sei wesentlich besser für die Ökobilanz, ihren alten Verbrenner möglichst «tot» zu fahren und – wenn überhaupt – erst danach durch einen Stromer zu ersetzen. In Zeiten, in denen der Glaube oft über den Fakten steht, lohnt sich ein Blick auf die Forschung. Und die kommt beim Thema Ökobilanz zu einem eindeutigen Ergebnis. Richtig sei zwar, dass die Emissionen eines PWs über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden müssen – also bei der Herstellung, im Betrieb und im Recycling. Und aufgrund der Batterie-Herstellung würden E-Autos mit einem grösseren CO2-Rucksack an den Start gehen.

Doch weil Stromer über ihre Lebensdauer deutlich weniger Treibhausgase ausstossen als vergleichbare Verbrenner, ist dieser CO2-Rucksack selbst im deutschen Strommix nach etwa 45'000 bis 60'000 Kilometern aufgebraucht und der Stromer danach klimatechnisch immer besser unterwegs als vergleichbare Verbrenner. In der Schweiz mit ihrem deutlich grüneren Strommix fahren E-Autos bereits nach 30'000 bis 40'000 Kilometern besser. Denn was Verbrenner-Fans oft vergessen: Der grösste Teil der klimarelevanten Emissionen, rund 80 Prozent, entsteht bei Diesel und Benzinern im Betrieb – also beim Bereitstellen und Verbrennen des Sprits.

Studie nie veröffentlicht – bis jetzt

Dass E-Autos in den allermeisten Fällen umweltfreundlicher als Verbrenner fahren, war auch das Ergebnis einer Studie, die das Bundesamt für Energie (BFE) in Auftrag gab. «Hochgerechnet auf die gesamte Schweizer PW-Flotte würde sich aus Klimasicht bei rund 90 Prozent der Verbrenner der Ersatz durch ein Elektroauto der gleichen Fahrzeugklasse lohnen», schreiben die Studienautorinnen vom Forschungsbüro Infras. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei besonders effizienten Verbrennern oder wenn das Auto sehr wenig bewegt wird, lohne sich ein Ersatz ökologisch nicht. Bereits im Herbst 2024 lag dem BFE die Untersuchung vor, veröffentlicht hat man sie aber nie – bis jetzt.

Erst auf Druck des Onlinemagazins «Republik» und des Recherchekollektivs WAV, die über die Zurückhaltung der Studie berichtet haben, wurden die Ergebnisse bekannt und auf der Website des BFE veröffentlicht. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Spiegel», das ebenfalls über die zurückgehaltene Studie berichtete, hat das BFE den Vorgang bestätigt. Die getroffenen Annahmen in der Studie seien vage und deshalb schwierig nachzuvollziehen, schreibt das BFE als Begründung für die Nicht-Veröffentlichung der Ergebnisse.

Angst wegen Anti-Stromer-Stimmung

Die Studie gebe sehr wohl eine klare Antwort, schreiben «Republik» und WAV wiederum in ihrem Artikel. Laut verschiedenen E-Mails, welche die Autoren einsehen konnten, hätten die Verantwortlichen die Studie aus anderen Gründen zurückgehalten. Das Thema sei «möglicherweise heikel», die Ergebnisse könnten als «elitäre Empfehlungen» aufgefasst werden. Vielleicht erschien dem Bundesamt der Zeitpunkt suboptimal: Im letzten Jahr gingen die Verkaufszahlen von Elektroautos nach Jahren des Aufschwungs erstmals wieder zurück, eine Anti-Stromer-Stimmung machte sich breit.

Es sei nicht akzeptabel, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus Angst vor der Öffentlichkeit nicht publiziert würden, sagt Martin Winder vom VCS gegenüber der «Republik»: «Solche Studien sind wichtig, weil sie die Frage beantworten, wie wir uns verhalten sollten, wenn wir die Umwelt nicht belasten wollen.» GLP-Nationalrat Jürg Grossen, Präsident des Verbands Swiss E-Mobility, hat ebenfalls kein Verständnis: «Wenn ein Bundesamt Steuergeld für Studien ausgibt, so muss es das Resultat auch veröffentlichen.» Immerhin kostete die Umsetzung der Studie die Steuerzahlerinnen 118'000 Franken – egal ob sie E-Auto oder Verbrenner fahren.

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