Aktuell herrscht in der Ukraine offiziell eine Feuerpause – zumindest auf russischer Seite hat man die Kampfhandlungen aufgrund der orthodoxen Weihnachtsfeiertage eingestellt. Diese hat Präsident Wladimir Putin (70) bereits am Donnerstag angekündigt. Was vom Kreml wohl als Versuch startete, sich als gütig zu inszenieren, stösst in der russischen Militärblogger-Szene sauer auf, wie das amerikanische Kriegsforschungs-Institut ISW schreibt.
Die Kriegsberichterstatter, die in Russland die öffentliche Meinung über den Krieg massgeblich beeinflussen und zumeist positiv über die «Spezialoperation» berichten, bezeichnen das 36-stündige Vorhaben als Finte.
Russische Blogger wütend auf Kreml
So empörte sich der ehemalige russische Geheimdienstler und Separatistenführer Igor Girkin (52) auf Telegram: «Putin hat einen solch kühnen und entscheidenden Schritt in Richtung Niederlage und Kapitulation im gegenwärtigen Krieg unternommen.»
Und der in Russland bekannte Militärblogger Boris Roschin wütet ebenfalls. «Es ist offensichtlich, dass die Entscheidung trotz der Bemühungen der offiziellen Propaganda in dieser Angelegenheit nicht sehr populär sein wird.» Laut dem ISW behaupten mehrere Militärblogger sogar, dass die russischen Soldaten eine solche Feuerpause gar nicht begrüssen würden.
So schrieb ein Blogger unter Verwendung einer offen völkermörderischen, entmenschlichenden Rhetorik, dass russische Soldaten keinen Kompromiss wollen würden. Sie «wollen jede Person in der Uniform der feindlichen Armee töten, unabhängig vom Geschlecht und den Umständen». Die Forschenden ziehen das Fazit: Diese Feindseligkeit, die von Militärbloggern ausgeht, die in der Regel mit Putins Linie im Krieg übereinstimmen, sei bemerkenswert und untergrabe Putins Fähigkeit, Russland als verhandlungsbereite Partei darzustellen.
Auch Vladlen Tatarsky, ein weiterer prominenter Blogger, hält nicht viel von einer Feuerpause – sie zeige Schwäche und sei lediglich für ein westliches Publikum inszeniert worden. «Die Menschen im Westen fürchten und respektieren die bösen Russen. Aber die dumpfen Friedensfreunde wollen sie nicht respektieren. Sie wollen sie umbringen.»
Waffenruhe wird nicht eingehalten
Die Ukraine würde diese Waffenruhe wohl nutzen, um ihre Position zu stärken und sähen dies eher als Einladung für einen Angriff, sind sich die Militärblogger zudem einig. Und sie sollen recht behalten: Während der von Russland einseitig erklärten Waffenruhe zum orthodoxen Weihnachtsfest haben ukrainische Soldaten im Donezker Gebiet das Feuer auf Stellungen des Feindes eröffnet.
«Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!», teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Freitag in sozialen Netzwerken mit. In der Kleinstadt Bachmut seien Stellungen der russischen Truppen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten als «Geschenk» beschossen worden. «Der Widerstand geht weiter, bis der letzte russische Eindringling auf ukrainischem Boden getötet ist!», hiess es in der Mitteilung.