Darum gehts
Erst die Hoffnung – dann die kalte Absage aus Moskau. Als die vier europäischen Spitzenpolitiker Starmer, Macron, Merz und Tusk am Samstag in Kiew auftauchten, schien Bewegung in den Ukrainekrieg zu kommen. Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Polen forderten gemeinsam mit Präsident Wolodimir Selenski eine bedingungslose 30-tägige Waffenruhe: 30 Tage ohne Bomben, ohne Raketen, ohne Tote.
Die Botschaft an den Kreml war klar: Wenn Russland nicht einlenkt, drohen neue Sanktionen – und noch mehr westliche Waffen für die Ukraine. Selbst US-Präsident Trump unterstützte die Initiative. Ein seltener Moment westlicher Einigkeit. Doch nur Stunden später funkte Putin zurück. Die Antwort: ein glattes «Njet». Statt einer Feuerpause will der Kreml direkte Gespräche mit der Ukraine – am 15. Mai in Istanbul, ohne Bedingungen. Klingt nach Diplomatie. Ist aber vor allem eines: ein Trick.
Hinhalte-Taktik statt Feuerpause
Für den Russland-Experten Ulrich Schmid ist Putins Vorschlag Teil einer bekannten Taktik: «Dieser Vorschlag fügt sich nahtlos in die bisherige russische Hinhalte-Strategie ein. Putin will keinen Waffenstillstand, weil sonst ein Einfrieren des Krieges droht. Und das wäre aus seiner Sicht gefährlich – denn nach einer längeren Waffenruhe könnte er nicht einfach wieder loslegen, ohne erneut als Aggressor dazustehen.»
Und es steckt noch mehr dahinter – nämlich Kalkül. «Es steht ja das ukrainische Angebot einer 30-tägigen Waffenruhe im Raum, auf das Russland bisher mit Ausflüchten reagiert hat», so Schmid. «Jetzt will er ein Nein der Ukrainer zu seinem Vorschlag provozieren. Er weiss genau, dass Selenski ein Dekret erlassen hat, das direkte Verhandlungen mit Putin verbietet. Diesen Umstand nützt Putin jetzt aus.»
Dass Putin nicht an eine Feuerpause denkt, zeigt sich auch militärisch: Unmittelbar nach seinem Gesprächsangebot meldete Kiew russische Drohnenangriffe. Für Schmid ist das wenig überraschend: «Putin wird immer neue Bedingungen nennen und sich durch das Aufzählen von ‹Nuancen› einem Waffenstillstand entziehen.»
Der Westen zeigt Flagge – aber Putin bleibt unbeeindruckt
Dass gleich vier europäische Regierungschefs nach Kiew reisten, war laut Schmid ein wichtiges Signal. «Es ist wichtig, dass diese Länder ihre Unterstützung demonstrieren. Doch der Kreml lässt sich davon wenig beeindrucken.»
Auch die USA zeigen sich wieder härter: Vizepräsident JD Vance machte Moskau zuletzt deutlich klar, dass überzogene Forderungen nicht akzeptiert werden. Putin allerdings verfolgt laut Schmid ein anderes Kalkül: «Er weiss genau, dass Trumps Zeit im Weissen Haus begrenzt ist – entsprechend gering ist der Druck, den er wirklich ausüben kann.»
Was als Nächstes kommt
Wie geht es nun weiter? Für Ulrich Schmid ist klar: «Putin wird weiter versuchen, die Schuld für das Scheitern von Verhandlungen der Ukraine in die Schuhe zu schieben. Gleichzeitig will er sein Minimalziel erreichen – die vollständige Kontrolle über die vier annektierten Regionen.»
Der Kreml gibt sich also gesprächsbereit – aber spielt auf Zeit. Während Europa geeint auftritt, bleibt Moskau bei seiner alten Taktik. Jetzt muss der Westen diplomatische Offenheit mit klaren Bedingungen kombinieren. Denn echte Friedensgespräche erkennt man nicht an der Zahl der Verhandlungstische – sondern daran, dass die Waffen schweigen. Und davon ist Russland noch weit entfernt.