Darum gehts
Gewiss, wenn Donald Trump (79) wegen einer stockenden Rolltreppe und eines stummen Teleprompters über die Uno herzieht, übersäuert er. Erst recht, wenn er den, der die Rolltreppe zum Stillstand und die First Lady ins Wanken gebracht hat, verhaften lassen will.
Doch in seinem Rundumschlag gegen die Organisation, den er bei der Generaldebatte am Dienstag losgetreten hat, steckt auch berechtigte Kritik. Trump nennt die Organisation mit 193 Staaten zahnlos und verschwenderisch. Eine Reorganisation der 80-jährigen Institution, bei denen die Grossmächte zurückgestuft werden, ist tatsächlich nötig.
Die Uno wurde nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 von 51 Staaten mit dem Ziel gegründet, den Frieden zu sichern, Menschenrechte zu fördern und humanitäre Hilfe zu leisten. Die Schweiz schloss sich nach einer ablehnenden Volksabstimmung von 1986 in einem zweiten Anlauf 2002 an.
Die grösste Macht liegt bei der Vollversammlung, die zurzeit in New York abgehalten wird, sowie beim Sicherheitsrat. Andere wichtige Organe sind unter anderem der Internationale Gerichtshof, die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Bildungs- und Kulturorganisation (Unesco) und das Kinderhilfswerk (Unicef).
Über Jahre gelang es der Uno immer wieder, Erfolge zu erzielen. So etwa im Zypernkonflikt, im Nahen Osten und auch mit dem Einsatz von Blauhelmen. Seit 20 Jahren aber gelang bei Friedensverhandlungen kein nennenswerter Durchbruch mehr.
An der Generaldebatte brüstete sich Trump damit, dass er sieben Kriege beendet habe – eine Aufgabe, die eigentlich die Uno lösen müsste. Trump: «Die Vereinten Nationen haben ein enormes Potenzial, aber sie schöpfen dieses Potenzial bei weitem nicht aus.»
Weg mit dem Vetorecht
Der finnische Präsident Alexander Stubb (57) sprach an der Versammlung offen aus, wo er das Hauptproblem sieht: beim Sicherheitsrat. Das Gremium besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern USA, Grossbritannien, Frankreich, Russland und China sowie den zehn alle zwei Jahre wechselnden Mitgliedern. Stubb plädiert dafür, den Sicherheitsrat mit zwei ständigen Sitzen für Asien, zwei für Afrika und einem für Lateinamerika zu erweitern.
Auch fordert Stubb, das Vetorecht im Sicherheitsrat abzuschaffen, weil es ständig zu Blockaden führe: Wenn Vorschläge der USA zum Frieden für Gaza kommen, greifen Russland und China ein, wenn die andere Seite mit Vorschlägen kommt, bremsen die USA. Im vergangenen Jahr wurde rund jede fünfte Resolution blockiert.
Stubb: «Kein einziger Staat sollte ein Vetorecht haben. Und wenn ein Mitglied des Sicherheitsrats gegen die Uno-Charta verstösst, sollte ihm das Stimmrecht entzogen werden.» Diese Reform könnte aber daran scheitern, dass die Vetomächte ihr Vetorecht nicht aus der Hand geben oder mit weiteren Staaten teilen wollen.
Zu verzettelt
Klemens H. Fischer, Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität Köln sowie 30 Jahre als Diplomat tätig, nennt andere Schwachstellen: «Es sind die nahezu unzähligen Teilorganisationen, die teilweise nicht einmal mehr untereinander koordiniert werden können.»
Reformpotenzial ortet er auch beim Personal und der Postenbesetzung. Hier betrachtet er den strikten Staatenproporz nicht mehr als zeitgemäss. Zudem könnte mit mehrjährigen Entsendungen von Fachpersonal mehr Wissen eingebracht werden, meint Fischer.
Thomas G. Weiss von der City University of New York ist einer der besten Uno-Kenner und Autor des Buchs «Wäre die Welt besser ohne Uno?». Den Umgang Washingtons mit der Organisation bezeichnet er gegenüber Blick als «neuen Tiefpunkt». Er betont, dass viele Probleme nicht Fehler der Uno seien, sondern der Mitgliedstaaten, die nur ihre eigenen Interessen verfolgten. Weiss: «Die Uno ist weniger eine Weltregierung, sondern ein Forum, das so effektiv ist, wie es die Mitgliedstaaten zulassen.»
Auch wenn die Uno zurzeit wenig spektakulär arbeitet, ist sie als Plattform für alle Staaten nicht mehr wegzudenken. Sie ist der letzte Ort, der als neutral gilt und der Trump ebenso Redezeit einräumt wie Lawrow, Netanyahu oder Abbas. Klemens H. Fischer: «Er ist ein Raum, der alle diplomatischen Kanäle offen hält, wenn alle Brücken abgebrochen sind.»