Mehr als eine Woche, nachdem Joe Biden als US-Präsident ausgerufen wurde, hat auch Donald Trump die Niederlage akzeptiert. «Er hat die Wahl gewonnen», twitterte Trump. Der noch US-Präsident fügte aber an, dass «die Wahl manipuliert war». Es seien keine Beobachter zugelassen gewesen (eine Lüge) und verantwortlich für die Zählungen sei eine «radikal linke Firma gewesen» – Dominion – die «einen schlechten Ruf geniesst» und «schlechte Ausrüstung» benutzt hätte.
Kurz nach dem Tweet legte Trump eine 180-Grad-Kehre an den Tag, sagte «Er hat nur in den Augen der Fake-Medien gewonnen. Ich gebe gar nichts zu. Wir haben einen langen Weg zu gehen. Das war eine manipulierte Wahl.»
Schon früher am Wochenende twitterte Trump, die bei der Wahl verwendete Software sei anfällig für Hacker-Angriffe gewesen. Sie habe Stimmen, die für ihn bestimmt gewesen seien, Biden zugeschlagen.
Obwohl Trump nun die Niederlage eingestand (wenn auch nur kurz), blockiert er dem Biden-Lager weiterhin den Zugang zur Regierungsinfrastruktur. Trumps Anwälte reichten Klagen in mehreren Bundesstaaten ein, können jedoch keine überzeugenden Belege für die angeprangerte Wahlfälschung präsentieren. Allein am Freitag scheiterten diverse Klagen in Pennsylvania, Michigan und Arizona. Trump übertrug seinem Vertrauten Rudy Giuliani das juristische Kommando.
Eine Million oder 10'000 Demonstranten?
Trump spielte am Samstag Golf in seinem Club in der Nähe von Washington. Auf dem Weg dorthin winkte er kurz aus dem Auto Anhängern zu, die sich im Zentrum der Hauptstadt zu einer Demonstration zu seiner Unterstützung versammelt hatten. Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany sprach bei Twitter von einer Million Teilnehmern. Einschätzungen von Beobachtern und Medien reichten dagegen nur bis gut 10 000. Trump selbst verkündete, es seien Hunderttausende gewesen. Seine Regierung hatte bereits ihre Amtszeit mit der Übertreibung der Teilnehmerzahl bei der Amtseinführung 2017 begonnen.
Vor einer Woche, als Bidens Sieg verkündet wurde, hatten deutlich mehr Menschen in den Strassen von Washington gefeiert. Anders als damals trugen viele Teilnehmer der Trump-Demonstration keine Masken. Anschliessend kam es vereinzelt zu Schlägereien zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten. Eine Person wurde durch Messerstiche verletzt, wie der TV-Sender Fox berichtete. Auch zwei Polizisten seien verletzt worden. Es habe 20 Festnahmen gegeben.
Erste Zweifel am Freitag
Der Demokrat Biden hat die Präsidentenwahl nach Berechnungen von US-Medien klar gewonnen. Er kommt demnach auf 306 Stimmen von Wahlleuten, 270 sind für den Sieg nötig. Bei seinem Sieg 2016 konnte Trump ebenfalls genau 306 Wahlleute auf seine Seite ziehen und dann von einem «Erdrutsch»-Sieg gesprochen. In den USA wird der Präsident nicht direkt gewählt, sondern von den Wahlleuten, die dem Wahlergebnis in ihren Bundesstaaten folgen.
Trump hatte am Freitagabend erstmals öffentlich Zweifel erkennen lassen, dass er im Weissen Haus bleiben könne. «Diese Regierung wird keinen Lockdown machen», sagte er bei einem Auftritt im Rosengarten des Weissen Hauses, bei dem es um Corona-Impfstoffe ging. «Was immer in der Zukunft passiert, wer weiss, welche Regierung es sein wird, ich denke, das wird sich zeigen. Aber ich kann Ihnen versichern, diese Regierung wird keinen Lockdown machen.» (vof/SDA)