Russland-Experte: «Ukraine soll lächerlich gemacht werden»
Puppen, Panik, Putin-Propaganda – Medwedews schräge Show gegen den Westen

Mitten im Muppet-Theater spricht Dmitri Medwedew plötzlich vom Atomschlag – gegen Schweden, Finnland und den Westen. Doch wer führt in diesem absurden Puppenspiel hier eigentlich Regie? Experte Ulrich Schmid ordnet ein.
Publiziert: 30.04.2025 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2025 um 16:12 Uhr
Was möchte Dmitri Medwedew der Welt mit diesem Bild erzählen?
Foto: IMAGO/SNA

Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Ein bisschen Puppentheater, ein bisschen Weltuntergang: Dmitri Medwedew (59), rechte Hand von Kremlchef Wladimir Putin (72) und Vizechef des russischen Sicherheitsrats, hat sich in Moskau eine Bühne gesucht, die sogar für Kremlverhältnisse schräg ist. Während einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung in Moskau, die den Titel «Unsere gefährliche Welt: Wer trägt die Schuld und was ist zu tun?» trug, verglich er US-Präsident Donald Trump und Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski mit Stoffpuppen der Kinderserie «The Muppets». Russisches Propaganda-Theater vom Feinsten. Doch was steckt dahinter?

Nukleare Drohungen ausgesprochen

Eigentlich erklärte der Putin-Vertraute, dass Schweden und Finnland – beide seit 2023 Anwärterstaaten der Nato – nun «legitime Ziele» russischer Vergeltungsmassnahmen seien. Wörtlich sagte er, sie hätten sich durch den Beitritt in das «Fadenkreuz» russischer Waffen begeben. Besonders brisant: Er sprach explizit vom möglichen Einsatz nuklearer Waffen. Damit solle, so Medwedew, «das Gleichgewicht in Europa wiederhergestellt» werden.

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Ein bisschen Puppentheater, ein bisschen Weltuntergang: Dmitri Medwedew, Putins rechte Hand, inszeniert sich im TV.
Foto: IMAGO/SNA

Laut Russland-Experte Ulrich Schmid von der Uni St. Gallen ist diese absurde Szenerie keine Zufallsregie. «Mit dieser Darstellung suggerieren die russischen Showmaster, dass die bilateralen Unterhaltungen zwischen Trump und Selenski – wie kürzlich im Vatikan – nur ein Theater aus der US-Unterhaltungsindustrie seien und nicht ernst genommen werden können.»

Medwedew will den Westen zur Lachnummer machen

Während Medwedew nukleare Strafen für Schweden und Finnland in den Raum stellt, flimmern hinter ihm weitere Karikaturen über die Leinwand: Selenski als Napoleon, der Kiewer Bürgermeister Klitschko als boxende Witzfigur, der ukrainische Armeechef in clownesker Pose. Ziel des Ganzen: lächerlich machen und dadurch demütigen. 

«Es geht hier darum, die ukrainische Führung lächerlich zu machen und zu zeigen, dass sich die wahre Macht und Kultur in Russland befindet», erklärt Schmid. Und er ordnet die schräge Show historisch ein: «Die Vermischung von Propaganda und Massenunterhaltung ist ein altes Rezept, das schon in den 2000er-Jahren von Putins Chefideologe Wladislaw Surkow eingesetzt wurde. Er rekrutierte Rockbands, organisierte Bikershows und förderte patriotische Blockbuster im Kino.»

«In der Alten Welt gibt es niemand mehr, mit dem man reden kann»
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Dmitri Medwedew teilt aus:«In der Alten Welt gibt es niemand mehr, mit dem man reden kann»

Good Cop, Bad Cop

Doch kaum ging Medwedews Show viral, versuchte die russische Nachrichtenagentur Tass das Gesagte herunterzuspielen. «Die Rede davon, dass Russland Europa angreifen wolle, ist absoluter Unsinn und unlogisch», wird der Puppenspieler zitiert. Sein Chef Putin bezeichnete dies als einen Versuch der europäischen Staats- und Regierungschefs, «Angst in die Herzen ihrer Völker zu säen», um sie in ständiger Nervosität zu halten. Was?

Experte Schmid erläutert: «Medwedews Funktion besteht darin, in lauten Tönen absurde Maximalpositionen zu vertreten. Seine Aufgabe ist es, laut zu sein und dadurch Putin als gemässigt erscheinen zu lassen», erklärt Schmid. «Das schnelle Dementi durch Tass gehört zu dieser Strategie.» Ein eingespieltes Duo: Medwedew poltert – und Putin kann sich daneben staatsmännisch geben.

Russland muss den Krieg schönfärben

Aber warum kommt das Theater gerade jetzt? Die Antwort ist simpel: Der Kreml braucht dringend eine Geschichte, die die eigene Rolle im Krieg schönfärbt. «Das aktuelle Problem des Kremls besteht darin, die westlichen Forderungen nach einer sofortigen und bedingungslosen Waffenruhe so abzuwenden, dass keine Schuld für die Fortführung des Kriegs auf Russland fällt», sagt Schmid.

Medwedew bedient diese Logik perfekt – mit schrägen Mitteln, aber klarer Absicht: «Vor allem das eigene Publikum muss auf die Richtigkeit des aktuellen Kriegskurses und auf einen bevorstehenden Sieg eingeschworen werden», so Schmid. «Medwedew betreibt kulturelle Aufrüstung.»

Medwedews Marionetten-Moment zeigt, wie mühelos der Kreml nukleare Bedrohung, Slapstick und Meme-Kultur verquirlt. Wer lacht, verharmlost womöglich die Bombe. Wer sich empört, wirkt humorlos. Genau diese Grauzone ist Russlands neues Kampffeld. Und so bleibt Europa wieder mal zwischen Schmunzeln und Schaudern zurück – während in Moskau die Puppenspieler schon den nächsten Akt planen.

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