Russen in der Schweiz – das sagen sie nach über drei Jahren Ukraine-Krieg
«Putin sorgt dafür, dass es den Russen gut geht»

Zwischen Lob und Verachtung: Die Russen in der Schweiz denken über Wladimir Putin ganz unterschiedlich. Blick hat mit fünf Personen aus beiden Lagern darüber gesprochen, wie sich ihr Leben seit Ausbruch des Kriegs verändert hat.
Publiziert: 17.04.2025 um 00:01 Uhr
|
Aktualisiert: 17.04.2025 um 09:05 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_242.JPG
Guido FelderAusland-Redaktor

Seit über drei Jahren tobt der grausame Krieg in der Ukraine. Ein Ende ist nicht in Sicht, auch wenn US-Präsident Donald Trump (78) im Wahlkampf versprochen hatte, die Waffen innerhalb kurzer Zeit zum Schweigen bringen zu können. Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin (72) hat die Angriffe – auch auf zivile Ziele – sogar verstärkt.

Der Krieg in der Ukraine prägt auch die Russinnen und Russen in der Schweiz. Es gibt solche, die Putins Vorgehen verteidigen – obwohl sie im freien Westen leben: «Putin sorgt dafür, dass es den Russen gut geht.» Manche Putin-Anhänger haben einen hohen sozialen Preis für ihre Haltung bezahlt und Freunde verloren. Und es gibt andere, die an vorderster Front gegen die aggressive Kreml-Politik kämpfen und Putin im Knast sehen wollen. Gegenüber Blick erzählen Schweiz-Russen, wie sie über den Krieg denken und wie dieser ihr Leben in der Schweiz beeinflusst hat.

1/12
Polina Sommer kämpft mit ihrem Verein Art of Peace gegen das Putin-Regime.
Foto: Zvg

Polina Sommer (41): Gespaltene Opposition

Polina Sommer kämpft mit ihrem Verein Art of Peace gegen das Putin-Regime.

Die in Zürich lebende Designerin, die in der Schweiz die Opposition gegen den Kreml prägt, ist ernüchtert. Nicht wegen Trump, von dem sie nichts anderes als Unaufrichtigkeit und Lügen erwartet habe, sondern von der Opposition. «Zu Beginn des Kriegs war ich davon ausgegangen, dass wir entschlossen kämpfen würden.»

Doch die Opposition ist gespalten: Die einen wollen nur Putin loswerden, andere – wie sie – sehen das ganze Regime als Problem und stehen klar zur Ukraine. Sommer, die seit 1994 in der Schweiz lebt, hat sich nach inhaltlichen Differenzen aus einer russischen Organisation zurückgezogen und den Verein Art of Peace gegründet.

Für sie ist klar: Der Entscheid über ein Ende der Gewalt liegt allein bei Putin. Das heisse aber nicht, dass alles andere zwecklos sei. «Im Gegenteil», sagt Sommer, «jeder Tag ukrainischen Widerstands ist ein Tag, an dem das Regime in Moskau weiter unter Druck gerät.»

Marina Okhrimovskaya (62): Deutsch lernen

Nach Kriegsausbruch hat Marina Okhrimovskaya ihren Themen-Fokus auf www.forall.swiss geändert.

Die Journalistin und Mitbegründerin des Internetjournals www.forall.swiss fokussierte sich vor allem auf Themen wie Bildung, Kultur und die Integration von Migranten in der Schweiz. Seit dem 24. Februar 2022 ist das anders. «Nun berichte ich vor allem über die Kriegsverbrechen, die Russland begeht», sagt sie. Sie hofft auf die Hilfe von Donald Trump. «Denn wenn der zulässt, dass Putin nicht vor die internationale Justiz gestellt wird, werden der und seine Nachfolger weiterhin Aggressionen gegen die EU und die ehemaligen Sowjetstaaten ausüben.»

Marina Okhrimovskaya hat ein Drittel ihres Lebens in der Ukraine, ein Drittel in Russland und das letzte Drittel in andern Ländern verbracht. Sie spricht Ukrainisch, Russisch und Französisch. Jetzt lernt sie Deutsch. Denn sie ist überzeugt: «Die Kenntnis von mehreren Sprachen und Kulturen bereichert die Menschen.»

Rustam Niyazov (29): Schöne Erzählungen

Rustam Niyazov kam als neunjähriger Bub in die Schweiz.

Der Business Analyst aus Lausanne VD hat eine bewegte Geschichte. Seine Mutter Aysoltan Niyazova (52) flüchtete mit ihm vor dem Putin-Regime in die Schweiz, als er neun Jahre alt war. Als ihre Identität nach sechs Jahren aufflog, lieferte die Schweiz die Aktivistin aus – in der Meinung, Moskau suche sie wegen Veruntreuung von Geldern. Sechs Jahre lang sass sie im Gefängnis, wo sie ein Mitglied von Pussy Riot kennenlernte. Später schloss sie sich der Bewegung als Managerin an, um gegen Putin zu kämpfen.

Nach Trumps Äusserungen zur Ukraine befürchtet Niyazov, dass Russland mehr Unterstützung bekommt. «Zwei grössenwahnsinnige Machthaber könnten versuchen, sich gegenseitig zu helfen, um ihre Autorität aufrechtzuerhalten», meint er. Er versuche alles, um mit schönen Geschichten sein Land in einem guten Licht darzustellen. Niyazov: «Die Leute hier können gut zwischen meiner Heimat und dem aktuellen Regime unterscheiden.»

Anna K.* (50): Freundinnen verloren

Anna K. hat ukrainische Freundinnen verloren.

Die Hobbyschauspielerin aus dem Kanton Solothurn, die aus Angst vor möglichen Schwierigkeiten anonym bleiben möchte, sieht ihre Heimat im Aufwind. «Putin sorgt dafür, dass es den Russen gut geht. Es geht ihnen heute sogar besser als vor 2022», meint sie. Ihre Mutter, ihre Neffen – alle würden grosszügig von der Regierung unterstützt. «Ich bedauere es, dass dies hier in der Schweiz nicht zur Kenntnis genommen wird.»

Seit dem Krieg, dessen Ursache auf ukrainischer Seite zu suchen sei, habe sich ihr Freundeskreis verkleinert. «Es gibt Ukrainerinnen, die sich von mir abgewendet haben.» Mit jenen, die ihre Freundinnen geblieben sind, spreche sie nicht über Politik. Den Krieg beenden? Das gehe nur mit diplomatischen Gesprächen. Dass Russland die eroberten Gebiete zurückgebe, komme nicht infrage. Anna K. sagt: «Auch Russland braucht Sicherheit.»

Tatiana S.* (54): Krieg verschweigen

Tatiana S. unterstützt das Vorgehen von Wladimir Putin.

Die im Aargau lebende Russin, die im Finanz- und Dienstleistungssektor tätig ist und ebenfalls anonym bleiben will, hält grosse Stücke auf Putin. «Er ist ein Präsident, der konsequent seine Ziele verfolgt und den unterdrückten Landsleuten im Donbass zu Hilfe kam.» Es gehe ihm nur darum, die «ukrainischen Nazis» zur Verantwortung zu ziehen. Schon 1990, als sie in der westukrainischen Stadt Lwiw zu Besuch war, sei sie als Russin beleidigt oder in Geschäften nicht bedient worden.

Sie ist davon überzeugt, dass Putin die Ukraine problemlos in drei Tagen einnehmen könnte, wenn es ihm nur um Landgewinn ginge. «Für ihn sind jedoch die Menschen wichtiger als die Gebiete», sagt Tatiana S. Trump hält sie für vernünftiger als seine Vorgänger. «Trump orientiert sich an objektiven Fakten und zeigt keine Neigung zur Kriegsführung.»

Tatiana S. pflegt nicht nur eine enge Freundschaft zu Ukrainern, sondern arbeitet auch mit ihnen zusammen, wobei das Thema Krieg bewusst ausgeklammert werde. Ihren russischen Hintergrund bekomme vor allem die 33-jährige Tochter zu spüren: «Alle ihre ukrainischen Freundinnen haben sie verlassen.»

* Namen bekannt

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen