Notmassnahmen zur Verhinderung von Kernschmelze im Krisen-Kernkraftwerk Saporischschja
Dieselgeneratoren kühlen jetzt Europas grösstes AKW

Das KKW Saporischschja mitten im Kriegsgebiet hat auf Notstrom von Dieselgeneratoren umstellen müssen. Dies, weil die für die Kühlung erforderliche Stromversorgung wegen Beschuss unterbrochen wurde. Offenbar ist der Treibstoff knapp. Es wird vor Kernschmelze gewarnt.
Publiziert: 09.10.2022 um 02:37 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2022 um 04:48 Uhr

Im AKW Saporischschja, dem grössten Kernkraftwerk Europas, laufen seit dem frühen Samstag Notstromgeneratoren, um eine Kernschmelze der Brennstäbe zu verhindern. Das hat der staatliche ukrainische KKW-Betreiber Energoatom mitgeteilt. Ukrainisches Personal betreibt die Anlagen in von Russland besetztem Gebiet.

Auch wenn die sechs Reaktoren abgeschaltet sind, benötigen sie eine ständige Stromversorgung, um den Kernbrennstoff im Inneren kühl zu halten und eine Katastrophe zu verhindern. Dieser Notstrom wird jetzt mittels Dieselgeneratoren produziert. Doch offenbar droht der Diesel auszugehen.

Energoatom-Chef Petro Kotin sagte der BBC, dass die Dieselgeneratoren nur über einen begrenzten Vorrat an Treibstoff verfügen. «Wenn den Generatoren der Treibstoff ausgeht, schalten sie sich ab, und dann kommt es zu einer Katastrophe», so Kotin. «Der aktive Kern schmilzt und Radioaktivität wird freigesetzt. Im Moment arbeiten wir an der Logistik, um mehr Treibstoff für diese Generatoren zu liefern.»

Notstrom von Dieselgeneratoren kühlt derzeit die Brennstäbe im AKW Saporischschja. Die Betreiber versuchen eine Katastrophe abzuwenden. Ohne Kühlung erfolgen Kernschmelzen.
Foto: AFP

«In höchstem Masse unverantwortlich»

Die Uno-Atombehörde IAEA hat zwei Beobachter im AKW und bestätigte, dass die Anlage auf Dieselgeneratoren umgeschaltet habe. Dies, nachdem ein Beschuss am Samstag gegen 1 Uhr in der Früh die 750-Kilovolt-Hauptleitung gekappt habe, die Saporischschja mit externer Energie versorgt.

«Die Wiederaufnahme des Beschusses, der die einzige externe Stromquelle des Kraftwerks trifft, ist in höchstem Masse unverantwortlich», sagte der IAEA-Vorsitzende Rafael Grossi (61) in einer Erklärung. Derzeit verhandelt Energoatom mit den russischen Behörden über die Brennstoffversorgung des Kraftwerks.

Grossi war bereits am Donnerstag in Kiew, um über die Einrichtung einer Sperrzone zu verhandeln. Sein Hauptziel sei es, «einen nuklearen Unfall in der Anlage zu vermeiden», den er durchaus für möglich halte, betonte Grossi. Der russische Präsident Wladimir Putin (69) hatte diese Woche seinerseits angeordnet, dass Russland auch die operative Kontrolle des Saporischschja-AKW übernehmen solle.

Fukushima-Parallelen

Der Ausfall der Kühlung hatte 2011 zur Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima geführt. Erst erfolgte ein Erdbeben, dann zerstörte ein Tsunami die von Diesel betriebenen Notstromgeneratoren. Kernschmelzen führten zu einer grossflächigen nuklearen Verseuchung und Entvölkerung.

Die Dekontaminierung des Gebiets wird noch Jahrzehnte beanspruchen und laut Kraftwerkbetreiber Tepco einen dreistelligen Milliardenbetrag verschlingen.

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