Im November 2016 stirbt der in Bern geborene Student und Politikaktivist Astrit Dehari (†26) in einem Gefängnis im kosovarischen Prizren. Laut den Behörden nahm er sich das Leben – seine Familie bezweifelte das jedoch. Die Partei Vetëvendosje ist sogar davon überzeugt, dass ihr Aktivist einem politischen Mord zum Opfer gefallen ist.
Aufgrund des öffentlichen Drucks beauftragte die Justiz im Kosovo das Universitätszentrum für Rechtsmedizin der Romandie in Lausanne mit einem Gutachten. Das Resultat ist am Donnerstag veröffentlicht worden. Es bringt die kosovarischen Behörden in Bedrängnis – und sorgt im Balkanland für Aufruhr. Die Lausanner Forensiker halten einen Selbstmord nämlich für unwahrscheinlich – sogar die Beteiligung eines Dritten müsse in Betracht gezogen werden. Das forensische Institut aus Lausanne fordert deswegen eine neue Untersuchung, um den mysteriösen Todesfall zu klären.
Einziger Zeuge ist tot
Nebst den Mordvorwürfen beschuldigt die Partei Vetëvendosje den zuständigen Staatsanwalt und die damalige Justizministerin, die Ermittlungen behindert zu haben. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, verstrickten sich die Behörden nach Deharis Tod zudem in Widersprüche. Zuerst hiess es, er habe in seiner Zelle eine Überdosis Tabletten zu sich genommen, sei daraufhin gestorben. Danach wurde mitgeteilt, er sei auf dem Weg ins Spital verstorben. Später erklärten die Polizisten, der Tod sei erst im Spital eingetreten. Ein Zeuge, mit dem Dehari seine Zelle geteilt hatte, starb nur wenige Monate später in einem anderen Gefängnis.
Dehari wurde Ende August 2016 zusammen mit fünf weiteren Anhängern der linken und damals sehr militanten Partei Vetëvendosje verhaftet. Ihnen wurde eine Beteiligung an einem Angriff auf das Parlament Kosovos vorgeworfen – trotz dünner Beweislage. Bei diesem Vorfall war die Aussenfassade des Gebäudes beschädigt worden. Tote oder Verletzte gab es nicht. Die Aktivisten wurden des Terrorismus verdächtigt. Die Justiz hat das Verfahren bisher noch nicht abgeschlossen.
Bruder stirbt ebenfalls mysteriösen Tod
Dehari kam 1990 in Bern zur Welt, wo seine Eltern als politische Flüchtlinge lebten. Ihre drei Kinder wurden in der Schweiz eingeschult. Nach dem Krieg kehrte die Familie in den Kosovo zurück. In Pristina studierte Dehari schliesslich Medizin.
Er gehörte zur Anti-Establishment-Bewegung Vetëvendosje. Und war zudem ein flammender Unterstützer von Albin Kurti, der grosse Chancen hatte, der nächste Regierungschef im Kosovo zu werden. Auch Astrit Deharis älterer Bruder Arbënor war politisch in der selben Partei aktiv. Wie sein Bruder, starb auch er unter mysteriösen Umständen – angeblich nach einem Sturz vom Balkon seiner Wohnung in Pristina im Jahr 2014. (bra)