Darum gehts
Zu Fanfarenklängen betritt US-Präsident Donald Trump (79) kurz nach sechs Uhr abends die Bühne, neben ihm First Lady Melania Trump (55) im eleganten weissen Kleid. Leichter Regen fällt nach einem schwülen Tag auf Washington, D.C.
Böller setzen eine pompöse Militärparade in Bewegung. Amerika feiert sich und seinen Präsidenten.
Zehntausende von Menschen sind angereist, um zwei Geburtstage zu begehen: den 250. der US-Armee und den 79. von Trump. Sie haben sich entlang der Constitution Avenue aufgereiht, um Soldaten und Kriegsgerät zuzujubeln.
Wer keinen Platz findet, verfolgt die Parade auf einem der grossen Bildschirme. Menschen sitzen im Gras. Soldaten verteilen Wasser und Energy-Drinks. Die Stimmung ist ausgelassen. Familien sind mit Kindern gekommen, alte Ehepaare sind da, College-Studenten in Cargohosen. Als wäre es Woodstock in Tarnfarben.
Einer, der nicht nur feiert, sondern über die Army spricht, ist Christopher Bennett (39). Seit bald zwanzig Jahren dient er darin. «Es gibt nur einen 250. Geburtstag», sagt er. «Ihn mit der Öffentlichkeit zu teilen, ist etwas Besonderes.»
Einem Jungen erklärt Bennett, wie man Soldat wird. Hinter ihm stehen Apache-Helikopter, Nachtsichtgeräte, ein Artilleriepanzer. Ein Soldat stellt einen Roboter vor, der statt ihm in Kriege ziehen soll.
Die Army als unpolitischer Raum
Die Armee sei nicht politisch, betont der First Sergeant. «In Uniform sprechen wir nicht über Politik», sagt er. «Jeder hat eine Meinung. Aber wir dienen zusammen, wichtiger als alles andere ist die Kameradschaft.»
Und doch tragen in Washington viele «Make America Great Again»-Hüte. Einer hält eine «Trump 2028»-Flagge in die Höhe. Aber nicht alle unterstützen den Präsidenten. Jeanette Mangos (46) aus Pennsylvania trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift «Patriot» und stellt sich als «J6er» vor. Als eine der Tausenden, die am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmten und danach verhaftet wurden.
Sieben Monate sass sie im Gefängnis. Jetzt will sie Geld zurück für entgangene Lohnzahlungen. «Ich bin keine Kriminelle, ich wurde inhaftiert, weil ich die Wahrheit gesagt habe.» Von Trump fühlt sie sich im Stich gelassen: «Er tut nicht genug für uns, deshalb bin ich ja hier.»
Hinter dem Zaun des Weissen Hauses verkaufen Souvenirhändler Shirts mit dem Aufdruck «250 Years Strong», daneben demonstriert eine Handvoll Männer gegen Trump. «Wir machen in diesem Land keine Militärparaden vor den Hallen der Macht», sagt Ernie Pasanen, ein 70-jähriger Rentner aus dem Bundesstaat New York. «Das ist, was Diktatoren tun, nicht Präsidenten freier Völker.»
Einwanderin, Anwältin, Trump-Fan
Anders sieht es Mayra Joli (59), die sich ihr Kleid aus dem Sternenbanner geschneidert hat. Sie arbeitet in Florida als Einwanderungsanwältin. Zur Welt kam sie in der Dominikanischen Republik. Jetzt hilft sie anderen dabei, legal in die USA einzuwandern. «Ich habe alles richtig gemacht. Es ist nicht fair, wenn jene Leute bevorzugt werden, die illegal reinkommen.»
Sie widerspricht der Kritik an der Parade. «Wir feiern einen Monat lang Pride. Warum nicht einen Tag die Armee? Soldaten sind bereit, für unser Land zu sterben, sie verdienen es, dass wir sie feiern.»
Sie hat Trump gewählt. «Und er hat mich bisher nicht enttäuscht», sagt sie. «Ich wollte einen starken Mann im Weissen Haus, genau das habe ich bekommen.»
Richard Brentson trägt einen grauen Bart. Zusammen mit seinem Sohn ist er aus Texas nach Washington gereist. Beide sind Veteranen. Der Vater diente über 20 Jahre lang, «so ziemlich überall», wie er sagt: Deutschland, Hawaii, Dschibuti, Afrika, Irak, Afghanistan, Bosnien. «Heute feiert die Armee einen Meilenstein: 250 Jahre. Wow», sagt er. «Ein kleiner Teil davon zu sein, schien mir eine Reise wert zu sein.»
Die Parade sei kein Personenkult, sagt Brentson: «Zufälligerweise fällt der Geburtstag von Präsident Trump auf den Geburtstag der Armee. Das war ja nicht seine Entscheidung. Er wurde 170 Jahre später geboren.»
«Ohne die Army wären wir heute nicht hier»
Als Junge kam Star Fury (51) aus Trinidad & Tobago in die USA. «Die Armee hat mich grossgezogen», sagt Fury, der in Korea und im Irak diente. «Alles, was ich heute weiss, verdanke ich der U.S. Army. Ich habe meinen Führerschein in der Armee gemacht. Ich habe meine erste Frau in der Armee kennengelernt. Ich bin in der Armee US-Bürger geworden.»
Er betont, wie die USA 1776 ihre Unabhängigkeit erlangten. «Die U.S. Army wurde 1775 gegründet. Sie hat uns befreit. Ohne sie wären wir heute nicht hier.»
Über 30 Jahre diente Mike Simmons als Pilot in der Army. Heute arbeitet er bei Bell Helicopter und verkauft Kriegsgerät. In Washington stellt er das futuristische MV-75 Flugzeug vor, das 2028 die legendären Black-Hawk-Helikopter ersetzen soll. «Sicher, unsere Hardware ist grossartig, die Missionen sind grossartig, aber letztlich geht es in der Armee um die Menschen.»
Auf der Bühne bewundert Trump Fallschirmspringer, die vom Himmel in der Hauptstadt landen, historische Uniformen, Kanonen und 80 Jahre alte Bomber. Und zuletzt ein Feuerwerk.
Trump ist der Star am Fernsehen. Aber für die Tausenden, die nach Washington gereist waren, wirkt er auf der Tribüne entrückt. Sie fühlen sich den Soldaten näher.