Merz nimmt Hürde erst im zweiten Anlauf
Deutschland blamiert sich – im allerdümmsten Moment

Friedrich Merz startet blamabel in sein Kanzleramt: Der 69-jährige Kanzlerkandidat scheiterte am Dienstagmorgen im ersten Wahlgang. Das hats in der deutschen Geschichte noch nie gegeben. Für ihn ist das oberpeinlich, für Europa brandgefährlich. Eine Einordnung.
Publiziert: 12:43 Uhr
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Aktualisiert: vor 36 Minuten
Friedrich Merz hat die Wahl zum Bundeskanzler (noch) nicht geschafft.
Foto: AFP

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Alle waren sie da: Ehefrau Charlotte, die Töchter Constanze und Carola, Freunde und Weggefährten, um den grossen Moment des Friedrich Merz (69) mitzuerleben. Sogar Ex-Kanzlerin Angela Merkel (70), die ihrem CDU-Parteikollegen jahrelang im Licht stand und ihn zuletzt wegen seiner radikalen Migrationsideen scharf kritisierte, sass artig auf der Ehrentribüne, um der Wahl des 10. Deutschen Bundeskanzlers live beizuwohnen.

Doch daraus wurde am Dienstagmorgen nix. Merz ist im ersten Wahlgang kurz nach 10 Uhr morgens spektakulär gescheitert. Das gabs in der deutschen Geschichte noch nie. Deutschland beging im allerdümmsten Moment politische Selbstkastration. Erst im zweiten Wahlgang hat sich Merz über die Kanzler-Linie gerettet – und das nur äusserst knapp. Für ihn persönlich ist das peinlich, für Deutschland ärgerlich, für uns in Europa schlichtweg gefährlich!

Eigentlich hätte es für Merz locker reichen müssen. Seine Koalition aus SPD und CDU/CSU besetzt 328 der 630 Parlamentssitze. Trotzdem verpasste Merz das absolute Mehr um 6 Stimmen. Man rechne: 18 Verbündete müssen bei der geheimen Wahl den politischen Dolch in den langen Rücken des konservativen Hünen gestossen haben. Im Zweiten Wahlgang lenkten 15 der 18 Abweichler ein. Merz wurde um 16:17 Uhr mit 325 Stimmen zum Bundeskanzler gewählt und nahm die Wahl noch in derselben Minute an.

So reagiert Merz auf das Wahlergebnis
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Verpasste Bundeskanzlerwahl:So reagiert Merz auf das erste Wahlergebnis

So unbeliebt ist Merz

Das Debakel im ersten Durchgang wirft unangenehme Fragen auf: Waren es enttäuschte CDUler, die ihm all die links-liberalen Geschenke an die sozialdemokratische Koalitionspartnerin (Lockerung der Migrationspolitik, Milliarden für grüne Projekte, Aufhebung der Schuldenbremse) übelnahmen? Waren es enttäuschte Weggefährten, die trotz Ministerposten-Hoffnungen leer ausgingen?

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Im ersten Wahlgang ist der CDU-Kanzlerkandidat spektakulär gescheitert.
Foto: keystone-sda.ch

Oder waren es SPD-Abgeordnete, die diesen Friedrich mit seiner Vergangenheit beim Vermögensgiganten Blackrock und seiner zuweilen hochnäsigen Art einfach nicht riechen können? Im Politiker-Beliebtheitsranking der «Bild» ist Merz zuletzt auf den katastrophalen 13. Rang abgesackt. Nur noch rund ein Drittel der Deutschen mögen ihn. Friedrich der Allerletzte, sozusagen.

Die Gründe für sein Scheitern im ersten Anlauf sind letztlich zweitrangig. Die Folgen umso dramatischer. Für Merz selbst ist die verdammt knappe Wahl nach seiner jahrzehntelangen politischen Karriere ein Schlag ins einst stolze Gesicht. Deutschland, das nach dem Scheitern der Ampel-Regierung monatelang keine handlungsfähige Regierung mehr hatte, stolpert ziemlich unsicher in die instabile Zukunft – mit üblen wirtschaftlichen Folgen, wie der Absturz der deutschen Börse zeigt.

In Europa brauchen wir starke Figuren, die mit Entschlossenheit und einem klaren Mandat gegen all jene Kräfte wirken, die uns im Osten angreifen und im Inneren mit ihrer Propaganda und ihrer Hetze zu spalten versuchen. Merz will diese Rolle spielen. Doch statt mit Rückenwind und gutem Segen startet er die reise durch den geopolitischen Sturm äusserst angeschlagen.

Nichts wirds mit seiner Frankreich-Reise

Am Mittwoch schon reist er nach Paris zu Präsident Emmanuel Macron (47) gereist und dann gleich weiter nach Polen zu Regierungschef Donald Tusk (68). Deutschlands neuer starker Mann im engen Austausch mit Partner Frankreich, Deutschland nah an der Seite mit dem verbündeten Polen. Das wären die Bilder gewesen, die Merz am Tag eins seiner Kanzlerschaft nach Moskau (und ja, auch nach Washington) hätte schicken wollen. Statt dieser Bilder dominieren nun selbstdemontierende Kommentare von Deutschland-Experten und das schallende Gelächter der Merz-Gegner die ersten Stunden der neuen Kanzlerschaft.

Wie lange der Sauerländer sich mit all den Judassen in seiner Koalition im Amt halten kann, ist eine ganz andere Frage. Krach ist praktisch vorprogrammiert. Das Deutsche Drama ist längst nicht vorbei. 

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