Darum gehts
- Merz und Klingbeil erwarteten erfolgreiche Regierungsbildung – es kam anders
- Merz scheitert bei erstem Wahlgang
- Zweiter Wahlgang ist noch offen
Wieder nix! Merz ist historisch gescheitert
Friedrich Merz (69) hätte am Dienstagmorgen zum 10. Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden sollen. Doch daraus wird vorerst nichts. Im ersten Wahlgang ist Merz gescheitert. 6 Stimmen fehlten ihm für das absolute Mehr.
In der Geschichte Deutschlands hat es das noch nie gegeben! «Für Merz ist das oberpeinlich, für Deutschland mühsam und für Europa gefährlich», sagt Blick-Auslandreporter Samuel Schumacher. «Das Resultat zeigt: Sogar in seiner eigenen Koalition gibt es noch Leute, die Merz nicht trauen. Das Resultat kommt einer politischen Selbstkastration Deutschlands gleich – und das in einer Zeit, in der wir alle dringend ein starkes, bestimmtes Deutschland brauchen.»
«Schaden extrem gross»
Wie weiter in Deutschland? Merz' Schlappe bereitet Experten Sorgen. «Der Schaden für die gesamte Bundesrepublik ist extrem gross», sagt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein (88) zu «Bild».
Vor Neuwahlen, wie sie AfD-Chefin Alice Weidel bereits gefordert hat, warnt er eindringlich: «Davon profitiert nur die AfD.»
«Wir sind vorbereitet»
Die CDU hat bisher zur Wahlschlappe geschwiegen, von Merz gab es noch kein Statement. Nun äussert sich CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzender Jens Spahn und stellt klar: «Wir wussten, dass diese Situation eintreten kann. Entsprechend sind wir vorbereitet.» Auch in einem zweiten Wahlgang würde man Merz als Kandidaten aufstellen.
Zweiter Wahlgang doch noch heute?
Was für ein Hin und Her. Laut n-tv bestätigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass aktuell ein zweiter Wahlgang für den heutigen Dienstag geprüft wird. Zuvor hatte es geheissen, dass es frühestens Mittwoch in die nächste Runde gehen würde.
Scholz bleibt Kanzler
Gestern wurde Olaf Scholz beim Zapfenstreich offiziell verabschiedet, heute scheiterte Merz beim ersten Wahlgang. Wer jetzt gerade regiert? Tatsächlich Olaf Scholz – so will es der Artikel 69 des Grundgesetzes., wie der «Spiegel» schreibt.
Scholz muss demnach «bis zur Ernennung seines Nachfolgers» die Geschäfte weiterführen. Dasselbe gilt für die Ministerinnen und Minister.
Merz verlässt nach Wahlschlappe den Saal
Er versucht, sein Pokerface zu wahren – trotzdem wirkt Friedrich Merz nach seiner Wahlschlappe etwas bedröppelt, als er den Saal verlässt. Im Video siehst du den Moment, in dem Merz von seiner Niederlage erfährt.
Aus welchem Lager fehlen die Stimmen?
Nach Merz' Wahlschlappe liegt die Frage auf der Hand: Wer hat gegen den designierten Kanzler gestimmt? Die SPD will es nicht gewesen sein. Die Fraktion gehe von voller Zustimmung der eigenen Abgeordneten aus. Es habe auch kein Abgeordneter gefehlt, erklärten Fraktionskreise der Deutschen Presse-Agentur.
Der SPD-Vorsitzende und designierten Vizekanzler Lars Klingbeil sagte, er habe nicht den geringsten Hinweis, «dass die SPD nicht vollständig gestanden hat. 85 Prozent beim Mitgliedervotum sind ein Auftrag an die Fraktion und sie erfüllt diesen. Auf uns ist Verlass.»
Nichtwahl wirft gesamte Planung über den Haufen
Direkt nach seiner Wahl hatte Merz eigentlich vor, am Mittwoch nach Paris und Warschau zu fliegen. Diese Antrittsbesuche stehen nach der gescheiterten Abstimmung nun auf der Kippe.
Jetzt wirds kompliziert
Im Bundestag gibt es derzeit Unklarheit über den weiteren Ablauf der Kanzlerwahl. Ein zweiter Wahlgang könnte frühestens am Mittwoch stattfinden, wenn die Fraktionen auf eine Fristverkürzung verzichten.
Ansonsten wäre der reguläre Termin am Freitag. Die Linke fordert einen schnellen Wahlgang am Mittwoch, da der Bundesparteitag am Freitag ansteht. Die Fraktionen beraten noch, wie sie weiter verfahren.
AfD: Merz habe «die Quittung bekommen»
Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) hat die gescheiterte Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Durchgang begrüsst. «Das zeigt, auf welch schwachem Fundament die kleine Koalition aus Union und von den Bürgern abgewählter SPD gebaut ist», schrieb Parteichefin Alice Weidel bei X.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, legt in einem Video auf der Plattform nach: «Das ist erstmal eine gute Sache, denn dieses Ausmass von Wahlbetrug, so Kanzler zu werden und dann einfach, dass das durchgeht, das darf nicht sein.»
Merz habe «die Quittung bekommen für seine ganzen Machenschaften im Vorfeld, für den ungeheuren Wahlbetrug, den es vorher überhaupt noch nie so gegeben hat.»
Die AfD war bei den Bundestagswahlen im Februar zweitstärkste Partei geworden – eine Koalition schloss Merz aber von Anfang an aus.
Zweiter Wahlgang nicht mehr heute
Wann der zweite Wahlgang stattfindet, ist nach wie vor unklar. Stimmen mehren sich aktuell, dass Merz heute nicht mehr zum zweiten Wahlgang antritt. Laut «Bild» hat das nun auch CDU-General Carsten Linnemann bestätigt.
Sowohl Merz als auch der SPD-Chef und designierte Vizekanzler Lars Klingbeil haben sich zuversichtlich gezeigt, dass nichts mehr schiefgehen kann. Ausnahmslos alle Abgeordneten seien am Dienstag an Bord, versprach Merz am Montag. Klingbeil sagte über seine Fraktion: «Ich rechne damit, dass wir vollständig sind und ich rechne damit, dass alle mit Ja stimmen.»
Sollte es im ersten Anlauf entgegen allen Erwartungen nicht klappen, wären weitere Wahlgänge möglich. Läuft alles wie geplant, werden Merz und seine 17 Bundesministerinnen und -minister bis zum Nachmittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nacheinander ernannt und im Bundestag vereidigt. Deutschland hat dann wieder eine Regierung, die eine Mehrheit im Bundestag hinter sich hat und voll handlungsfähig ist.
Erste Kabinettssitzung mit Streichliste für Beauftragte
Die erste Kabinettssitzung soll bereits am Abend stattfinden (18.00 Uhr). Zum Auftakt will Schwarz-Rot ein erstes Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen: die drastische Kürzung der Sonderbeauftragten, Beauftragten und Koordinatoren. Nach der Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen 25 dieser Posten gestrichen werden. Zuerst hatten «Politico» und die «Süddeutsche Zeitung» darüber berichtet. Auf der Streichliste stehen unter anderem die Beauftragten für die Meere, den Radverkehr, die feministische Aussenpolitik, die «Planung der Zeitenwende» und für die internationale Klimapolitik.
Dobrindt will sofort Grenzkontrollen verschärfen
Deutlich mehr Aufmerksamkeit wird bekommen, was der designierte Innenminister Alexander Dobrindt zur Eindämmung der irregulären Migration angekündigt hat. «Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert», hat der CSU-Politiker in der «Bild am Sonntag» angekündigt.
Am selben Tag absolviert Merz seine ersten Antrittsbesuche in den Nachbarländern Frankreich und Polen. Warschau ist alles andere als begeistert von den deutschen Plänen zur Kontrolle der Grenzen. Das dürfte Thema beim Treffen von Merz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk sein.
Beatles, Bach und «Respect» beim Zapfenstreich für Scholz
Die Amtsübergabe im Kanzleramt ist für Dienstagnachmittag geplant – unmittelbar nach der Vereidigung des Kabinetts. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz war dann 1245 Tage im Amt. Am Montagabend wurde er auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums von der Bundeswehr in Anwesenheit von Merz mit einem grossen Zapfenstreich verabschiedet. Das Stabsmusikkorps spielte zum Abschied Beatles, Bach und den Soul-Klassiker «Respect» für den 66-jährigen SPD-Politiker.
Auf der Tribüne sassen neben seiner Frau Britta Ernst viele Weggefährten seiner drei Regierungsjahre. Einer fehlte aber. Der frühere Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, den Scholz im erbittert geführten Ampel-Streit über den Haushalt entlassen hatte, blieb der Abschiedszeremonie fern. «Meine Abwesenheit hat keinen politischen Hintergrund. Heute Abend gehen väterliche Pflichten vor», schrieb er auf X zur Begründung.
Scholz: «Ausdruck demokratischer Normalität»
Den unmittelbar bevorstehenden Regierungswechsel nannte Scholz in seiner Rede einen «Ausdruck demokratischer Normalität». Es sei in diesen Zeiten «keineswegs normal, dass sich ein solcher Wechsel so zivilisiert, so kollegial und so anständig vollzieht, wie wir das in diesen Tagen hier in Deutschland erleben», sagte er. Scholz wird nun vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags wechseln und will dort als direkt gewählter Abgeordneter in seinem Wahlkreis Potsdam auch die ganze Legislaturperiode bleiben.