Merz bricht ein Tabu, um die Ukraine zu retten
Europa überschreitet rote Linie von Putin

Der deutsche Bundeskanzler Merz gibt eine wichtige Änderung beim Umgang mit Raketen und Marschflugkörpern in der Ukraine bekannt. Damit erhält das kriegsgebeutelte Land neue Möglichkeiten – gleichzeitig warnt ein Experte vor Eskalation.
Publiziert: 27.05.2025 um 17:21 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2025 um 19:30 Uhr
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Bundeskanzler Merz gibt eine gewichtige Änderung beim Umgang mit Raketen und Marschflugkörpern bekannt, die die Ukraine stärkt.
Foto: imago/foto2press
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Daniel JungRedaktor News

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47) erwartet diesen Sommer eine neue russische Offensive. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass Kremlchef Wladimir Putin (72) sich auf ein Ende des Krieges vorbereitete, sagte Selenski am Montagabend in seiner Videoansprache.

In den vergangenen Tagen hat das russische Militär zudem die stärksten Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn gegen ukrainische Städte und zivile Infrastruktur gestartet. Anzeichen für ein Abrücken von den Maximalforderungen sind auf russischer Seite nicht zu erkennen. Doch es gibt eine wichtige Entwicklung, die die Ukraine im Krieg stärken könnte – die aber auch erhebliche Eskalationsgefahr bringt. 

«Gefährliche Entscheidungen»

Am Montag erklärte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (69) in Berlin: «Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns, von den Amerikanern auch nicht.» Auf X ergänzte Merz zudem: «Die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie militärische Stellungen in Russland angreift.»

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«Die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie militärische Stellungen in Russland angreift», betonte Merz.
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Russland hat diese Aussagen bereits kritisiert. Dies seien «ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow (57).

Putin selbst hatte wiederholt gewarnt. Bereits im November 2024, nachdem amerikanische ATACMS-Rakete für Angriffe auf russisches Territorium freigegeben wurden, sprach der Kreml-Herrscher von einem Konflikt mit «Elementen eines globalen Charakters». Er drohte: «Wir sehen uns im Recht, unsere Waffen gegen militärische Objekte der Länder einzusetzen, die es zulassen, dass ihre Waffen gegen Objekte bei uns eingesetzt werden.» 

«Aus meiner Sicht notwendig»
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Keine Beschränkungen mehr:«Aus meiner Sicht notwendig»

Schweigen über Taurus

Ob diese Reichweiten-Wende gar mit der Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern verbunden ist, ist aktuell nicht bekannt. Noch als Oppositionsführer hatte Merz dies mehrfach gefordert. 

Der deutsche Aussenminister Johan Wadephul (62) erklärte am Montag in Lissabon, dass Russlands «Njet» zu Friedensverhandlungen Folgen habe: «Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.» Zu Taurus sagt er nur: «Wir werden über einzelne Waffen-Systeme keine Aussagen machen.» Die deutsche Regierung werde Putin «nicht die Gelegenheit geben, zu wissen, was wir konkret tun.»

Die amerikanischen ATACMS-Raketen haben eine Reichweite von 300 Kilometern. Grossbritannien (Shadow Storm) und Frankreich (Scalp) stellen der Ukraine Marschflugkörper mit rund 250 Kilometern Reichweite zur Verfügung. Die deutschen Taurus-Marschflugkörper haben eine Reichweite von 500 Kilometern – damit könnte die Ukraine theoretisch auch Moskau erreichen. 

Maria Sacharowa (49), Sprecherin des russischen Aussenministeriums, erklärte im April, dass ein Taurus-Angriff auf russische Ziele als «direkte Beteiligung Deutschlands an den Kampfhandlungen an der Seite des Regimes in Kiew aufgefasst» würde – «mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt». 

«Erhebliche Eskalation des Westens»

Ralph D. Thiele, Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von Eurodefense Deutschland, ist überzeugt, dass aktuell noch keine deutschen Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine eingesetzt werden. «In der Regierung ist die SPD weiterhin dagegen», betont er. 

Strategisch sei es natürlich sinnvoll, nicht öffentlich über einzelne Waffensysteme zu sprechen, damit sich Russland nicht darauf vorbereiten kann. «Nur so bleibt es ein Droh-Instrument», sagt Thiele. 

Die Reichweiten-Freigabe stelle insgesamt aber eine «erhebliche Eskalation» des Westens gegenüber Moskau dar. Wenn die Ukraine westliche Marschflugkörper nach Russland schicke, werde dies dort den antiwestlichen Zorn verstärken. 

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Generell, so warnt Thiele, werde damit auch die Gefahr für Europa erhöht. «Denn Russland bereitet sich auf einen Konflikt mit der Nato vor.» Dies sei etwa aufgrund der Truppenansammlungen an der finnischen Grenze erkennbar. 

Die Zeichen stünden auf Eskalation. «Und Russland wird gerade darin trainiert, immer besser mit westlichen Waffen umzugehen.» Die Risiken wachsen. Deshalb sei es wichtig, die Eskalationsspirale nicht immer weiterzudrehen, sagt Thiele.

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