Proteste und Ausschreitungen nach Razzien gegen Migranten
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Trump schickt Soldaten nach LA:Proteste und Ausschreitungen nach Razzien gegen Migranten

Los Angeles brennt – Blick ist vor Ort
«Würden sie alle Papierlosen abschieben, würde nichts mehr funktionieren»

Los Angeles steht unter Schock: Seit Tagen durchkämmt die US-Zollbehörde ICE die Stadt und nimmt Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung fest. Die Bevölkerung reagiert mit Protesten – und zeigt sich solidarisch mit den Betroffenen.
Publiziert: 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 15:26 Uhr
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In der US-Stadt Los Angeles eskalieren aktuell Proteste gegen das rigorose Vorgehen der US-Einwanderungsbehörde ICE.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Illegale Einwanderer in Los Angeles fürchten Abschiebungen durch ICE-Behörde
  • Bürger protestieren gegen Trump und zeigen Solidarität mit Papierlosen
  • Schätzungsweise 11 Millionen Menschen leben illegal in den USA
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Blick-Redaktion

Die sonst so belebten Strassen in Central Los Angeles wirken leer. In der Ferne hört Gersan Osorio (27) die Sirenen der Einsatzkräfte, Helikopter der Polizei und ab und zu einen dumpfer Knall. Normalerweise holt sich Osorio jeden Morgen einen frisch gepressten Fruchtsaft von einem Stand in seiner Nachbarschaft. 

Doch derzeit ist in Los Angeles (USA) nichts «normal». Seit Tagen ist der Mann, der ihn bedient, nicht mehr aufgetaucht. Jahrzehnte stand er jeden Morgen stundenlang auf der Strasse und verdiente sich so seinen Lebensunterhalt. «Aber nun hat er Angst. Denn er ist illegal hier», erzählt Osorio. 

Und damit ist dieser Mann nicht alleine. Die Zahl der illegal eingewanderten Menschen wird in den USA auf etwa 11 Millionen geschätzt. Lange Zeit wurden sie geduldet, doch die Trump-Regierung setzt dem ein Ende. Die US-Zollbehörde ICE nimmt rigoros Migranten fest und leitet Abschiebungen ein. Jetzt ist die Behörde in Los Angeles und die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand. Nichts ist mehr so, wie es mal war.

«Die Abschiebungen sind grausam»

«Würden sie alle Papierlosen abschieben, würde nichts mehr funktionieren.» Gersan Osorios Eltern waren wie viele Einwohner selbst einst illegal in die Vereinigten Staaten eingewandert. Auch wenn er hier geboren und somit Staatsbürger ist, sieht er die Schwierigkeiten: «Menschen kommen hierher und hoffen auf eine Chance. Sie ackern sich ab, haben oft mehrere Jobs, um ihre Familien zu versorgen. Doch die Staatsbürgerschaft ist schwierig zu erreichen.»

Auch Christian De Andas (26) Eltern waren illegale Migranten: «Erst im Alter von 70 Jahren konnte sich meine Mutter einbürgern. Beim Test konnte ich ihr oft selbst nicht helfen», schildert er aufgewühlt. Lange Zeit war das auch kein Problem, viele Jobs konnte man auch ohne Papiere ausüben. Doch dass sich das nun ändert, realisierte De Anda schlagartig: «Ich war gestern mit meinem Bruder in unserem alten Quartier», erzählt der Musiker. «Plötzlich sprangen ICE-Beamte aus einem Van und nahmen zwei Männer fest. Ohne Fragen, ohne Zeit für Abschiede.» De Anda verstand die Welt nicht mehr. «So etwas habe ich noch nie gesehen. Es war grausam.»

Bürger zeigen sich solidarisch

Szenen wie diese sind derzeit in Los Angeles kein Einzelfall. «Ich weiss von mindestens drei Kindern, die von ICE aus der Grundschule gerissen wurden», berichtet Tara Cernak (51). Sie will sich für die «Papierlosen», wie die illegalen Migranten hier genannt werden, einsetzen. Dafür geht sie heute auf die Strasse. «Im schlimmsten Fall gehe ich eine Nacht hinter Gitter», sagt die 51-Jährige überzeugt. Doch soweit wird es wohl nicht kommen. «Ich bin weiss. Das ICE und die National Guards werden mir nichts machen», ist die Frau überzeugt.

Cernak ist sich ihrem Privileg, weiss zu sein, bewusst: «Ich konnte meine Kinder in Sicherheit aufziehen. Nun muss ich dafür einstehen, dass andere das auch können.» Für sie ist es schlimm, mit anzuschauen, wie ihr Land «den Bach runtergeht». Zusammen mit ihrem 30-jährigen Sohn demonstriert sie deshalb jetzt gegen Trump und die Behörde. «Wir hassen Trump. Und wir hoffen, dass er bald seines Amts enthoben wird.»

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Los Angeles weiss sich zu helfen

Weniger sicher fühlen sich De Anda und Osorio. Den jungen Männern sieht man ihren lateinamerikanischen Hintergrund an. «Ich habe braune Haut. Ich habe Angst, dass sie mich für einen illegalen Einwanderer halten», so Osorio. Besonders jetzt mit dem Einbezug der Nationalgarde ist er sich sicher, dass die Situation eskalieren wird. «Denen ist egal, wer wir sind und was wir machen», befürchtet er. Er hatte bereits zuvor Kontakt mit der Nationalgarde, als die Einsatzkräfte wegen der Waldbrände in Los Angeles stationiert waren. 

Doch nun sind sie gegen den Willen der lokalen Regierung da. Der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom (57), teilte einen Brief an Trumps Regierung. Darin fordert er, Washington solle die Streitkräfte «sofort wieder abziehen». Ausserdem fordert er die Bürger auf, nicht auf Trumps «Köder» hineinzufallen. Trump wolle Chaos und Gewalt sehen, um seine Reaktion zu rechtfertigen. «Gebt ihm das nicht!»

So findet die lateinamerikanische Community ihre eigenen Wege, einander zu helfen: «Wir haben Gruppen und teilen auf Social Media, wenn jemand die ICE-Behörden sichtet», erklärt De Andas. Und man hilft sich gegenseitig: «Gestern holte meine Mutter eine papierlose Kollegin aus der Kirche bei der Arbeit ab und brachte sie nach Hause», so der 26-Jährige. Die Frau hatte Angst, sie könnte vom ICE überrascht und deportiert werden. 

«Einbürgerung muss einfacher werden, nicht schwieriger»

Die Proteste gegen die Machenschaften der ICE gehen derzeit weiter – und sie werden stärker. Denn die Menschen sehen keine Alternative: «Wer sich an die Regeln hält und sich auf dem Amt meldet, muss fürchten, von der ICE abgefangen und ausgeschafft zu werden», erklärt Osorio. «Das sind Menschen, die hart arbeiten, die hier eine Familie haben, ohne welche die Community nicht funktionieren würde.» 

Osorio fordert: «Die Einbürgerung sollte einfacher gemacht werden, nicht schwieriger.» Dies würde den Menschen helfen, in einem legalen Umfeld eine sichere Existenz aufzubauen. «Dann wäre jetzt auch niemand auf der Strasse am Protestieren.» Das sieht auch Tara Cernak so: «Trump lässt das nur eskalieren, da er das Kriegsrecht ausrufen will», vermutet die Bürgerin. «Ich lasse mir meine Stimme nicht von ihm nehmen.»

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