Inmitten von Gefechten an Grenze
Thai-Premier Anutin setzt auf Neuwahlen gegen altes Establishment

Gefechte mit Kambodscha und Neuwahlen: Thai-Premier Anutin setzt auf politische Erneuerung. Er will die Macht des alten Establishments begrenzen und Reformkräften die Chance auf Regierungsführung geben. Thailand könnte, endlich, vor einem Wendepunkt stehen.
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Thailändische Soldaten auf Patrouille nahe der Grenze zu Kambodscha. Der seit Gedenken schwelende Konflikt ist neu aufgeflammt.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Thailand ruft Neuwahlen aus inmitten von Kämpfen mit Kambodscha
  • Reformwillige Bevölkerung hofft auf Wendepunkt in der politischen Landschaft
  • 2023 wurde klare reformorientierte Wahlsiegerin mit Parteiverboten belegt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Paukenschlag in Bangkok: Thailand führt kriegsähnliche Gefechte mit Kambodscha, die Zahl der getöteten Soldaten und Zivilpersonen steigt, und Premier Anutin Charnvirakul (59) hat Drohungen wahr gemacht und Neuwahlen ausgerufen.

Während an der Grenze zum Nachbar Kampfjets und schweres Militärgerät im Einsatz sind, setzt der thailändische Premier nach aussen auf harte Töne und lehnt Gespräche mit Phnom Penh ab – ein Kurs, der vor allem den sicherheitspolitischen Vorstellungen des etablierten Machtlagers entspricht. Doch das ist nur die vordergründige Politik des Premiers. Die Kämpfe jetzt mit Kambodscha sind mehr innen- als aussenpolitischer Konflikt. Menschen in Thailand zucken die Schultern, was der Konflikt soll. Es geht um Parzellen an Niemandsland ohne Infrastruktur, ohne Bodenschätze.

Am späten Donnerstag rief Anutin überraschend vorgezogene Neuwahlen aus. Ein deutliches Signal: Der Premier erklärte, er gebe «die Macht dem Volk zurück». Der als gemässigt geltende Regierungschef will politische Blockaden beenden, die Thailands demokratische Entwicklung seit Jahren bremsen. Anutin liefert Reformkräften eine Steilvorlage.

Menschen wünschen Reformen

Der Druck auf das lichtscheue Establishment im Hintergrund wächst. Die Stimmung in Thailand hat sich über die letzten Jahre spürbar verändert. Immer mehr Menschen im Land fordern Reformen, weniger Einfluss der Streitkräfte und echte demokratische Teilhabe.

Die Move Forward Party – nun als People’s Party neu aufgestellt – war 2023 als klare Wahlsiegerin hervorgegangen. Schon 2019, bei ihren ersten Wahlen, war die damalige Future Forward Party der Senkrechtstarter. Auf Anhieb wurde die Jungpartei zur drittstärksten. Eine Welle der Euphorie erfasste insbesondere die jüngere, von vielen Bereichen ausgeschlossene Bevölkerung.

Doch schon nach ihrem ersten Wahlerfolg wurde die Partei gerichtlich an einer Politikteilnahme gehindert. Auch nach ihrem Wahlsieg 2023 konnte sie die Regierung nicht übernehmen. Ein weiterer Verfassungscoup erwirkte die Auflösung der Partei. Gleich zwei beliebte Parteibosse wurden mit zehnjährigen Politikverboten belegt.

Möglicher Wendepunkt

Die jetzt ausgerufenen Neuwahlen gelten deshalb als möglicher Wendepunkt. Die oppositionelle People’s Party ermöglichte Anutin die Bildung einer Übergangsregierung. Viele in Thailand hoffen, dass sich der Reformwille der Bevölkerung diesmal tatsächlich in politischer Macht widerspiegeln kann. Vor diesem Hintergrund interpretieren Beobachter die harte Linie gegenüber Kambodscha auch als ein letztes Aufbäumen der alten Eliten: ein Versuch, vor der Wahl Stärke zu demonstrieren und ihre traditionellen Machtstrukturen zu sichern.

Mit den Wahlen steht Thailand vor einer entscheidenden Frage: Bleibt das Land im Griff des militärnahen Establishments – oder wird den voraussichtlichen Wahlgewinnern der Reformkräfte erstmals erlaubt, ihren Wahlsieg auch in Regierungsverantwortung umzusetzen.

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