Indien schiesst Raketen und Bomben auf Pakistan
Wer kann einen Krieg der beiden Atommächte noch stoppen?

Nach einem Racheakt Indiens an Pakistan steigt die Gefahr eines grossen Krieges zwischen den beiden Atommächten. Asien-Experte Tobias Scholz sagt, wie weit die Gewaltspirale führen könnte.
Publiziert: 07.05.2025 um 15:19 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2025 um 16:03 Uhr
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Made in Pakistan: Die Shaheen-III-Rakete erreicht Ziele in 3000 Kilometer Distanz und kann Atomsprengköpfe tragen.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Der Kaschmir-Konflikt steht kurz vor einer Eskalation: In der Nacht auf Mittwoch hat Indien mehrere «terroristische» Ziele in Pakistan angegriffen und dabei 26 Menschen getötet. Es war eine Reaktion auf den Terroranschlag am 22. April in einem Ferienort im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir, bei dem 26 Touristen ums Leben kamen.

Nach Indiens Angriff meldete Pakistan den Abschuss von fünf Kampfjets und kündigte Vergeltung an. Premierminister Shehbaz Sharif (73): «Pakistan hat jedes Recht, eine angemessene Antwort auf diese von Indien verhängte Kriegshandlung zu geben, und eine angemessene Antwort wird auch gegeben.» Zwischen den beiden Atommächten herrscht akute Kriegsgefahr.

Artet der Konflikt in einen Atomkrieg aus?

Dass die indische Armee nicht nur Ziele in Kaschmir, sondern auch im pakistanischen Punjab angriff, kam für Tobias Scholz, Asien- und Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, überraschend. Er bezeichnet den aktuellen Streit als «ernsten Konflikt».

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In der Nacht auf Mittwoch griff Indien pakistanische Ziele an. Angeblich konnten fünf indische Jets abgeschossen werden.
Foto: IMAGO/Middle East Images

Er rechnet mit einer weiteren Eskalation, die sich aber auf die Region Kaschmir begrenzen dürfte, da ein Flächenbrand für beide Atommächte mit zu vielen Risiken verbunden wäre. Scholz: «Beide Staaten werden sich jeden militärischen Schritt genau überlegen. Das sieht man schon daran, dass Indien für seine militärische Antwort auf den Terroranschlag ganze zwei Wochen benötigt hat.»

Als Sofortantwort hatte Indien Ende April alle Pakistani ausgewiesen und den Indus-Vertrag über die Wassernutzung ausgesetzt. Ohne diesen seit 1960 gültigen Vertrag könnte Indien Millionen von Pakistani das Wasser abstellen.

Wie stark sind die beiden Atommächte?

Indien und Pakistan gehören zu den neun Staaten, die über Atomwaffen verfügen. Beide sind keine Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrags und bauen ihre Arsenale ständig aus. Indiens Armee ist klar überlegen, Pakistan ist aber sehr erprobt und effektiv in regionalen Konflikten.


Indien Pakistan
Militärbudget 83 Milliarden Dollar11 Milliarden Dollar
Aktive Soldaten 1,5 Millionen650’000
Kampfjets 600390
Kampfpanzer 42002700
Kriegsschiffe 295 (inkl. Atom-U-Boote)100 (inkl. 9 Boote)
Atomsprengköpfe 180170

Wer kann die Streithähne stoppen?

Die USA spielen traditionell die bedeutendste Rolle bei der Deeskalation zwischen Indien und Pakistan. Sie haben strategische Beziehungen zu beiden Ländern – Indien als aufstrebende Wirtschaftsmacht und Pakistan als militärischer Verbündeter. Der aktuelle US-Präsident Donald Trump (78) hat sich als Vermittler angeboten. 

Auch China ist besorgt. Scholz: «Peking will sich ungern in einen Konflikt hineinziehen lassen und hat zur Deeskalation aufgerufen.» Allerdings verfolgt das Land im Gebiet eigene Interessen, etwa die Sicherung seiner Grenzgebiete und den Ausbau der Infrastruktur im Rahmen der Neuen Seidenstrasse, die durch Kaschmir führt. Das Verhältnis Chinas zu Indien ist wegen Grenzkonflikten angespannt, mit Pakistan hingegen unterhält es enge Wirtschaftsbeziehungen.

Welche Folgen hat der Konflikt für uns?

Käme es zu einem grossen Krieg, hätte dies Auswirkungen auf die ganze Welt. Es würde diplomatische Ressourcen brauchen, die dann bei anderen Konflikten fehlten. Als Lieferanten für die IT- und Textilindustrie wären bei einem Krieg auch Lieferketten gefährdet. Je nach Grösse eines Konflikts könnte es zu grossen Fluchtbewegungen kommen.

Im Moment sind die Auswirkungen auf Europa aber klein. Scholz: «Europa könnte seine verfügbaren diplomatischen Kanäle nutzen, um beide Parteien zur Deeskalation zu ermutigen.»

Warum gibt es den Kaschmir-Konflikt?

Nach der Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947 wurde die Region Kaschmir zwischen den neu gegründeten Staaten Indien und Pakistan aufgeteilt. Besonders der indische Teil, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist, gilt seither als Konfliktherd: Hier kämpfen muslimische Separatisten für einen Anschluss an Pakistan.

1947 bis 1949, 1962, 1965, 1971 und 1999 wurden Kriege geführt. In jüngerer Zeit war es dort allerdings ruhiger geworden – und mit der Ruhe kehrten auch die Touristen zurück.

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