Darum gehts
- Chirurg gesteht 299-fachen Kindesmissbrauch. Staatsanwaltschaft fordert 20 Jahre Haft
- Angeklagter nutzte seine Position als Arzt aus und zeigte keine Empathie
- Opfer im Durchschnittsalter von elf Jahren, Missbrauch zwischen 1989 und 2014
Im wohl grössten Prozess um Kindesmissbrauch in Frankreich mit 299 Opfern hat die Staatsanwaltschaft für den angeklagten Chirurgen Joël Le Scouarnec (74) 20 Jahre Haft gefordert. Der Angeklagte habe seine Opfer wie leblose Objekte behandelt und keinerlei Empathie gezeigt, sagte Staatsanwalt Stéphane Kellenberger im Landgericht im westfranzösischen Vannes, wie die Zeitung «Ouest France» aus dem Gerichtssaal berichtete.
Erschwerend komme hinzu, dass der Angeklagte seine Rolle als Arzt ausgenutzt habe. Er habe sich oft an noch unter Narkose stehenden Patienten oder Kindern vergangen, die sein Tun nicht als Missbrauch einsortieren konnten. Ausserdem habe der Mediziner die Lage an personell unterbesetzten Krankenhäusern auf dem Land ausgenutzt, sagte der Staatsanwalt, der den Angeklagten als «feige» bezeichnete. Das Urteil wird am Mittwoch erwartet.
Chirurg gesteht 299-fachen Missbrauch
Der pensionierte Mediziner hat in dem Prozess gestanden, zwischen 1989 und 2014 insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen im Durchschnittsalter von elf Jahren missbraucht zu haben.
Das Gerichtsverfahren erschüttert Frankreich, auch weil die Frage im Raum steht, weshalb die Gesundheitsbehörden den bereits 2005 wegen Kinderpornografie auf Bewährung verurteilten Arzt nicht früher stoppen konnten. Der Prozess habe gesellschaftliche und politische Fragen aufgeworfen und hoffentlich einen Wandel angeschoben, sagte Kellenberger.
Der Staatsanwalt sagte, die Zahl der Opfer des Chirurgen sei noch höher. Um den Prozess nicht zu verzögern, seien zunächst 299 Fälle angeklagt worden. Wahrscheinlich werde es wegen anderer Opfer ein weiteres Strafverfahren geben.