Als erster syrischer Staatschef seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1946 ist Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (43) am Montag im Weissen Haus in Washington empfangen worden. Das Gespräch von US-Präsident Donald Trump mit dem früheren Dschihadisten fand entgegen den üblichen Gepflogenheiten abseits von Kameras statt. «Der syrische Präsident ist im Weissen Haus eingetroffen», wurde lediglich von US-Seite offiziell verkündet. «Das Treffen zwischen Präsident Trump und Präsident al-Scharaa hat begonnen.»
Zum Inhalt des Gesprächs drang zunächst nur wenig nach aussen. Einzig der syrische Aussenminister Asaad al-Schaibani, der ebenfalls im Weissen Haus empfangen wurde, bezeichnete das Treffen als konstruktiv. Es sei monatelang vorbereitet worden. Weitere Details nannte er nicht.
Trump lobt Ex-Dschihadisten
Im Vorfeld hatte der US-Syriengesandte Tom Barrack (78) erklärt, dass unter anderem ein Abkommen über Syriens Beitritt zur US-geführten internationalen Koalition zum Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) unterzeichnet werden solle.
Nach dem Treffen sagte Trump im Oval Office vor Medienvertretern, der syrische Präsident sei ein «harter Anführer». Man werde alles tun, um Syrien zum Erfolg zu verhelfen. «Ich glaube, al-Sharaa kann diese Aufgabe bewältigen.»
Wirtschaftssanktionen gelockert
Al-Scharaa war erst am Freitag von den USA von ihrer Terrorliste gestrichen worden, womit der Besuch bei Trump erst möglich wurde. Einen Tag zuvor hatte der Uno-Sicherheitsrat auf Initiative Washingtons für die Aufhebung der Sanktionen gegen den früheren Dschihadisten gestimmt. Damit wird der Weg frei für US-amerikanische und ausländische Investitionen in den Wiederaufbau Syriens frei.
Die USA halten ihrerseits an der bereits beschlossenen Lockerung der Sanktionen fest. Die Trump-Regierung verlängerte die Aussetzung bestimmter Strafmassnahmen um ein halbes Jahr, wie aus einem Dokument des Finanzministeriums hervorgeht.
Die gelockerten Sanktionen betreffen den sogenannten Caesar Act – ein Paket, das 2019 mit dem Ziel verhängt worden war, die damalige Regierung des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad (60) zu schwächen. Es waren Wirtschaftssanktionen, aber auch direkte Sanktionen gegen die damalige Regierung, die vor bald einem Jahr gestürzt worden ist.
Al-Scharaa nicht mehr auf Sanktionsliste
Die Sanktionen wurden bereits vor Monaten gelockert – nun folgte eine Verlängerung der Lockerung um ein weiteres halbes Jahr. Dass es kein längerer Zeitraum geworden ist, hängt nach Einschätzung von Beobachtern damit zusammen, dass eine Veränderung der Sanktionen im US-Kongress verhandelt werden muss. Wegen des teilweisen Regierungsstillstands durch den fehlenden Haushalt kommt es aber zu Verzögerungen in der Parlamentsarbeit.
Al-Scharaas islamistische HTS-Miliz ist ein früherer Zweig von Al-Kaida, hatte sich jedoch bereits vor Jahren von dem Extremistennetzwerk losgesagt. Seit seinem Amtsantritt bemüht sich der Interimspräsident um ein moderateres Image und internationale Anerkennung. Dazu passt auch Syriens Beitritt zur globalen Koalition im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, die eine engere Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften ermöglicht.
Syriens Übergangsregierung wirbt seit langem dafür, sämtliche Sanktionen gegen das Land aufzuheben, um internationale Investitionen zu erleichtern und die Wirtschaft in dem vom Bürgerkrieg schwer verwüsteten Land anzukurbeln. Bereits vor wenigen Tagen hatten die USA Sanktionen gegen den syrischen Übergangspräsidenten Al-Scharaa aufgehoben, der nun von Trump empfangen wurde.
So blicken die Syrer auf al-Scharaa
Viele Syrer bleiben ihrem neuen Staatsoberhaupt gegenüber skeptisch. Noch immer seien sich viele nicht sicher, wohin das Land steuere, sagte ein Bewohner der Hauptstadt Damaskus der Deutschen Presse-Agentur. Eine andere Frau sagte: «Wir bleiben optimistisch, dass Syrien weiter in die richtige Richtung geht.»
Einige haben Hoffnung, dass vor allem der Trip zu Trump Besserungen für das stark zerstörte und wirtschaftlich schwache Syrien bringt. «Dieser Trip al-Scharaas kann uns mehr bringen als vorige Reisen in andere Länder», sagte ein weiterer Bewohner in Damaskus. Die Hoffnung darauf, dass mit weiteren Sanktionslockerungen der Weg für neue Investitionen geebnet wird, ist gross.
Viele Teile Syriens sind nach dem fast 14-jährigen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung noch immer verwüstet. Die Wirtschaft liegt am Boden. Nach UN-Angaben leben in Syrien noch immer schätzungsweise sieben Millionen Binnenvertriebene. Noch immer sind demnach rund 16 Millionen Menschen der rund 23 Millionen Einwohner in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen.