Heute wählen die Niederlande
Rechtspopulist Geert Wilders wird die Wahl gewinnen – und trotzdem verlieren

Geert Wilders steht wohl kurz vor einem erneuten Wahlsieg – und doch droht ihm die totale Niederlage. Der Rechtspopulist hat sich mit seinem Ego und seiner Radikalität selbst ins Abseits manövriert. Ein Triumph ohne Macht – und vielleicht das Ende seines grossen Traums.
Publiziert: 29.10.2025 um 14:26 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2025 um 21:36 Uhr
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Er kämpft um Macht – und droht sich dabei selbst zu stürzen: Geert Wilders vor seiner vielleicht letzten grossen Chance.
Foto: Anadolu via Getty Images

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Er steht kurz davor, wieder alles zu gewinnen – und trotzdem könnte er am Ende alles verlieren. Geert Wilders (62), der Mann mit der blondierten Mähne und der grossen Klappe, will es noch einmal wissen. Am Mittwoch stimmen 13 Millionen Niederländerinnen und Niederländer über die Zukunft ihres Landes ab.

Laut Umfragen dürfte seine Partei, die Partij voor de Vrijheid (PVV), erneut stärkste Kraft werden. Doch anstatt ins Kanzleibüro zieht es ihn womöglich wieder auf die Oppositionsbank. Kein anderer Politiker Europas schafft es, so oft zu triumphieren – und dabei doch so machtlos zu bleiben.

Machtspiel mit Ansage

Der Grund für die Neuwahlen liegt in Wilders’ eigenem Machtspiel: Im Juni zerbrach die erst elf Monate alte Vierparteienregierung, weil Wilders im Streit um strengere Asylgesetze den Rückzug seiner PVV aus der Koalition verkündete. Ohne seine Stimmen verlor die Regierung die Mehrheit – und das Land stürzte zurück in die politische Dauerkrise.

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Geert Wilders wirkt kämpferisch wie eh und je – der Rechtspopulist setzt im Wahlkampf erneut auf sein altbewährtes Thema: Migration.
Foto: AFP

Schon nach dem Wahlsieg 2023 war klar gewesen: Wilders will regieren, aber nicht teilen. Damals erreichte er mit 37 von 150 Sitzen das beste Ergebnis seiner Karriere und stieg überraschend in eine Regierung mit Liberalen, Christdemokraten und der Bauernpartei BBB ein. Weil ihn die Partner als Premier ablehnten, musste der parteilose Dick Schoof (68) den Posten übernehmen. Wilders versuchte, sich staatstragend zu geben – doch die Fassade hielt nicht. Kaum im Amt, fiel er in alte Muster zurück: radikale Rhetorik, Wut auf Social Media, kompromisslose Forderungen.

Ein Wahlkampf voller Wut

Sein Lieblingsthema: Migration. In der letzten TV-Debatte des NOS-Rundfunks vor der Wahl wetterte er gegen «die Überschwemmung» des Landes durch Geflüchtete und forderte einen sofortigen Asylstopp. «Die Niederlande müssen wieder den Niederländern gehören», sagte er. Rob Jetten (38) von der linksliberalen D66 hielt dagegen: «20 Jahre haben wir Ihren griesgrämigen Hass gehört – und nichts wurde gelöst.» Frans Timmermans (64) vom rot-grünen Bündnis GroenLinks-PvdA rief dazu auf, «endlich einen Schlussstrich unter die Ära Wilders zu ziehen».

Doch egal, wie stark die Kritik ist: Wilders bleibt ein politischer Magnet. Seine Provokationen treffen den Nerv vieler Niederländerinnen und Niederländer, die sich von steigenden Mieten, überfüllten Asylunterkünften und dem Gefühl politischer Stillstände frustriert zeigen. Auch wenn er viele Stimmen verliert, bleibt er laut Umfragen des Instituts Ipsos mit 20 Prozent Zustimmung knapp an der Spitze – dicht gefolgt von Timmermans und Jetten.

Sieg ohne Partner

Das Problem: Regieren kann nur, wer Koalitionspartner findet. Und genau daran scheitert Wilders immer wieder. Die Liberalen (VVD), die Christdemokraten (CDA) und sogar die Bauernpartei haben eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Selbst bei einem erneuten Wahlsieg dürfte Wilders deshalb auf der Oppositionsbank landen.

Doch auch ohne Regierungsamt hat er das politische Klima verändert. Kaum eine Partei wagt es heute noch, über offene Grenzen oder grosszügige Asylpolitik zu sprechen. Selbst moderate Kräfte fordern strengere Regeln – eine Verschiebung, die eindeutig auf Wilders Einfluss zurückgeht.

Der Mann, der sich selbst im Weg steht

Und genau hier liegt die Tragödie des Geert Wilders: Er hat das politische Klima verändert, sich selbst dabei aber ausgebootet. Seine Brandreden, sein Stolz, seine Unversöhnlichkeit – all das hat ihn gross gemacht, aber auch isoliert.

Heute könnte er wieder gewinnen. Doch sein Traum vom Premieramt ist weiter von einer Verwirklichung entfernt als je zuvor. Weil keiner mit ihm kann. Und er mit niemandem will. Geert Wilders hat sich selbst ins Abseits geschossen – und wird deshalb ewig der Mann bleiben, der fast alles erreicht hat. Nur das eine nie: Macht.

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