Darum gehts
«HÖR AUF, Wladimir!» So deutlich wie nach dem russischen Terroranschlag auf Kiew in der Nacht auf Donnerstag (mindestens 9 Tote und 80 Verletzte) wurde Donald Trump (78) bislang noch nie. Doch trotz seiner mahnenden Worte an den Kreml-Herrscher: Der US-Präsident ist mit seinem «letzten Vorschlag» für einen Frieden drauf und dran, nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa ins Verderben laufenzulassen.
Wolodimir Selenski (47) müsse «jetzt endlich handeln», poltert Trump – offenbar im Glauben daran, die Russen würden seinem «Friedensplan» zustimmen und brav Ball spielen. Doch Trump macht einen radikalen Denkfehler.
Der Vorschlag, den Trump dem Angreifer Russland und der angegriffenen Ukraine als Ultimatum unterbreitet, sieht aus russischer Sicht auf den ersten Blick aus wie ein nachgereichtes Ostergeschenk an die Russen. Trump will:
- die seit 2015 von Russland besetzte Halbinsel Krim als russische anerkennen.
- den Russen die besetzen Gebiete im Donbass und den Oblasten Kherson und Saporischschja vorläufig überlassen.
- Moskau die Hälfte der Stromerzeugnisse aus dem (weltweit grössten) Atomkraftwerk von Saporischschja zukommen lassen.
- alle seit 2014 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufheben.
Die Ukraine? Kriegt nichts – ausser einem kleinen von Russland eroberten Gebiet im Oblast Kharkiv. Keine Sicherheitsgarantien durch die USA, keine Aussicht auf rasche Aufnahme in die EU, ja nicht einmal Garantien für weitere Militärhilfen. Und die Nato-Mitgliedschaft? Die müsste sich Kiew auf immer und ewig abschminken.
Kein Wunder, dass Selenski laut und deutlich sagte: «Nein, danke, Mr. President!»
Putins absurde Forderung für ein Kampfende
Damit hat Trump seinen Sündenbock endgültig gefunden. Auf seiner Plattform Truth Social wettert er, wie viel schwieriger es sei, mit den Ukrainern zu verhandeln als mit den Russen (sein Sondergesandter Steve Witkoff reist diese Woche zum vierten Mal nach Moskau, in Kiew war er noch nie). Was er dabei ausblendet: Moskau hat klargemacht, dass es Trumps Deal nicht annehmen würde.
Wladimir Putin (72) liess via seinen Sprecher ausrichten, dass man Selenskis Unterschrift unter dem Papier nicht ernstnehmen könnte, weil er seit Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2024 (so die russische Sichtweise) nicht mehr der legitime Präsident der Ukraine sei. Zudem würde Russland den Krieg erst beenden, wenn sich die Ukraine aus den noch nicht von Russland kontrollierte Gebieten in den vier Oblasten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Kherson zurückgezogen habe.
Zur Erinnerung: Diese vier Regionen hat Putin offiziell als zu Russland gehörig deklariert. Abgesehen vom fast komplett eroberten Luhansk aber stehen sie nach wie vor weitgehend unter ukrainischer Kontrolle. Die Ukraine müsste freiwillig zurückweichen und den russischen Eindringlingen sozusagen den blutroten Teppich ausrollen. Eine absurde Vorstellung.
Trump steht ganz alleine da mit seinem «Friedensplan». Er hat klargemacht, dass er sich aus dem ganzen Theater um die Ukraine zurückziehen wird, sollten die beiden Parteien ihn nicht unterzeichnen. Es ist anzunehmen, dass Amerika seine Hilfe für die Ukraine demnächst einstellt.
Damit lässt Trump nicht nur Kiew im Stich, sondern verprellt es sich auch mit Europa. Nur schon ein russischer Teilsieg in diesem Krieg wäre ein Garant für jahrelange extreme Instabilität und Unsicherheit in Europa. Neue russische Angriffe gar auf Nato-Gebiet halten Experten für sehr wahrscheinlich. Mit dem faktischen Wegfall der USA als Nato-Schutzmacht wächst diese Gefahr noch einmal frappant.
Dieses orthografische Detail gibt der Ukraine Hoffnung
Europa ist (noch) nicht bereit, militärisch auf eigenen Füssen zu stehen. Das zeigt diese Blick-Übersicht über Europas Armeen. Zudem fehlt eine Führungsfigur vom Format des Briten Winston Churchill, der Europa im Angesicht der Nazi-Bedrohung mit seinen «Wir werden niemals aufgeben»-Rufen im Inneren zusammenhielt.
Was schnell gehen müsste – europäische Einigung, massive Aufrüstung, klare Moskau-Kante –, wird lange, viel zu lange brauchen. Das ist die unangenehme Wahrheit, mit der sich Europa konfrontiert sieht. Vielleicht hat Amerika bis dahin wieder einen vernünftigen Präsidenten. Vielleicht ist Putin bis dahin tot.
Und vielleicht kommt der wankelmütige Trump doch noch zur Einsicht, dass er für einmal auf das falsche Pferd gesetzt hat. Diese Lesart geht auf ukrainischen Social-Media-Kanälen rum. Das Indiz, dass Trump urplötzlich zum Ukraine-Freund werden könnte: In seinem jüngsten «HÖR AUF, Wladimir»-Post auf Truth Social schrieb er von «Kyiv», die ukrainische Schreibweise, und nicht etwa von «Kiev», wie die Russen die ukrainische Hauptstadt nennen. Orthografisches Detail. Mehr Anlass zur Hoffnung gibts momentan leider nicht.