Einigung zwischen USA und China
Was Trump im Zoll-Poker bisher erreicht hat – und was nicht

Die USA und China haben sich in Genf geeinigt, die gegenseitigen Zölle massiv zu reduzieren. Zuvor war Donald Trump im Inland unter Druck geraten. Damit hat sich die Lage im Zollkrieg vorläufig beruhigt. Es drohen aber weitere Gefahren.
Publiziert: 12.05.2025 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2025 um 21:05 Uhr
Donald Trumps Zoll-Offensive ist gebremst – aber noch nicht vorüber.
Foto: Getty Images

Darum gehts

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Daniel JungRedaktor News

Top-Diplomatie in der Schweiz: «Wir möchten der Schweizer Regierung unseren grossen Dank dafür aussprechen, dass sie dieses Handelstreffen hier in Genf ermöglicht hat», sagte US-Finanzminister Scott Bessent (62) am Montagmorgen.

Nach den Gesprächen am Wochenende senken die USA und China ihre gegenseitigen Zölle ab Mittwoch – jeweils um 115 Prozentpunkte. Die US-Zölle auf chinesische Importe sinken auf 30 Prozent. Die Zölle Pekings gehen auf 10 Prozent zurück. Dies vorübergehend für 90 Tage. An den Börsen sorgte der Durchbruch für Erleichterung. Wir haben Top-Ökonomen befragt, was Donald Trump (78) mit seiner Zollpolitik bisher bewirkt hat – und woran er gerade scheitert.

«Historischer Handelserfolg»?

Klar ist: Der Pfad der Eskalation, auf welchem sich die USA und China zuletzt befunden hatten, wird nicht fortgesetzt. «Keine der beiden Seiten will eine Entkopplung», erklärte Bessent. Gemäss Darstellung des Weissen Hauses hat Präsident Trump den USA einen «historischen Handelserfolg» gesichert.

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«Keine der beiden Seiten will eine Entkopplung», erklärte US-Finanzminister Scott Bessent am Montag in Genf.
Foto: AFP

So euphorisch sind Schweizer Experten nicht. Es sei aber sehr erfreulich, dass die «geradezu absurd hohen Zollsätze» und der damit verbundene eskalierende Handelskonflikt habe abgewendet werden können, sagt Aymo Brunetti, Volkswirtschaftsprofessor der Uni Bern.

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Zoll-Ankündigungen in erster Linie den Amerikanern selbst schaden würden, sagt Marius Brülhart, Volkswirtschaftsprofessor der Uni Lausanne. «Somit war ein Zurückkrebsen früher oder später zu erwarten.»

Sieg der nüchternen Seite

In den USA habe sich der Zollstreit langsam praktisch bemerkbar gemacht, sagt Reto Föllmi, Volkswirtschaftsprofessor der Uni St. Gallen. «Der Schiffsverkehr zwischen China und den USA ist um 50 Prozent gesunken», so der Ökonom. Etwa bei Spielzeug, Schuhen und Sportbekleidung seien die Lagerbestände in den USA langsam erschöpft. Drohende Engpässe hätten den Druck auf die US-Administration erhöht. «Und hier scheinen nun die etwas nüchternen Leute die Oberhand gewonnen zu haben», sagt Föllmi.

Haben die USA das Kräftemessen gewonnen? «Ich sehe keinen klaren Gewinner», sagt Föllmi. «Ich verwehre mich auch dieser Trump-Logik, dass es immer einen Gewinner und einen Verlierer gibt», sagt der Professor. Die Optik des einzelnen Deals sei hier nicht zutreffend: «Am besten ist es, wenn beide Seiten profitieren und man langfristig im Geschäft bleibt.» Mit der Einigung könnten beide ihr Gesicht wahren. China sitze aber eher am längeren Hebel, weil die USA zuerst von einer stärkeren Teuerung betroffen wären.

«Extreme Achterbahnfahrt»

Sind die US-Zölle damit als Gefahr aus dem Weg geräumt? «Nein, leider nicht», sagt Brunetti. Die Zölle von 10 Prozent, welche die USA weiterhin grundsätzlich erheben, seien sehr hoch. «Auch verheisst diese extreme Achterbahnfahrt der letzten Monate wenig Gutes», sagt der Ökonom. Es könne rasch wieder in die andere Richtung gehen.

Die Unsicherheit über die US-Wirtschaftspolitik sei extrem schädlich. «Wer investiert schon in grösserem Massstab in globale Wertschöpfungsketten, wenn er laufend davon ausgehen muss, dass sich die Spielregeln jederzeit massiv ändern können?», fragt Brunetti.

US-Wirtschaft schon ausgelastet

Ob Trump mit den Zöllen die USA als Produktionsstandort stärken kann, ist noch unklar, sagt Brunetti. Es wäre jedoch keine Stärkung, wenn relativ unproduktive Industriejobs durch «künstliche Wirtschaftsförderung» über Zölle wieder ins Land zurückgeholt würden.

«Internationale Produktionsverlagerungen brauchen Monate, wenn nicht Jahre der Planung», sagt Brülhart. Verlagerungen im grossen Stil seien unwahrscheinlich, da die US-Wirtschaft bereits fast voll ausgelastet sei. «Ohne zusätzliche Einwanderung besteht kaum Potenzial für einen Ausbau der Industrieproduktion im grossen Stil.»

«Offensichtliche Inkompetenz»

Brunettis Zwischenfazit zu Trumps Zoll-Offensive fällt klar negativ aus. Er spricht von einer «echten wirtschaftspolitischen Katastrophe». Trump habe einer sehr gut laufenden US-Wirtschaft ohne Not Knüppel in die Beine geworfen. «Es gibt kaum ein vergleichbares Ereignis in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte, bei dem mit offensichtlicher ökonomischer Inkompetenz eine Regierung dem Wirtschaftspotenzial des eigenen Landes dermassen geschadet hat», betont Brunetti. Dass Zölle schädlich sind, darüber seien sich Ökonominnen und Ökonomen von links bis rechts einig.

Brülhart spricht von einem «unforced error» der Trump-Administration, einer Steuererhöhung der wirtschaftlich besonders schädlichen Art. «Das scheint auch der US-Regierung langsam klar zu werden», so der Wirtschaftsprofessor.

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