Einigung in Brüssel
EU verhängt neue Russland-Sanktionen

Publiziert: 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 13:40 Uhr
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Foto: Alicia Windzio
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Die EU verhängt wegen des anhaltenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine neue Sanktionen. Nach wochenlanger Blockade durch die Slowakei konnte das mittlerweile 18. Paket mit Strafmassnahmen in Brüssel endgültig beschlossen werden.

Nach Angaben der EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas ist es eines der bislang stärksten. Erneut werden auch chinesische Unternehmen ins Visier genommen, die Russlands Angriffskrieg unterstützen.

Konkret sollen die neuen Sanktionen insbesondere die russischen Einkünfte aus dem Export von Öl in Drittstaaten weiter reduzieren und den russischen Finanzsektor treffen. Zudem haben sie zum Ziel, eine denkbare Wiederinbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 1 und eine Nutzung der Pipeline Nord Stream 2 auszuschliessen.

Drei der insgesamt vier Röhren von Russland nach Deutschland wurden zwar bei einem Anschlag im September 2022 zerstört. Im Fall einer Reparatur könnten die durch die Ostsee verlaufenden Pipelines Russland aber Milliardengewinne durch den Verkauf von Gas ermöglichen.

Veto der Slowakei verzögerte Sanktionspaket

Die Einigung auf das Sanktionspaket hatte eigentlich bereits direkt nach dem Juni-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs erfolgen sollen. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico verhinderte dies allerdings mit einer Vetodrohung.

Ermöglicht wurde die Einigung nun durch Zugeständnisse. So bekam die Slowakei zugesichert, dass sie keine schwerwiegenden wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen fürchten muss, wenn nach dem neuen Sanktionspaket auch noch ein Plan für einen kompletten Importstopp von russischem Gas umgesetzt wird. Diesen Plan kann Fico nicht blockieren, weil er im Gegensatz zu dem Sanktionspaket auch per Mehrheitsentscheidung gegen den Willen der Slowakei entschieden werden kann.

Ölpreisdeckel wird dynamisch angepasst

Zudem hatten zuletzt auch noch Malta, Griechenland und Zypern Bedenken gegen Massnahmen, die die russischen Einkünfte aus dem Export von Rohöl in Drittstaaten reduzieren sollen. Die Länder befürchteten ungerecht grosse Nachteile für heimische Schifffahrtsunternehmen, wenn der sogenannte Ölpreisdeckel zu stark gesenkt wird. Als Kompromiss wurde nun vereinbart, die Preisobergrenze regelmässig anzupassen, sodass sie langfristig nicht mehr als 15 Prozent unter dem durchschnittlichen Marktpreis liegt. In einem ersten Schritt soll sie von derzeit 60 auf 47,60 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass) reduziert werden.

Ursprünglich war geplant gewesen, den Preisdeckel für russisches Öl dauerhaft auf 45 US-Dollar pro Barrel abzusenken. Er gilt für den Verkauf von russischem Öl in Drittstaaten wie Indien, China oder die Türkei und wurde 2022 gemeinsam mit den USA und Japan, Kanada und Grossbritannien eingeführt.

Um ihn durchzusetzen, werden Unternehmen Sanktionen angedroht, die am Transport von russischem Öl zu einem Preis oberhalb des Preisdeckels beteiligt sind. Diese Regelung zielt auf Reedereien ab, aber auch auf Unternehmen, die Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste anbieten.

Lange Liste neuer Sanktionen

Neben den oben genannten Massnahmen wurde nach Angaben von Diplomaten zudem Folgendes vereinbart:

  • Einführung eines Importverbots für raffinierte Produkte aus russischem Rohöl. Das sind etwa Kraftstoffe für Autos und Flugzeuge sowie Heizöl. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die Russland bislang indirekte Exporte über Drittländer ermöglichte.
  • Einführung eines Verbots von Finanztransaktionen mit Unternehmen aus Drittländern, die Öl-bezogene Sanktionen umgehen
  • Listung von mehr als 100 Schiffen, die Teil der sogenannten russischen Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sind. Sie dürfen künftig nicht mehr in Häfen von EU-Staaten einlaufen und dürfen auch nicht mehr von europäischen Unternehmen versichert, finanziert oder ausgerüstet werden. Insgesamt sind damit künftig rund 450 Schiffe betroffen.
  • Listung von zusätzlichen 22 Banken, die vom Finanzkommunikationssystem Swift abgekoppelt werden; dazu Ausweitung der Strafmassnahme auf ein vollständiges Verbot von Transaktionen
  • Sanktionierung von mehreren chinesischen Unternehmen, die Russlands Angriffskrieg direkt oder indirekt unterstützen, sowie der grössten Rosneft-Raffinerie in Indien
  • Einführung von weiteren Ausfuhrbeschränkungen; betroffen sind etwa Werkzeugmaschinen, die im militärisch-industriellen System verwendet werden können.
  • Ausweitung der Liste mit sanktionierten Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen um mehr als 50 Einträge. Sie umfasst damit künftig mehr als 2500 Einträge.

China kritisierte die Massnahmen gegen heimische Unternehmen scharf und drohte Vergeltung an. Europa solle damit aufhören, die Interessen chinesischer Firmen ohne Faktengrundlage zu beeinträchtigen, sagte Aussenamtssprecher Lin Jian in Peking. China werde nötige Massnahmen ergreifen, um die Rechte heimischer Firmen zu schützen. In Bezug auf die Ukraine habe sich die Volksrepublik für Friedensverhandlungen eingesetzt und den Konfliktparteien nie tödliche Waffen geliefert.

Wie hart treffen die Sanktionen Russland?

Die Wirksamkeit der Russland-Sanktionen bleibt umstritten. Kritiker bezweifeln, dass sie einen grossen Einfluss auf die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin haben. Befürworter hingegen verweisen darauf, dass die Strafmassnahmen die russische Wirtschaft hart träfen und der Staat erhebliche Einnahmeausfälle zu verkraften habe. Demnach hätte Russland den Ukraine-Krieg ohne die Sanktionen möglicherweise schon lange mit einem Sieg beendet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte Putin, dass die EU den Druck so lange erhöhen werde, bis er den Krieg beende. Man ziele auf das Herz von Russlands Kriegsmaschinerie, sagte sie.

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