Darum gehts
Der Angriff Israels auf den Iran kommt überraschend – aber nicht aus dem Nichts. Der Konflikt zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran schwelt schon seit deren Gründung. In den letzten Monaten verschärfte sich der Ton allerdings. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung: die Atombombe. Ihr Ausgang wird die Zukunft des Nahen Ostens prägen. Blick fasst die wichtigsten Stationen des Konflikts zusammen.
April 1979
Die Islamische Revolution schockiert die Welt. Der Schah wird vertrieben, muslimische Geistliche (die «Mullahs») übernehmen den Iran. Während die Pahlavi-Monarchen warme Beziehungen zu Israel und Amerika pflegten, betrachtet Religionsführer Khomeini die westliche Lebensführung als Bedrohung. Die Vernichtung des «zionistischen Regimes» ist seither Quasi-Staatsdoktrin, der jüdische Staat ist laut Khomeini ein «Krebsgeschwür». Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah, Irans Stellvertreter-Miliz im Libanon.
August 2002
Iranische Oppositionelle enthüllen, dass die Mullahs geheime Nuklearforschungen betreiben. Der Iran bestreitet, eine Atomwaffe bauen zu wollen: Nuklearwaffen seien «unislamisch». Trotzdem belegt der Westen das Land zunehmend mit Sanktionen. Die Israelis beruhigt das wenig – die Vernichtungsrhetorik gegenüber dem jüdischen Staat bleibt aggressiv. Bei einer öffentlichen Rede sinniert ein hochrangiger iranischer Politiker über die Möglichkeit nach, Israel mit einer Atombombe auszulöschen.
Oktober 2015
Unter Barack Obama kommt es zu einem Paradigmenwechsel in der amerikanischen Iran-Politik. Durch die Unterzeichnung des Iran Nuclear Deals verpflichtet sich das Mullah-Regime, Uran nur zu zivilen Zwecken anzureichern. Auch gestattet der Iran der Internationalen Atomenergie-Kommission (IAEA), Kontrollen bei ihrem Atomprogramm durchzuführen. Im Gegenzug heben die USA und andere Länder ihre wirtschaftlichen Sanktionen auf. Benjamin Netanyahu nannte den Deal schon damals einen «historischen Fehler». Das Abkommen werde den Iran mit Milliarden von Dollar belohnen. «Dieser Geldsegen wird den weltweiten Terrorismus des Irans, seine Aggression in der Region und seine Bemühungen um die Zerstörung Israels finanzieren.»
Mai 2018
Die USA treten unter Donald Trump aus dem Atomvertrag aus und setzen wieder auf harte Sanktionen. Das Abkommen hatte Irans Atomprogramm laut Experten entscheidend gebremst. Gleichzeitig halfen die freigewordenen Gelder dem Regime wohl dabei, seinen Einfluss im Irak und Syrien auszubauen. Trumps Kalkül, das iranische Regime durch Sanktionen zu härteren Konzessionen zu zwingen oder gar kollabieren zu lassen, geht aber nicht auf.
Januar 2020
Trumps harter Iran-Kurs während seiner ersten Amtszeit kulminiert in der Tötung von Qassem Soleimani, einem wichtigen Offizier der iranischen Revolutionsgarde. Wenige Monate später werden die Abraham-Abkommen geschlossen, mit denen diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Israel und Bahrain sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten etabliert werden; später treten ihnen auch der Sudan und Marokko bei. Israel ist in der muslimischen Welt vernetzter denn je, auch viele arabische Länder betrachten den Iran als Bedrohung.
Oktober 2023
Wohl um weitere Annäherungen arabischer Staaten an Israel zu verhindern, überfallen die Hamas – ein Verbündeter des Iran – Israel und initiieren den Gazakrieg. Heute ist klar: Das Massaker markiert den Anfang vom Ende der sogenannten «Achse des Widerstands», also des iranischen Bündnissystems. Weil die libanesische Hisbollah-Miliz die Hamas mit Raketen unterstützt, eliminiert Israel ihre Führungsriege in Rekordgeschwindigkeit; auch die jemenitischen Huthis werden mit Drohnenangriffen geschwächt. Als 2024 das syrische Assad-Regime fällt, steht der Iran zunehmend ohne regionale Partner da.
April 2024
Der kalte Krieg zwischen Israel und dem Iran wird erstmals heiss. Als Israel iranische Revolutionswächter in Syrien ausschaltet, lassen die Mullahs Drohnen und Raketen auf den jüdischen Staat los. Der Angriff ist wenig erfolgreich, mithilfe der USA und Jordanien kann Israel die meisten Geschosse abfangen. Wenige Tage später revanchiert sich Netanyahu mit einem Gegenangriff, weitere Schlagabtausche folgen im Oktober. Dabei gelingt es Israel, grosse Teile der iranischen Luftabwehr-Infrastruktur zu zerstören.
März 2025
Teheran komme der Atombombe nahe, warnt die IAEA in einem neuen Bericht. Die iranische Führung behauptet, Atomkraft lediglich zu zivilen Zwecken anzureichern. Nur: Für Atomkraftwerke würde Uran mit einem fünfprozentigen Anteil des Isotops 235 genügen. Der Iran hat laut IAEA-Bericht sein Uran aber bereits zu 60 Prozent angereichert, ab 90 Prozent gilt es als «waffenfähig». Das Regime kann laut Bericht innerhalb weniger Wochen etwa sieben Atombomben herstellen. Über vollständige Informationen verfügt die IAEA seit Ende des Iran-Deals aber nicht mehr.
April 2025
Trump und sein Sonderbeauftragter Steve Witkoff nehmen neue Atomgespräche mit dem Iran auf. Dass der Republikaner nun auf diplomatische Bemühungen setzt, markiert einen Kurswechsel im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit. Bei Netanyahu kommt dies schlecht an, anscheinend streiten sich die beiden Präsidenten am Telefon. Seine Drohkulisse lässt Trump aber nicht ganz fallen: Dem Iran setzt er ein Ultimatum von 60 Tagen, bis dahin müssen die Verhandlungen erfolgreich sein – «und sonst ...».
Juni 2025
Operation «Rising Lion» beginnt: Israel lanciert in bis dato beispiellosem Ausmass gezielte Luftangriffe gegen iranische Atom- und Militäranlagen, auch hochrangige Offiziere sowie Nuklearphysiker werden getötet. Der Zeitpunkt kommt nach aussen hin überraschend – am 15. Juni hätten weitere Verhandlungen zwischen den USA und dem Mullah-Regime stattgefunden. Netanyahu rechtfertigt die Attacke mit dem iranischen Atomprogramm: «Wir werden nicht zulassen, dass das gefährlichste Regime der Welt die gefährlichste Waffe der Welt erhält.»