Drei von vier Deutschen sind unzufrieden mit der Regierung
Schlimmer als die Ampel – Merz im Rekordtief

Merz taumelt, die AfD triumphiert: Während 75 Prozent der Deutschen ihrer Regierung das Vertrauen entziehen, jagt die rechte Konkurrenz von Umfragehoch zu Umfragehoch. Ausgerechnet Merz, der die AfD kleinhalten wollte, macht sie nun grösser. Doch es gibt einen Ausweg.
Publiziert: 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 20:08 Uhr
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Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ist unter Druck.
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Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Deutschland im Vertrauenscrash! Drei von vier Bürgern sind unzufrieden mit Kanzler Friedrich Merz (69) und seiner schwarz-roten Regierung. Nur 22 Prozent sagen noch: «Ja, das läuft!». Ein historischer Tiefstwert. Zum Vergleich: Selbst die oft verspottete Ampel-Koalition schaffte nach vier Monaten Amtszeit fast doppelt so viel Zustimmung.

Während Merz taumelt, schiesst die AfD auf Rekordwerte – bundesweit dicht hinter der Union, in Sachsen-Anhalt sogar meilenweit vorn. Der Kanzler, der den grossen Aufbruch versprach, steht am Abgrund. Merz muss eine klare Wende hinlegen, um der AfD nicht den Weg zum Triumph zu ebnen. Dafür braucht es jetzt klare Weichenstellungen.

Merz taumelt – AfD im Höhenflug

Die Schwäche der Regierung ist das Futter der AfD – und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil Merz keine Antworten auf die grössten Sorgen liefert – Flüchtlings- und Sozialpolitik. Zweitens, weil sein Versprechen, «Ordnung» zu schaffen, in den Augen vieler Wähler zur Farce geworden ist. Bundesweit liegt die AfD bereits bei 25 Prozent, nur zwei Punkte hinter der Union. In einer Forsa-Umfrage klettert sie sogar auf 26 Prozent – und zieht damit an CDU und CSU vorbei. Ausgerechnet Merz, der sich als Bollwerk gegen Rechts inszenierte, ist der Kanzler, unter dem die AfD so stark wird wie nie.

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Friedrich Merz startet als Kanzler mit grossen Versprechen – doch die Erwartungen platzen schnell.
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Besonders brutal bekommt man die Wahrheit in Sachsen-Anhalt zu Gesicht. Dort erreicht die AfD in Umfragen 39 Prozent, die CDU nur 27. Ein Vorsprung von zwölf Punkten – in einem Bundesland, das lange als Hochburg der Christdemokraten galt. Für viele Bürger gilt: Von Merz und seiner Regierung ist keine Lösung zu erwarten, also geht die Stimme an die AfD. Der Kanzler verliert die politische Deutungshoheit.

Warum die Bürger den Glauben verlieren

Die Bürger selbst zeichnen ein klares Bild: Laut einer Bürgerbefragung des Beamtenbundes halten 73 Prozent den Staat für überfordert. Als grösste Schwachstelle nennen sie die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dahinter folgen soziale Sicherheit und Rente, Schule und Bildung, Steuern und Finanzen, innere Sicherheit sowie das Gesundheitssystem. Besonders im Osten ist das Vertrauen fast komplett erodiert: Nur 17 Prozent trauen dem Staat noch Handlungsfähigkeit zu, im Westen sind es immerhin 24.

Und dann das Bild der Regierung: zerrissen, zerstritten, zahnlos. Nur 18 Prozent der Befragten sind mit dem Umgang von Union und SPD untereinander zufrieden, 77 Prozent dagegen unzufrieden. Statt geschlossen aufzutreten, liefern sich Merz und sein Vize Lars Klingbeil (47) kleine Machtkämpfe.

Genau in diesem Vakuum kann die AfD punkten. Der Mechanismus erinnert fatal an den Dauerstreit der Ampel-Regierung unter Ex-Kanzler Olaf Scholz (67): Am Ende stand eine Koalition, die zerbrach, weil sie kein Vertrauen mehr besass. Scholz scheiterte am Dauerstreit – jetzt droht Friedrich Merz dasselbe Schicksal. Immerhin: Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas haben sich diese Woche nach ihrem hitzigen Streit über den Sozialstaat ausgesprochen, um zumindest einen symbolischen Neuanfang zu signalisieren.

Die AfD profitiert doppelt: Sie inszeniert sich als Alternative und füllt die Lücke, die Merz offen lässt. Während die Regierung über Details streitet, verspricht die AfD einfache Antworten – genau das, was viele frustrierte Wähler hören wollen. Mit jedem Tag, den die Koalition in der Krise verharrt, wächst der Raum für die Rechtspopulisten.

Die letzte Chance für Merz

Doch so düster die Lage auch aussieht, ganz verloren ist sie nicht. Merz hat noch Chancen – aber er muss jetzt liefern. Konkret fordert Deutschland: bei der Migration schnellere Asylverfahren, konsequente Rückführungen und klare Regeln für legale Einwanderung. Bei der inneren Sicherheit erwarten die Bürger sichtbare Veränderungen – mehr Polizeipräsenz, bessere Ausstattung, ein härteres Vorgehen gegen Clan- und Bandenkriminalität. Bei der sozialen Sicherheit muss Merz die Rente stabilisieren und zugleich den Generationenvertrag neu austarieren, damit auch Jüngere wieder Perspektiven haben.

Und er muss seine Koalition endlich disziplinieren: Dauerstreit schwächt jede Regierung, Geschlossenheit dagegen kann Vertrauen zurückbringen – dafür müssen sowohl die Union als auch die SPD ihren Teil beisteuern. Nur so kann Merz verhindern, dass die AfD für noch mehr Leute als letzter Ausweg gesehen wird.

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