Darum gehts
Charmant ist nicht das Wort, mit dem die meisten Deutschen ihren Kanzler bezeichnen würden. Und doch hat Friedrich Merz (69) den amerikanischen Präsidenten bei seinem Besuch im Weissen Haus am Donnerstag richtiggehend ins Schwärmen gebracht.
Das lag weniger an Merz’ Gastgeschenk: das Original der Geburtsurkunde von Donald Trumps (78) in Deutschland geborenem Grossvater (übrigens ebenfalls ein Friedrich). Trump hat seine deutschen Wurzeln lange verneint und stattdessen jahrzehntelang behauptet, seine Vorfahren stammten aus Schweden. Das Geschenk: ein mässiger Erfolg. Merz zog Trump mit anderen Kniffs auf seine Seite.
Wie man mit Amerikanern umgeht, hat der einstige Aufsichtsrat des US-Vermögensverwalters Blackrock «on the job» gelernt. Rund 170 Mal reiste Merz geschäftlich in die USA. «Wer den Amerikanern als Zwerg begegnet, wird als Zwerg behandelt», erklärte der 1,98-Meter-Hüne während des Wahlkampfs. Und klein machte sich Merz bei seinem Trump-Besuch ganz und gar nicht.
Vereint im Hass auf Merkel
Auf dem vermeintlich «heissen Stuhl» vor dem Kamin im Oval Office, wo Wolodimir Selenski (47) und Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (72) jüngst von Trump die Leviten gelesen bekamen, lehnte sich Merz während der gesamten Pressekonferenz entspannt zurück, schlug die Beine übereinander, wirkte grad so wie bei sich zu Hause.
Trump gefiel das. «Ich bin mit niemandem hier befreundet, ausser mit dir», sagte er zu seinem Duzfreund Friedrich. «Ist dein Deutsch auch so gut wie dein Englisch? Das ist fantastisch», lobt Trump den Gast, um nachzuschieben, dass er ein «harter Verhandler» sei: das grösste Kompliment in Trumps Repertoire.
Nichts zu spüren von der Anspannung, die viele im Vorfeld erwartet hatten, weil Trumps Team offen für die Anti-Merz-AfD Werbung gemacht hatte. Keine Schelte wegen vermeintlich zu geringer Verteidigungsausgaben. Kein «tough talk» über die fürs erste pausierten 25-Prozent-Strafzölle, die die deutsche Autoindustrie schwer treffen würden. Nichts als Nettigkeiten. Nur eine Warnung gabs: «Rüstet nicht zu fest auf, das ist nie gut, wenn Deutschland zu fest aufrüstet», witzelte Trump, und tätschelte Merz das Knie.
Was die beiden eint, ist – nebst der Liebe zum Golfen und zum Fliegen – ihre Antipathie für Angela Merkel (70). Trump machte das offen zum Thema. «Ihr habt ja auch ein Problem in Deutschland mit der Migration – nicht wegen dir, wegen ihr», sagte Trump. Während Merkels Besuch im Weissen Haus 2017 verweigerte er ihr vor den Kameras den Handschlag und fragte sie, warum eigentlich auf deutschen Strassen so wenig amerikanische Autos herumfahren. Trump konnte die Ostdeutsche nicht ausstehen.
Wer ist Trumps bester Freund: Friedrich oder Wladimir?
Merz stand lange im Schatten der Fast-Rekord-Kanzlerin (nur Helmut Kohl regierte noch länger: ganze neun Tage). Sie bootete ihn bei wichtigen Ämtern in der Partei aus und grätschte ihm zuletzt im Wahlkampf öffentlich in die Beine wegen seiner harten Einwanderungspolitik. Natürlich nahm Merz – ganz der Diplomat – das Wort «Merkel» im Oval Office nicht selbst in den Mund. Aber er liess Trump viel Raum, sein Merkel-Bashing ohne Unterbruch durchzuziehen.
Hass auf Merkel, Bock auf entspanntes Walten und Schalten an den Hebeln der Macht: Das könnte gut kommen zwischen Merz und Trump. Und vielleicht schafft es ja Merz sogar, einen Keil zwischen den US-Präsidenten und dessen anderen «guten Freund» Wladimir Putin (72) zu treiben. Von dem sprach Trump am Donnerstag ebenfalls in den höchsten Tönen und äusserte erneut Verständnis dafür, dass Putin den ukrainischen Drohnen-Grossangriff von Anfang Woche vergelten werden müsse. «Beide Seiten» seien Schuld am Krieg, sagte Trump. Allenfalls werde er «auch die Ukrainer bestrafen» müssen.
«Vergessen wir nicht, es ist einzig und alleine Russland, das zivile Ziele angreift und Kinder entführt», widersprach Merz seinem Gastgeber. «Die Ukrainer, die machen das nicht. Sie zielen nur auf militärische Ziele», behauptete er. Der Krieg sei nicht das Verschulden der Ukrainer, betonte er.
Ein mutiger Widerspruch. Gute Freundschaften müssen das vertragen. Und: Wahre Freunde hören aufeinander. Jetzt fragt sich nur noch: Wer ist Trumps neuer Best Buddy? Wladimir, oder doch dieser fesche Friedrich, der bei seinem ersten offiziellen Besuch im Weissen Haus alles goldrichtig gemacht hat.