Der Fall wurde bekannt als «Horror von Ruinerwold»: Der Holländer Gerrit Jan D. (69) hielt seine sechs Kinder neun Jahre lang auf seinem Hof gefangen. Komplett isoliert waren sie seinen kruden Sekten-Theorien ausgeliefert: Die Welt draussen sei böse, behauptete der Vater, und sie müssten zusammen auf die Endzeit warten.
Der Fall kam im November 2019 ans Licht. Die Behörden ermittelten – doch viele Fragen blieben offen.
Nun enthüllt die vierteilige Dokumentation «Die Kinder von Ruinerwold» der Filmemacherin Jessica Villerius schockierende Details zum Alltag auf dem Sekten-Hof.
Vier der insgesamt neun Kinder von Gerrit Jan D. kommen zu Wort. Drei von ihnen flüchteten schon vor 2010 vom Hof, sie hielten die Indoktrinationen und Missbräuche des Vaters nicht aus.
«Musste seine Frau spielen»
Edino D. (29) erzählt in der Doku, sein Vater habe ihn sexuell missbraucht, wenn er sich einbildete, der Geist seiner verstorbenen Mutter sei in ihn eingedrungen. Damals war Edino 12 Jahre alt. Manchmal habe er regelrecht die Rolle seiner Mutter spielen und sich mit dem Vater sogar ein Bett teilen müssen. «Ich war nicht mehr Edino, sondern seine Frau. Ich setzte mich neben ihn und schlief neben ihm. Er sah mich in jeder Hinsicht als seine Frau und die Mutter der Kinder. Ich ging auch neben meinem Vater in Frauenkleidern durch die Einkaufsstrasse. Ich hoffte, dass Leute, die mich kannten, es nicht sehen würden», erzählt der Sohn.
Auch seine ältere Schwester Mar Jan soll der Vater sexuell missbraucht haben. Sie möchte in der Doku nicht genauer auf die Übergriffe eingehen.
In Hundehütten gesperrt
Weiter erzählen die Kinder, wie sie zur Strafe in Hundehütten eingesperrt wurden. In der Dokumentation werden alte Videoaufnahmen der Familie gezeigt. Darauf ist auch die Mutter zu sehen, vor ihrem Krebstod 2004: In einer Szene dringt ein Geist in sie ein und Gerrit van D. spricht durch ihren Körper mit ihm.
Sohn Israel D., bisher bekannt als Jan D., lebte noch bis 2019 bei seinem Vater auf dem Hof – im Gegensatz zu seinen älteren Geschwistern, die in der Doku erzählen. Israel war es, der den Fall damals ans Licht brachte. Er floh im November 2019 und betrank sich in einer Dorfkneipe. Dort erzählte er dem Barkeeper, er sei seit neun Jahren nicht mehr draussen gewesen.
Die Polizei stürmte daraufhin den Hof, stiess auf den Vater und fünf weitere Kinder, Israels jüngere Geschwister (damals alle zwischen 18 und 25 Jahren alt). Diese fünf kommen in der Doku-Serie nicht vor. Sie stehen weiterhin hinter dem Vater. Gerrit Jan D. gilt als prozessunfähig, er lebt mittlerweile wieder mit seinen jüngsten Kindern zusammen. (hah)