Immer mehr setzen sich die Puzzleteile um das Rätsel von Ruinerwold zusammen. Mittlerweile sitzen zwei Männer in U-Haft. Sie sollen dafür verantwortlich sein, dass insgesamt fünf Buben und ein Mädchen völlig isoliert von der Aussenwelt auf einem einsamen Bauernhof in Holland aufgewachsen sind.
Am Donnerstag gaben die holländischen Behörden bekannt, dass der 58-jährige Österreicher Josef B. in U-Haft kommt – wegen Verdachts auf Freiheitsentziehung. Am späten Abend folgte die nächste Festnahme. Auch Gerrit-Jan van D., der Vater der Kinder, bleibt in Polizeigewahrsam. Der heute 67-Jährige soll mit seiner Familie seit 2010 hauptsächlich in einer kleinen Kammer auf dem Hof gelebt haben.
Mutter starb vermutlich an Krebs
Nach anfänglichen Zweifeln ist für die Ermittler nun klar: Die Kinder, die mittlerweile zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, wurden gegen ihren Willen auf dem Bauernhof festgehalten. Abgeklärt wird auch, ob «eine besondere Glaubens- oder Lebensgemeinschaft» hinter dem mysteriösen Hof steckt. Gestern berichteten holländische Medien auch über mögliche Verbindung zur südkoreanischen Mun-Sekte.
Im Ort sorgt der Fall noch immer für Fassungslosigkeit. Seit am Sonntagabend der 25-jährige Jan D. eine Kneipe in Ruinerwold betrat und von den unglaublichen Zuständen auf dem Hof seiner Familie erzählte, kommen immer neue Geschichten über den unheimlichen Bauernhof am Dorfrand ans Licht. So auch jene über den Verbleib der Mutter der Familie: Sie soll schon vor rund 15 Jahren an Krebs gestorben sein. Nachbarn berichten gegenüber der «Kronen Zeitung», dass die Frau so gut wie nie habe reden dürfen und immer nur auf den Boden geschaut habe. Dann, von einem Tag auf den anderen, wurde die Mutter nie wieder gesehen. Ihr Mann habe schliesslich einen Zettel an die Tür geheftet mit der Aufschrift: «Meine Frau ist gestorben, fragt nicht nach ihr.»
Josef B. glaubte an Verschwörungstheorien
Mysteriös bleibt auch, wie Josef B. und die Familie auf dem Bauernhof über die Runden kamen. B. arbeitete seit 15 Jahren im Nachbarort Meppeln als freiberuflicher Tischler. Von Arbeitskollegen wird er durchweg als fleissiger Angestellter beschrieben. Doch die Polizei geht nun auch dem Verdacht der Geldwäscherei nach. Auf dem Hof sei gemäss Ermittlern «eine grosse Menge Bargeld» entdeckt worden.
Offenbar versorgten sich die Menschen auf dem Bauernhof weitgehend selber. Dazu passt, dass Josef B. an diverse Verschwörungstheorien glaubte. «Er wollte sich sowohl um sein eigenes Essen als auch um sein eigenes Wasser kümmern, weil er dachte, dass es Chemikalien darin geben könnte», sagt ein langjähriger Geschäftspartner gegenüber der niederländischen Zeitung «De Telegraaf». B. habe zudem an eine Macht geglaubt, welche die Regierungen steuern würde. «Darum hielt er nichts von politischen Wahlen und wollte seinen Bauernhof lieber möglichst autark führen.»
Familie des Familienvaters meldet sich
Zu Wort gemeldet hat sich in der Zwischenzeit auch die Familie von Gerrit-Jan van D. In einer extra für die Medien verfassten Mitteilung schreibt sie über den Familienvater vom Ruinerwold-Bauernhof: «D. brach in den 1980er-Jahren die Verbindungen zu seiner Familie komplett ab. Er hat uns auch geraten, keinen Versuch zu unternehmen, ihn zu finden.»
Gerrit-Jan van D. soll insgesamt neun Kinder haben. Drei von ihnen konnten gemäss der Mitteilung aber zu anderen Familienmitgliedern fliehen, kurz bevor der Vater mit ihren Geschwistern den Kontakt abbrach und untertauchte.