Die zweite Garde will die Welt dominieren
China, Indien und Russland wollen zusammen Weltmacht werden – aber ihr Plan hat einen Haken

Die weltweite Vormacht der USA und Europas soll gebrochen werden. Das ist das Ziel von Staaten wie China, Russland und Indien. Wir sagen, was sie dabei vergessen und wie sich Europa dagegen wehren kann.
Publiziert: 01.09.2025 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2025 um 07:58 Uhr
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Wollen das Weltgefüge verändern (v.l.): Russlands Präsident Wladimir Putin, Chinas Präsident Xi Jinping, Kasachstans Präsident Qassym-Schomart Toqajew und Indiens Premier Narendra Modi.
Foto: IMAGO/SNA

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Der Westen sanktioniert Russland, Nordkorea, den Iran – aber genau diesen Schurkenstaaten rollen China und Indien den roten Teppich aus. Mehr noch: Unter der Führung von China suchen diese Regierungen in verschiedenen Organisationen eine Zusammenarbeit, um eine neue Weltordnung aufzubauen. Beim Gipfeltreffen im chinesischen Tianjin, das am Montag endet, wurde der «Anti-Westen» eingeschworen.

Das tönt für uns bedrohlich. Doch so einfach werden und China und Co. dem Westen nicht den Rang ablaufen. Denn diesen Ländern fehlt etwas Wichtiges.

Der chinesische Präsident Xi Jinping (72) und der russische Präsident Wladimir Putin (72) fordern seit einiger Zeit den Aufbau einer «multipolaren Weltordnung». Sie haben sich dazu in Organisationen wie den Brics-Staaten und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) organisiert.

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Die Chinesen rollten dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong und Kreml-Herrscher Wladimir Putin den roten Teppich aus.
Foto: imago/Russian Look

Trump sorgt für Schub

Die SOZ-Staaten mit den Mitgliedern China, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan, Indien, Pakistan, Iran und Belarus trafen sich am Wochenende in Tianjin zu einem Gipfel. Am Mittwoch werden die Regierungsvertreter der grossen chinesischen Militärparade in Peking beiwohnen, zu der auch der ehemalige Bundesrat Ueli Maurer (74) eingeladen worden ist.

An ihrem Gipfel dürften sie SOZ-Vertreter dankbar Richtung Washington geschaut haben. Denn je mehr US-Präsident Donald Trump (79) mit dem Zollhammer um sich schlägt, desto stärker wird die SOZ. Nachdem Trump Indien für dessen Handel mit Russland mit massiven Strafzöllen von 50 Prozent belegt hat, sucht das Land eine nähere Zusammenarbeit mit China. Zum ersten Mal seit sieben Jahren hat Premierminister Narendra Modi (74) wieder chinesischen Boden betreten.

Doch: So einfach dürfte das Schaffen einer neuen Weltordnung nicht sein. Denn was unter den Begriffen wie SOZ und Brics nach verschworenen Gemeinschaften aussieht, sind in Wirklichkeit zerstrittene Haufen. Beispiele gefällig?

Streit unter den Mitgliedern

China gegen Indien: Die beiden mit je 1,4 Milliarden Einwohnern grössten Länder streiten sich im Himalaya seit Jahrzehnten um den Grenzverlauf. Auch misstraut Indien China wegen der Unterstützung von Indiens Erzrivalen Pakistan. Das demokratische Indien ist zwar stark von China abhängig, will aber den Draht zum Westen nicht verlieren.

China gegen Russland: Die beiden konkurrieren um Einfluss, vor allem in Zentralasien. Moskau wird immer abhängiger von Peking.

Indien gegen Russland: Indien bezieht Militärtechnik aus Russland, betrachtet Moskau aber gleichzeitig als weniger verlässlichen Partner als den Westen.

Iran: Die Unterschiede in Ideologie und Religion werden die Mullahs zu andern Regierungen immer auf Distanz halten.

Der Kitt, der die Organisationen zusammenhalten soll, ist sehr schwach. Klemens Fischer, Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität Köln sowie 30 Jahre als Diplomat tätig, sagt gegenüber Blick: «Es sind der gemeinsame Feind und die gemeinsamen wirtschaftspolitischen Ziele, die diese Staaten zusammenhalten.» Eine formale Führungseinheit, geschweige denn ein militärischer Arm, seien nicht zu erwarten. «Dazu sind die Mitglieder von SOZ und Brics zu unterschiedlich.»

Der Westen muss taktieren

Einige Länder wie China, Russland und Indien würden diese Organisationen auch als aussenpolitisches Instrument verwenden. «Dabei müssen sie aber sehr genau darauf achten, keine Dominanz auszuüben, um keine Fliehkräfte zu provozieren.» Mit andern Worten: Reissen die grossen Länder zu viel Macht an sich, dürften sich andere Mitglieder entfernen.

Für den Westen gilt: nicht in Panik verfallen. Dass die neuen Projektgemeinschaften keine ideologische Abstimmung hätten, sondern vor allem auf gemeinsamen Feindbildern basierten, sei deren Schwäche.

Nun brauche es für Europa Flexibilität und ein kluges taktisches Vorgehen. Fischer erklärt: «Gelingt es, diesen gemeinsamen Feindkanon und die gemeinsamen ökonomischen Interessen durch bessere Angebote aufzubrechen, haben derartige Bewegungen keinen langen Bestand.»

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