Die Gefahr lauert in der Hosentasche
Smartphones sind ein Sicherheitsrisiko für Frauenhäuser

In Zeiten globaler Vernetzung sind Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, selbst in Frauenhäusern nie ganz sicher, wie ein Fall aus Deutschland zeigt. Neue Technologien ermöglichen Tätern, ihre Opfer digital zu terrorisieren und aufzuspüren.
Publiziert: 15.02.2023 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2023 um 10:36 Uhr
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Die neuen Technologien bereiten gewaltbetroffenen Frauen und Frauenhäusern in der Schweiz grosse Probleme. Gewalttätige Männer können ihre Opfer über digitale Spuren mit simplen Tricks ausfindig machen.
Foto: Keystone
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Sebastian BabicReporter Blick

Ein tragischer Mordfall in Deutschland zeigt, wie leicht gewalttätige Ex-Partner ihre Opfer digital aufspüren können. So berichtet der «Südkurier» über eine Bluttat, die sich im vergangenen Oktober in Norddeutschland ereignet hat. Nach einer Reihe häuslicher Gewalttaten flüchtet eine Frau vor ihrem Ehemann im September 2022 aus ihrer sächsischen Heimat rund 600 Kilometer weit in ein Frauenhaus in der süddeutschen Stadt Singen. Schnell macht sie ihr gewalttätiger Mann an der Grenze zur Schweiz ausfindig. Die Leitung des Singener Frauenhauses brachte die Frau ins 1000 Kilometer entfernte Bundesland Schleswig-Holstein. Wenige Wochen später ist die Frau tot. Ermordet von ihrem Ehemann durch einen Kopfschuss auf offener Strasse, vor den Augen ihres Sohnes.

Doch wie konnte der Täter sein Opfer trotz der geografischen Distanz und der zahlreichen Sicherheitsmassnahmen aufspüren? Die Recherche des «Südkuriers» legt nahe, dass die Frau von ihrem Ehemann digital überwacht wurde. Auch in Schweizer Frauenhäusern führen die neuen Technologien immer wieder zu Problemen.

Schweizer Frauenhäuser ebenfalls betroffen

Marlies Haller, Vorstandsmitglied der Dachorganisation der Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein (DOA), bestätigt, dass jegliche digitale Kommunikation für gewaltbetroffene Frauen ein Risiko darstellt. «Bevor eine Frau in ein Frauenhaus kommt, beraten wir sie. Wichtig ist, die Ortung auf dem Smartphone und auf Apps zu verunmöglichen», so Haller. Zudem sei es wichtig, vorsichtig mit Posts in den sozialen Medien umzugehen und seine Mail-Adressen und Passwörter zu ändern.

Man müsse bereits bei der ersten Kontaktaufnahme mit betroffenen Frauen vorsichtig sein. «Wir rufen jeweils anonym bei den Frauen an, die sich an uns wenden, und beraten sie. Ein einfacher Google-Suchverlauf kann schon zu einer Eskalation häuslicher Gewalt führen, wenn der Mann feststellt, dass seine Frau Begriffe wie ‹Frauenhaus› googelt», sagt Haller.

Im Alltag sei es aber oft schwierig, diese Empfehlungen umzusetzen. Zudem gebe es noch perfidere Wege, an die Standortdaten eines potenziellen Opfers heranzukommen: «Mit GPS-Trackern ist es einfach, den Standort einer gewaltbetroffenen Frau oder eines Kindes zu ermitteln.» Man schule die Mitarbeitenden zwar in diesem Bereich, hinke aber der rapiden Entwicklung hinterher.

Die Gefahr lauert in der Hosentasche

Auch der Zürcher Kantonspolizei ist dieses Phänomen bekannt, wie Sprecher Florian Frei auf Blick-Nachfrage sagt: «Bei den Frauenhäusern und der Polizei ist das Thema präsent. Jedes Mal, wenn man im Internet surft, hinterlässt man digitale Spuren. Das Smartphone ist in diesem Kontext der wohl grösste Gefahrenherd. Wir tragen es täglich bei uns.» Dabei sei man sich selten bewusst, welche Informationen gesammelt und verbreitet würden. «In so einer Situation empfiehlt es sich, einen bewussten Umgang mit Apps und sozialen Netzwerken zu pflegen. Im schlimmsten Fall sollte man das Mobiltelefon und alle Passwörter wechseln», so der Polizeisprecher. Doch selbst diese Massnahmen garantieren keine absolute Sicherheit. «Auch Tracking-Hardware, die GPS-Daten sendet, stellt für Betroffene eine Gefahr dar, da sie problemlos und unauffällig versteckt werden kann», so der Polizeisprecher.

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