Darum gehts
Nach nur sieben Monaten im Amt hat Donald Trump (79) die USA fest im Griff. Oder muss man sagen, Würgegriff? Und nicht nur die US-Amerikaner erleben zurzeit eine der weitreichendsten Machtdemonstrationen eines einzelnen Menschen, auch ein grosser Teil der Welt muss wegen der Abhängigkeit von den USA nach Trumps Pfeife tanzen.
Er bestraft die halbe Welt in alleiniger Kompetenz mit massiven Strafzöllen, er schickt gegen den Willen der lokalen Behörden die Nationalgarde in die Bundesstaaten, und er droht kritisch berichtenden TV-Stationen mit dem Entzug der Lizenz. Jetzt hält ihn nur noch etwas vom letzten Schritt zum Diktator ab.
Trump hatte schon vor Amtsantritt vorgesorgt: Er hatte Tausende loyale Personen ausgewählt, mit denen er in der Verwaltung umgehend das Biden-Personal ersetzte. Er selber setzte seine Marke am ersten Amtstag mit der Unterschrift unter 78 Dekrete.
Diese Form von Entscheidungen ermöglicht es einem US-Präsidenten, am Kongress und auch an der eigenen Partei vorbeizuregieren. Trumps früherer Berater Steve Bannon (71) beschrieb diese Taktik so: «Alles, was wir tun müssen, ist: den Raum überfluten, jeden Tag.»
Alles beginnt mit der Meinungsfreiheit
Aus der Geschichte lässt sich ein Schema bei der Umwandlung einer Demokratie in eine Diktatur ablesen: Der Angriff beginnt immer mit der Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit, mit Schuldzuweisungen an Minderheiten und Migranten sowie der Errichtung von Feindbildern und der Dämonisierung von Bildungseinrichtungen wie Universitäten.
«Das alles finden wir bei Trump!», meint Klemens Fischer, Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität Köln. In der ersten Amtszeit seien die Angriffe noch unkoordiniert erfolgt, jetzt aber laufe alles zusammenhängend ab und erziele damit mehr Wirkung.
«Teilweise missbraucht Trump sein Amt, um eine persönliche Agenda zu fahren», sagt Fischer. Beispiel: Trump droht Brasilien mit Sanktionen, um so ein Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro (70), den «Tropen-Trump», wegen Putschversuchs zu stoppen. Er bezeichnet die Ermittlungen gegen seinen Kumpel als «Hexenjagd» und als «politisch motivierte Verfolgung».
Was hat Trump davon?
Trump versucht laut Fischer mit «allen Mitteln, die Grenzen der Macht des Präsidentenamtes auszuloten». Es sind Grenzen, die nur der Oberste Gerichtshof als letzte Instanz festlegen kann und die auch durch die Gewaltenteilung, der Checks and Balances, gesichert werden.
Trumps Regierungsstil mutet laut Fischer aus europäischer Sicht zwar nahezu autokratisch an und scheint diktatorische Züge anzunehmen. «Solange er sich aber an die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs hält, ist die Demokratie gewahrt.»
«Ich bin kein Diktator»
Trump, der sich gut mit Machthabern wie Wladimir Putin (72) und Kim Jong Un (41) versteht, scheinen Diktatoren-Vergleiche zu schmeicheln. Er selber spielt gerne mit dem Ausdruck. Schon nach der Wahl im vergangenen Jahr hatte er in Aussicht gestellt, am ersten Amtstag «Diktator» zu spielen, was er mit der Unterzeichnung der vielen Dekrete auch gemacht hat. Diese Woche hat er wieder damit kokettiert, dass die Amerikaner vielleicht einen «Diktator» an der Spitze des Landes mögen.
Trump beteuert aber, dass man sich nicht zu sorgen brauche: «Ich mag keine Diktatoren. Ich bin kein Diktator. Ich bin ein Mann mit grossartigem Menschenverstand und ein schlauer Mensch.»
Das tönt doch sehr ähnlich wie bei jenem Mann, der sich selber nicht als Diktator bezeichnet, sondern sich ein «militärisches Genie» rühmt: Es ist der nordkoreanische Herrscher Kim Jong Un.