Aus Kinderheim in Cherson entführt
Hat Putin-Freund ein ukrainisches Baby «adoptiert»?

Ein wichtiger politischer Verbündeter von Wladimir Putin soll ein zehn Monate altes Baby adoptiert haben, das aus einem ukrainischen Kinderheim entführt wurde.
Publiziert: 24.11.2023 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2023 um 09:58 Uhr
Die heute zweijährige Margarita wurde 2022 aus der Ukraine nach Russland entführt.
Foto: Screenshot BBC
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Die kleine Margarita Prokopenko (2) war erst zehn Monate alt, als sie aus der Ukraine entführt wurde. Das Mädchen wurde nach Russland verschleppt und zur «Adoption» freigegeben, wie Tausende andere Kinder seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Lange Zeit wusste niemand, wo das kleine Mädchen steckt.

Neuste Recherchen der BBC zeigen jetzt: Ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin (71) ist offenbar eng in die «Adoption» von Margarita verwickelt. So steht auf der Adoptionsurkunde von Margarita ein prominenter Name: Sergej Mironow, der 70-jährige Vorsitzende der russischen politischen Partei «Gerechtes Russland», wird in Margaritas Adoptionsurkunde aufgeführt. Mironow ist mit der Frau verheiratet, die Margarita 2022 offiziell adoptiert hat.

Mutter gab Sorgerecht für kleine Tochter auf

Die heute Zweijährige war unter den 48 Kindern, die aus einem Kinderheim in Cherson verschwanden. Die BBC arbeitete mit der ukrainischen Menschenrechtsforscherin Viktoria Nowikowa zusammen, um herauszufinden, was mit Margarita und den anderen Kindern geschehen ist.

Laut Nachforschungen von Nowikowa hat Margaritas Mutter kurz nach ihrer Geburt das Sorgerecht für ihre kleine Tochter aufgegeben – sie wurde im Kinderheim von Cherson untergebracht. Wegen einer Bronchitis war das Kind im Sommer 2022 im Spital in Behandlung bei der Kinderärztin Natalja Ljutikowa.

Mysteriöse Rolle von Frau in lila Kleid

Das Rätsel über ihren Verbleib begann laut Ljutikowa, als eine Frau in einem lilafarbenen Kleid für einen kurzen Besuch in Spital auftauchte. Sie habe sich als die «Leiterin der Kinderabteilung» in Moskau vorgestellt. Cherson befand sich damals unter russischer Besetzung.

Kurz nachdem die Frau wieder gegangen war, erhielt Ljutikowa nach eigenen Angaben wiederholt Anrufe von einer Beamtin, die kürzlich mit der Leitung des Kinderheims betraut worden war. Ljutikowa wurde angewiesen, Margarita auf eine «Reise» vorzubereiten – dann kreuzten russische Soldaten mit schwarzen Sonnenbrillen auf und nahmen Margarita mit. «Es war wie in einem Film», berichtete eine Krankenschwester der BBC.

Ermittlerin Nowikowa entdeckte später ein Dokument, wonach das Mädchen für medizinische Tests in ein Moskauer Spital überstellt wurde. Auf dem Papier wurde auch eine Frau namens Inna Warlamowa genannt. Von der Ärztin wurde sie als die mysteriöse Frau im lila Kleid identifiziert, die im Kinderheim in Cherson aufgetaucht war. Verheiratet ist Warlamowa mit Mironow. Wie das russische Investigativ-Portal «Important Stories» berichtet, wurde Margarita im Dezember 2022 von Mironow und Warlamowa adoptiert, in Marina Mironowa umbenannt und erhielt die russische Staatsbürgerschaft.

«Falsche Hysterie von Ukrainern»

Mironow selbst nannte den Bericht einen Fake. «Ich sehe keinen Sinn darin, auf eine weitere falsche Hysterie zu reagieren, die von den ukrainischen Sicherheitsdiensten und ihren westlichen Handlangern entfesselt wird», sagt er zu «RTVI».

Es wird vermutet, dass Russland mindestens rund 20'000 ukrainische Kinder systematisch verschleppt hat. Anfang dieses Jahres erliess der internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen Präsident Putin und seine Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, wegen der mutmasslichen illegalen Deportation ukrainischer Kinder in die von Russland kontrollierten Gebiete, mit der Absicht, sie dauerhaft aus ihrem eigenen Land zu entfernen.

Die russische Regierung deportiert nach eigenen Angaben keine ukrainischen Kinder, sondern evakuiert sie, um sie vor dem Krieg zu schützen. (ene/man)

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