Darum gehts
- Israel greift Hamas-Führung in Doha an. Mehrere hochrangige Mitglieder angeblich getötet
- Angriff könnte Verhandlungen um Waffenruhe und Geiselfreilassung erschweren
- Mindestens sechs Menschen starben bei Terror-Anschlag in Nordjerusalem am Montag
Mehrere Explosionen, dichte Rauchschwaden und ein zerstörtes Gebäude: Am Dienstag hat Israel mitten in der katarischen Hauptstadt Doha einen Angriff geflogen. Es ist der erste Angriff auf den Golfstaat Katar seit dessen Unabhängigkeit vor mehr als 50 Jahren. Das Ziel: hochrangige Hamas-Leute, die dort untergebracht waren und nun tot sein könnten. Darunter Khalil al-Hayya (64), Chef-Unterhändler der Gaza-Hamas bei den Verhandlungen mit Israel. Gemäss Berichten soll er jedoch überlebt haben.
Dessen Sohn Humam al-Hayya und der Bürochef Jihad Labid sowie mehrere Einheimische könnten dagegen unter den Verstorbenen sein. Die Hamas bestreitet in einer ersten Erklärung, dass Personen aus der Führungsriege der Terror-Organisation getötet worden seien.
Für Nahost-Experte Reinhard Schulze steht fest: Israel löst mit diesen Angriffen ein Versprechen ein. Mehrfach hatte die israelische Regierung erklärt, die Hamas-Führung für den Terror vom 7. Oktober 2023 zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Schulze erklärt gegenüber Blick: «Die Auslands-Hamas ist nun endgültig ins Visier der israelischen Armee geraten – unabhängig davon, wo sich die Kader gerade aufhalten, ob etwa in Doha, Beirut, Ankara und Istanbul.»
Kein direkter Ansprechpartner mehr
Ziel des Raketenangriffs war ein Gebäude, in dem sich Mitglieder des vorläufigen Komitees des Hamas-Politbüros aufhielten. Das Gremium wurde im Oktober 2024 nach dem Tod von Hamas-Chef Yahya al-Sinwar (1962-2024) gegründet. «Khalil al-Hayya gilt als Vertreter der Gaza-Hamas in diesem Gremium und wohl auch als deren Sprecher», erklärt Schulze. «Er hatte die Verhandlungsfäden in der Hand.»
Zu al-Hayyas Hintergrund: Der 64-Jährige gilt laut Schulze als einer der Chefplaner für den Terror vom 7. Oktober 2023 und vor allem als derjenige, der die Annäherung der Hamas an den Iran mitzuverantworten hatte.
Mit dem Angriff könnten sich die aktuellen Verhandlungen schwieriger gestalten. Da al-Hayya aber auch als Leitfigur der Hamas in den Verhandlungen um eine Freilassung der Geiseln und eine Waffenruhe gelte, drohe nun eine Situation, in der Verhandlungen noch schwieriger werden.
Seit Monaten kommen die Verhandlungen um eine Waffenruhe nicht voran. Israels Regierung beabsichtigt unterdessen, die Stadt Gaza militärisch vollständig einzunehmen. US-Präsident Donald Trump (79) sprach gar eine «letzte Warnung» an die Hamas aus, um eine diplomatische Lösung zu erzwingen.
Terror-Anschlag als Auslöser?
Israel betonte am Dienstag, dass die Angriffe unabhängig von den USA erfolgten. «Gewiss hat Israel die Zustimmung der USA eingeholt, der Angriff dürfte jedoch nicht in einem sachlogischen Zusammenhang mit dem Ultimatum Trumps gestanden haben», so Schulze. «Es sei denn, man sah jetzt den Zeitpunkt gekommen, den Verhandlungsfaden endgültig zu zerschneiden.»
Als möglichen Auslöser verweist der Nahost-Experte auf einen aktuelleren Vorfall: den Terror-Anschlag in Nordjerusalem. Am Montag schossen zwei bewaffnete Täter an einer Bushaltestelle auf Menschen. Mindestens sechs Menschen starben. «Nicht wenige Beobachter in Israel befürchten, dass der Verhandlungswille in der Regierung Netanjahu nach den gestrigen Morden ganz erloschen ist», erklärt Schulze.
Israel bestätigte den Angriff vom Dienstag in Doha seinerseits und erklärte im gleichen Atemzug, dass Schritte unternommen worden seien, um Unbeteiligte nicht zu gefährden. Katar selbst kritisierte die Angriffe scharf. Der Golfstaat ist ein zentraler Vermittler im Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Doch seine Rolle ist komplex und teils umstritten – auch weil der Kleinstaat die Hamas lange unterstützte, so etwa finanziell.
Laut Schulze fand hier jedoch ein Wandel statt: «Katar hatte sich nach Jahren direkter Hilfen für die Hamas im letzten Jahr immer weiter von der Hamas distanziert und noch vor wenigen Wochen gemeinsam mit anderen arabischen Staaten gefordert, dass die Hamas in Gaza die Waffen niederlegen und alle Geiseln freilassen solle.»
Der Experte rechnet nicht damit, dass die Lage im Nahen Osten nach den Doha-Angriffen eskaliert. Viele arabische Länder werden seiner Meinung nach mit «zurückhaltender Kritik» reagieren – wenn überhaupt. Auch ein Rachezug Katars sei ausgeschlossen. «Katar hat keine offensiven militärischen Optionen.» Denn: «Katar kann militärisch nicht reagieren und muss eingestehen, dass das Land Raketenangriffen schutzlos ausgeliefert ist.»