Amerika droht Wahlzoff, wochenlange Auszählung – und Bürgerkrieg
... und wenn er nicht geht?

Den USA könnte ein beispielloses Wahlchaos bevorstehen. Das würde auch Bern vor ein Dilemma stellen.
Publiziert: 01.11.2020 um 16:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2020 um 16:36 Uhr
Ein Erdrutschsieg für Joe Biden könnte eine wochenlange Hängepartie verhindern.
Foto: AFP
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Fabienne Kinzelmann

Die USA stehen vor einer Schicksalswahl. Mehr als ein Dutzend Szenarien sind rund um die Präsidentschaftswahl von übermorgen Dienstag möglich. Drei sind wahrscheinlich:

  1. Ein Erdrutschsieg für Joe Biden
  2. Ein (eher knapper) Sieg für Donald Trump
  3. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen

Letzteres ist das Horrorszenario. Der ältesten Demokratie der Welt droht eine wochenlange Hängepartie und eine beispiellose Verfassungskrise. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn es zu einer erheblichen Verzögerung bei der Auszählung der Briefwahlstimmen käme. Das könnte sogar dazu führen, dass aus politisch gespaltenen Bundesstaaten zwei Wahlzertifikate nach Washington geschickt würden – eines für Trump und eines für Biden.

Der grösste Unsicherheitsfaktor aber ist: Donald Trump. Was, wenn er nicht freiwillig geht? Lehnt er das Wahlergebnis ab, gibt es keine Möglichkeit, die Krise gütlich zu lösen.

Amerikaner haben kein Vertrauen mehr in faire Wahlen

«Die Verfassung setzt eine friedliche Amtsübergabe voraus. Aber die Verfassung funktioniert nur, wenn alle an sie glauben und grundlegenden ungeschriebenen Normen folgen», sagt die amerikanische Juristin Alexandra Dufresne. «Zum ersten Mal haben wir einen Präsidenten, der nicht nach den Regeln spielt. Wir wissen schlicht nicht, wie er reagieren wird.»

Weder der US-Präsident noch sein Vize Mike Pence haben bisher zugesagt, eine Niederlage einzugestehen. Am Montag sagte Trump in Pennsylvania: Er könne überhaupt nur durch «massiven Wahlbetrug» verlieren. Seit Monaten sät er Zweifel am Wahlprozess. Nicht mal mehr einer von fünf Amerikanern glaubt, dass die Wahl fair und korrekt ablaufen wird.

Fox News und bewaffnete Trump-Fans mischen mit

Bei der US-Wahl bestehen zig systematische Probleme. Es gibt etwa keine zentrale Wahlleitung, bei der die Ergebnisse der 50 Bundesstaaten zusammenlaufen. Seit 1848 ist die Nachrichtenagentur AP für die Verkündung des Siegers zuständig. In diesem Jahr jedoch könnten rechte Medien wie Fox News mitmischen. Sie könnten vorauseilen und Trump zum Sieger erklären. «Das könnte eine Dynamik erzeugen, dass Trumps Unterstützer denken, das sei das wahre Ergebnis», sagt der US-Politologe Rogers Smith.

Gewalteskalationen durch rechte Milizen sind kein abstraktes Gedankenspiel. Bewaffnete Trump-Fans bringen sich seit Monaten in Stellung. Etwa 300 Gruppen und rund 15'000 bis 20'000 Gewaltbereite gibt es. Droht gar ein Bürgerkrieg?

Was macht die Schweiz?

Ein Wahlchaos mit unabsehbaren Folgen stellt auch Europa und die Schweiz vor ein Dilemma. Bern bereitet sich auf verschiedene Szenarien vor, analysiert Anknüpfungspunkte mit der künftigen Regierung.

Gewinnt Trump, kann Bern davon ausgehen, dass die US-Politik in Bezug auf die Schweiz weitergeht. In der Ära Trump waren die Türen zum Weissen Haus weit geöffnet. Das blieb in der Sache zwar ergebnislos, aber im Umgang tendenziell freundlich.

Gewinnt Biden, hat Bern trotz der Erfahrungen aus der Obama-Zeit einen grösseren Analysebedarf. Gibt es heikle Punkte? Wer füllt die für die Schweiz wichtigen Positionen – etwa im Handelsministerium oder in Sachen Iran? Drohen Regulierungen?

Wahlchaos ist auch schwierig für Europa

Das alles sind standardisierte Abläufe. Problematischer ist: Wann und an wen schickt die Schweiz angesichts des drohenden Wahlchaos das obligatorische Glückwunschtelegramm? «Die Schweizer Botschaft in Washington und der Hauptsitz des Aussendepartements verfolgen die US-Präsidentschaftswahlen und den laufenden Wahlkampf aufmerksam», gibt sich Bundesbern zugeknöpft.

In Brüssel fürchtet man, dass autoritäre Staats- und Regierungschefs wie etwa Ungarns Viktor Orban (57) Trump euphorisch und vorschnell zum Sieg gratulieren könnten. Das könnte zu grösseren Verwerfungen führen. Innerhalb Europas und im Verhältnis Europas mit den USA.

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US-Wahlen 2020

Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.

Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.

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