18 Monate für Söldner
Avi Motolas Schuldspruch sendet politisches Signal an die Ukraine

Das Militärgericht sieht es als erwiesen an, dass der Schaffhauser Avi Motola in der ukrainischen Armee Militärdienst geleistet und sich damit strafbar gemacht hat – trotz der Zweifel-Strategie seiner Anwältin. Das Urteil dürfte für Wirbel sorgen.
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Avi Motola gab in verschiedenen Zeitungsartikeln zu Protokoll, er habe an der Front als Scharfschütze gekämpft und sei am Anfang des Krieges unter anderem bei der Evakuierung der Stadt Irpin dabei gewesen.

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Die meisten europäischen Länder feiern ihre Staatsbürger, wenn sie der Ukraine als Söldner zu Hilfe eilen. Die Schweiz verurteilt sie. Der Schaffhauser Avi Motola (49) ist der erste Ukraine-Kämpfer, dem die hiesige Militärjustiz den Prozess gemacht hat. Am Donnerstagnachmittag wurde er schuldig gesprochen und zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Der Entscheid hat nicht nur für den mehrfach vorbestraften Motola Konsequenzen. Auch politisch dürfte der Schuldspruch Wellen werfen.

Motola selbst blieb der Verhandlung vor dem Gericht in Meilen fern. Wo er sich genau aufhält, weiss nicht einmal seine Mutter. Anita G.* (74), der Motola 2019 fast das gesamte Pensionskassengeld gestohlen hatte, telefonierte noch am Vorabend mit ihrem Sohn. «Er sagte mir nicht, wo er ist, aber hundertprozentig nicht in der Schweiz», erklärte die als Zeugin geladene Schaffhauserin.

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Der Schweizer Avi Motola (zweiter von rechts) behauptet, in der Ukraine als Scharfschütze gekämpft zu haben.

Die 74-Jährige arbeitet noch heute bei der Spitex – unter anderem wegen der finanziellen Schwierigkeiten, in die sie nach der Entwendung ihrer Pensionskasse geraten ist. Groll verspürt sie dennoch keinen für ihren Sohn: «Mütter verzeihen halt manchmal vielleicht etwas zu viel.» Ihr Sohn werde diesen Monat 50. «Ich kann ihn nicht ändern. Ich habe keine Erwartungen mehr an ihn.»

Motola bleibt ein freier Mann

Für Motola hat der Schuldspruch, gegen den er binnen fünf Tagen Beschwerde einreichen könnte, keine direkten Konsequenzen. Die Strafe wird aufgeschoben, die Probezeit auf vier Jahre festgesetzt. Sprich: Solange Motola bis Ende 2029 nicht erneut für die Ukraine oder eine andere ausländische Armee kämpft, bleibt er ein freier Mann.

Motolas Anwältin hatte dafür plädiert, ihren Mandanten wegen der fehlenden Beweise freizusprechen. Wie viel Freude der redefreudige Motola daran hatte, dass ihn seine eigene Verteidigerin in schöner Juristensprache als Heuchler und Selbstdarsteller bezeichnete, konnte Blick leider nicht in Erfahrung bringen.

Klar ist: Das Gericht stieg nicht auf das Argument der Verteidigung ein, Motola könne aufgrund der fehlenden konkreten Beweise keine konkrete Kampfhandlung, ja nicht einmal eine klare Zuordnung zu einer bestimmten Einheit der ukrainischen Armee nachgewiesen werden. Instagram-Bilder und Zeitungsartikel seien keine belastbaren Beweise, argumentierte Anwältin Sarah Schläppi. Sogar Motolas Mutter sage ja: «Ich streiche 80 Prozent von dem, was ich von ihm höre.» Aufschneidertum ist nicht löblich, aber eben auch nicht strafbar.

Stirnrunzeln in Kiew

Richter Bernhard Isenring und sein Team aber befanden, die von Motola gemachten Aussagen insbesondere in einem Fernsehbeitrag der SRF-Rundschau über seine Einsätze als Scharfschütze an der Front würden seinen Militärdienst ausreichen belegen.

Mit dem Urteil hat die Schweiz ihren ersten schuldigen Ukraine-Söldner. Politisch dürfte das Urteil mindestens im Ausland für ziemlichen Wirbel sorgen. Dass die Schweiz gerade in diesem Moment ihre Ukraine-Kämpfer ins Visier nimmt, in dem die Ukraine militärisch unter massivem Druck steht und auf dem diplomatischen Parkett zu unangenehmen Eingeständnissen (Abgabe des Donbass) gedrängt wird, dürfte man in Kiew stirnrunzelnd zur Kenntnis nehmen.

Präsident Wolodimir Selenski (47) selbst war es, der zu Beginn des Krieges kampffähige Ausländer dazu aufgerufen hatte, in die Ukraine zu kommen und seinem Land beim Abwehrkampf gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner zu Hilfe zu eilen.

Die Bitte des Richters an Motola

Motola – so eindrücklich sein langes Vorstrafenregister auch ist und so sehr er auch übertreiben mag – hat genau das getan. «Das Einzige, was ich gut kann, ist kämpfen», sagte er kürzlich zu einem Journalisten von CH Media. Mindestens vier Jahre lang darf er das nicht mehr tun, wenn er in Freiheit bleiben will.

Ihm bleibt – so der jüngste Stand der Kenntnis – sein schlecht bezahlter Job bei einem Zügelunternehmen in Israel und wohl auch das schlechte Gewissen über den Diebstahl an seiner eigenen Mutter. Gerichtspräsident Bernhard Isenring schloss die Verhandlung mit der Bitte, Avi Motola möge seiner Mutter das entwendete Geld doch bitte zurücküberweisen. Ob er dazu in der Lage ist: Auch daran – wie an vielem in dieser Geschichte – bleiben erhebliche Zweifel.

* Name bekannt 

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