100 Kilometer nördlich von Kiew droht sich neue Front zu bilden
Russland massiert Truppen in Belarus

Russland zieht Tausende von Truppen in seinem westlichen Bündnisland Belarus zusammen. Moskau eröffnet damit möglicherweise eine neue Front, um militärische Nachschubrouten aus dem Westen zu unterbrechen. Kiew liegt nur 100 Kilometer von dieser Front entfernt.
Publiziert: 23.10.2022 um 01:33 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2022 um 08:19 Uhr

Als Russland im Februar Truppen entlang der ukrainischen Grenze massierte, nahmen viele die Kriegsdrohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) nicht ernst. Putin aber liess auf Drohungen Taten folgen. Schon in den ersten Stunden der Invasion am 24. Februar zeichnete sich der Fall von Kiew ab, das knapp 400 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt. Putins Generäle mussten jedoch bald zum Rückzug blasen – und konzentrierten sich anstelle auf die Eroberung des Landes von Osten her. Auch dieser Vormarsch stockt. Setzt Putin daher auf eine neue Front in Belarus?

Mit der Einbindung von Belarus ins Kriegsgeschehen rückt jetzt Kiew wieder ins Visier der Russen, wie Militärstrategen spekulieren. Am Donnerstag sagte der ukrainische Brigadegeneral Oleksiy Gromov in einem Pressebriefing: «Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Offensive an der Nordfront durch die russischen Streitkräfte nimmt zu.» Die Nordfront, das ist die Grenze zu Belarus.

Kiew liegt bloss 100 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. Und Belarus unter Diktator Alexander Lukaschenko (68), das ist Putins treuester militärischer und politischer Verbündeter. Belarus diente Putin bereits im Februar als Aufmarschgebiet für seine brutale Invasion. Diesen Monat haben Putin und Lukaschenko ihren Militärpakt neu beschwört. Seither bauen die Russen eine Truppenpräsenz in Belarus auf, in Reichweite zu Kiew. Befürchtungen wachsen, dass der durch Rückschläge auf dem Schlachtfeld gedemütigte Putin die Eröffnung einer neuen Nordfront plant.

Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko bei einer Waffeninspektion diese Woche
Foto: KEYSTONE
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Kiew erwartet neue Offensive

Laut Minsk habe Moskau schon 9000 Mann in Belarus stationiert. Westliche Bündnispartner sprechen von bereits 10'000 im Land stationierten russischen Soldaten. Am Montag kündigte Lukaschenko dazu an, dass er und Putin eine neue Streitmacht mit 70'000 belarussischen Soldaten und bis zu 15'000 Russen bilden werden. Moskau schicke dazu rund 170 Kampfpanzer, 200 gepanzerte Truppentransporter, Artillerie sowie Flugzeuge.

Brigadegeneral Gromov, der stellvertretende Generalstabschef der Ukraine, befürchtet daher eine russische Offensive «westlich der belarussischen Grenze, um die wichtigsten logistischen Arterien für die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung an die Ukraine» aus Ländern wie Rumänien und Polen zu unterbrechen.

Pentagon: Keine Hinweise auf mögliche Militäraktion an Nordfront

Laut Vadym Skibitsky, dem Vizevorsitzenden des ukrainischen Militärgeheimdienstes, sind mittlerweile auch mehrere Tausend neu mobilisierte russische Soldaten in Belarus auf Übungsplätzen stationiert. Sie seien aber nicht von Panzern, Artillerie und anderer logistischer Unterstützung begleitet, die sie benötigen würden, um in die Ukraine einzumarschieren und sich den kampferprobten Truppen der Ukraine zu stellen.

Auch Pentagon-Sprecher Patrick S. Ryder spielte die Gefahr von einer neuen russischen Invasion von Belarus aus herunter. «Wir haben derzeit keine Hinweise auf eine mögliche bevorstehende Militäraktion an dieser Front», sagte Ryder bei einem Briefing am Donnerstag.

Ähnlich klangen Einschätzungen vor Russlands Invasion im Februar. Putin nahm sich die Zeit, die er brauchte. (kes)

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