Darum gehts
- Abstimmung über Kauf der Bergbahnen der Weissen Arena geht in den Showdown
- Einheimische erhalten stark vergünstigte Jahresabos für die Bergbahnen
- 3000 Einheimischen-Abos jährlich im Umlauf
Die Bevölkerung von Films, Laax und Falera stimmt ab heute Donnerstag ab, ob sie Bergbahnbesitzerin werden möchte. Die drei Bündner Gemeinden wollen mit dem Millionen-Deal fremde Herrscher am Berg verhindern. Der Kauf der Bahnanlagen und Lifte der Weissen Arena Bergbahnen AG soll ein langfristiges Mitspracherecht bei der touristischen Entwicklung sichern. Kritiker monieren, dass der Deal für die Gemeinde unvorhersehbare Risiken birgt oder dass der Kauf einer Bergbahn die Kernaufgaben einer Gemeinde weit überschreitet.
Das Zünglein an der Waage könnte ein besonderes Zückerchen sein: Mit einem Ja zum Kauf sichern sich die Einwohnerinnen und Einwohner ihr vergünstigtes Jahresabo auf Jahrzehnte hinaus. Das war in den Verhandlungen eine klare Bedingung der Gemeinden. «Wir wollen, dass die Bevölkerung den Berg auch künftig nutzen kann, und zwar zu einem vernünftigen Preis», sagte Franz Gschwend (68), Gemeindepräsident von Laax, am 24. September bei der Präsentation des Deals im Rock Resort in Laax.
Über 80 Prozent günstiger
Der Preisreduktion in der Weissen Arena hat es in sich: Kinder und Jugendliche fahren gratis, und ab 17 Jahren zahlt man für ein Jahresabo gerade einmal 250 Franken. Alle anderen müssen für ein Jahresabo eine Topcard kaufen, die auch in Davos-Klosters und Arosa-Lenzerheide gültig ist. Die kostet im Vorverkauf 1300 Franken und seit Mai 1550 Franken.
Gemäss Gschwend sind pro Jahr rund 3000 Einheimischen-Abos im Umlauf. Das heisst: Mehr als die Hälfte der Einwohner der drei Gemeinden greift beim Angebot zu. Der Rabatt hat folglich den Gegenwert eines tiefen Millionenbetrags. Vergünstigte Abos für Einheimische sind bei Bergbahnen weit verbreitet. In der Weissen Arena fällt die Reduktion jedoch besonders grosszügig aus. Mit diesem Superrabatt gehen die Gemeinden vor den Abstimmungen auf Stimmenfang. Würde ein Investor die Bahnen übernehmen, ist es kaum vorstellbar, dass die Einheimischen weiterhin von einem Rabatt von über 80 Prozent profitieren würden.
Einheimischentarif wichtiger denn je?
Der grosse Preisunterschied für Einheimische und Gäste sorgt auch immer wieder für Kritik: Gästegruppen wie Ferienwohnungsbesitzer oder Bewohnerinnen in Nachbargemeinden fühlen sich benachteiligt. «Wir Ferienwohnungsbesitzer finanzieren einen grossen Teil der Steuereinnahmen in den drei Gemeinden und zahlen über tausend Franken mehr als Einheimische für ein Abo. Das ist aus unserer Sicht nicht fair», sagt Patrick Seliner (53), Präsident der IG Zweitheimische Flims-Laax-Falera. In einigen Destinationen in der EU wurden die Einheimischentarife abgeschafft, weil man sie punkto Gleichbehandlung kritisch sieht.
Tourismusexperten sehen die Rabatte hingegen als unproblematisch an. «In Tourismushotspots hat der Unmut wegen der Touristenmassen zugenommen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man die Einheimischen an den Angeboten partizipieren lässt», sagt Tourismusökonom Jürg Stettler (61) von der Hochschule Luzern.
Teil der Entschädigung fürs finanzielle Risiko
Der Tourismus ist in Destinationen wie der Weissen Arena der zentrale Wirtschaftstreiber, sorgt für Investitionen und schafft Jobs. Doch er sorgt auch für Dichtestress und hohe Mieten. Gleichzeitig sind die Löhne im Tourismus und tourismusnahen Berufen tiefer als in vielen anderen Branchen. «Mit einem Einheimischen-Rabatt kann die Akzeptanz erhöht werden», sagt Stettler. Das kann wiederum dabei helfen, dass Einheimische selbst einen touristischen Job anstreben und beispielsweise als Skilehrer, bei den Bergbahnen oder in einem Hotel arbeiten.
Falera stimmt heute über einen Beitrag von 10 Millionen Franken für die Übernahme ab – Laax morgen Freitag später über 20 Millionen Franken. Und in Flims kommt es am Sonntag zu einem Urnengang über einen Beitrag von 2 Millionen Franken – der Gemeinde wird eine frühere Beteiligung in Höhe von 18 Millionen angerechnet. «Die Steuerzahler der drei Gemeinden gehen ins Risiko, und die vergünstigten Abos sind Teil der Kompensation. Daran gibt es nichts auszusetzen», sagt Tourismusexperte Christian Laesser (61) von der Universität St. Gallen.
Trin hat den Einheimischenrabatt verloren
Laesser kann den Ärger auf der Seite der Zweitwohnungsbesitzer verstehen. Doch diese würden vor Ort keine Einkommensteuer zahlen. «Die Vergünstigung gilt für eine klar definierte Gruppe. Wer sie will, muss seine Schriften in eine der drei Gemeinden verlegen.»
Etwas neidisch blickt auch die Bevölkerung der Nachbargemeinde Trin auf den Einheimischentarif in der Weissen Arena. Zwölf Jahre lang hat sie selbst davon profitiert. Seit letztem Sommer ist die Vergünstigung jedoch weg. Die Bürgschaft von Trin für den einstigen Ausbau der Beschneiung wurde nicht mehr benötigt und der Deal nicht verlängert.