Darum gehts
- Novartis will im Werk in Stein 550 von 1600 Stellen abbauen
- Unia wirft Novartis Wortbruch vor
- Gewerkschaften fordern Alternativen
Der Schock in der Novartis-Belegschaft in Stein AG sitzt tief: Am Dienstagvormittag informiert sie ihr Arbeitgeber, dass am Produktionsstandort 550 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das kommt einem Kahlschlag gleich: Bei rund 1600 Beschäftigten in Stein streicht der Pharmamulti mehr als jede dritte Stelle.
Die Nachricht schlägt auch bei der Unia völlig unvorbereitet ein. Die Gewerkschaft wirft Novartis Wortbruch vor. «Noch vor wenigen Wochen wurde Unia gegenüber beteuert, dass keine Stellen gefährdet sind und in den Standort Stein investiert werden soll», heisst es in einer Mitteilung.
Corinne Schärer (61), Co-Leiterin Sektor Industrie, verweist auf Anfrage von Blick auf die Sozialpartnergespräche mit Novartis im Herbst. «Dort haben wir direkt nachgefragt, ob im Zusammenhang mit den Zolldiskussionen und geplanten Investitionen in den USA in Stein Arbeitsplätze gefährdet sind», sagt Schärer. Sie verweist auf die damalige Antwort der Novartis-Vertreter: «Man hat uns klar gesagt, dass man am Standort festhalte und keine Arbeitsplätze gefährdet seien. Der jetzige Entscheid ist eine Katastrophe für die Belegschaft.» Die Gewerkschaft Syna bestätigt das Gespräch.
Wohin geht die Produktion?
Blick wollte von Novartis wissen, ob der Konzern gegenüber den Gewerkschaften das Wort tatsächlich gebrochen hat. Diese Frage bleibt unbeantwortet.
Novartis stellt in Stein die Produktion von Tabletten und Kapseln sowie die Verpackung von sterilen Arzneimitteln bis Ende 2027 ein. Doch wo werden die Produkte künftig hergestellt – etwa in den USA? Man prüfe, ob man bestehende Aktivitäten innerhalb des globalen Produktionsnetzwerks ausbauen kann, schreibt Novartis.
Eine weitere Frage: Wird in Stein derzeit für den US-Markt produziert? Hierzu könne man keine detaillierte Auskunft geben. «Auch künftig werden wir für über 120 Länder von Stein aus produzieren», heisst es lediglich.
Einen Zusammenhang der Verlagerung der Produktion mit den Investitionen in den USA bestreitet Novartis. «Nein, die heutige Ankündigung hat nichts mit der Erweiterung unserer Fertigung in den USA zu tun.» Der Pharmariese hatte im April angekündigt, in den USA 23 Milliarden Dollar zu investieren.
Regelmässige Abbaurunden in der Schweiz
Die aktuelle Ankündigung ist nicht der erste grosse Stellenabbau: 2022 kündigte der Basler Pharmariese den Abbau von 1400 Jobs in der Schweiz an. Erst im letzten Jahr wurde der Abbau von 400 bis 440 Arbeitsplätzen in der Schweiz beschlossen. Dabei ist die Belegschaft von 11'600 auf derzeit rund 10'000 Angestellte geschrumpft.
Die neuerlichen Abbaupläne passen ins Bild: Um in der Schweiz eine wettbewerbsfähige Produktion aufrechtzuerhalten, müsse der Konzern den Fokus auf innovative Herstelltechnologien und einen hohen Grad an Automatisierung legen, wird der Schritt begründet. Sprich: In der Schweiz überleben nur Geschäftsbereiche, die genügend hohe Renditen abwerfen und sehr spezialisiertes Personal benötigen. So kündigt Novartis an, am Standort Schweizerhalle BL 80 Millionen Franken in die Produktion von RNA-Molekülen zu investieren und dort bis 2028 rund achtzig Vollzeitstellen zu schaffen.
Bei der Unia hat man für dieses Vorgehen kein Verständnis: Die Gewerkschaft wirft dem Konzern vor, trotz «massiven Gewinnen» auf Kosten der Schweizer Belegschaft und des Industriestandorts noch höhere Gewinne scheffeln zu wollen.
Die Unia fordert Novartis dazu auf, Alternativen zu prüfen. «Das Konsultationsverfahren muss verlängert werden und darf keine reine ‹Alibiübung› sein. Es muss dazu genutzt werden, Wege zu finden, um Stellen am Standort zu erhalten», sagt Schärer.
In den nächsten Tagen soll ein Gespräch zwischen den Gewerkschaften und Novartis stattfinden. «Für uns stehen sozialverträgliche Lösungen im Fokus», teilt eine Novartis-Sprecherin mit.