Zäher Start im Private Banking
Swiss Life wagt Attacke auf die Banken – mit ungewissem Ausgang

Swiss Life will auch Vermögensverwalter sein. Doch Experten sind skeptisch. Die Kulturunterschiede zwischen Banken und Versicherer seien gross.
Publiziert: 29.04.2025 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2025 um 19:59 Uhr
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Rolf Dörig war bis 2009 CEO der Swiss Life, seitdem präsidiert er den Verwaltungsrat.
Foto: Philippe Rossier

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Holger Alich
Handelszeitung

Die Euphorie war gross: Von einem «Wunschpartner», gar von einem «Glücksfall» war die Rede. Anfang 1999 kaufte die damalige Rentenanstalt – heute Swiss Life – für insgesamt 2,4 Milliarden Franken die Banca del Gottardo. Allfinanz war das Zauberwort, denn schon zwei Jahre zuvor hatte die Credit Suisse die Winterthur Versicherungen übernommen. Das Ende ist bekannt: Die Winterthur ging an die Axa, und auch bei der Swiss Life beendete der damalige Swiss-Life-CEO Rolf Dörig 2007 den Bankenausflug und verkaufte die Gotthard-Bank an die BSI.

Nun folgt die Wende nach der Wende: Schrittweise wagt sich die Swiss Life wieder auf das Terrain der Banken vor – mit ungewissem Ausgang. 2011 begann der Lebensversicherer, seinen Retailkunden Anlageprodukte anzudienen. Vor drei Jahren legte die Swiss Life nach und gründete Swiss Life Wealth Manager – eine eigene Sparte, die Kundinnen und Kunden mit einer Anlagesumme zwischen 500'000 Franken und 3 Millionen Franken eine Vermögensverwaltung wie eine Privatbank anbietet.

Und jüngst kaufte der Versicherer auch noch den Anbieter Zwei Wealth, der vermögenden Privatkunden hilft, den richtigen Geldverwalter zu finden. Fast scheint es, als wolle Ex-CS-Manager Rolf Dörig, der seit 2009 den Verwaltungsrat der Swiss Life präsidiert, in Sachen Private Banking eine Art Mini-CS innerhalb der Swiss Life aufbauen. Auf dem Höhepunkt der CS-Krise hatte er gar erwogen, dass die Swiss Life die CS Schweiz übernimmt.

Das Problem des Kulturunterschieds

Kann der erneute Ausflug ins Private Banking gut gehen? Experten sind skeptisch. «Ich kenne kaum Beispiele, bei denen ein integriertes Vermögensverwaltungsangebot bei Versicherern wirklich funktioniert hat», sagt zum Beispiel Martin Eling, Professor für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG). Die Kulturunterschiede zwischen Banken und Versicherungen seien zu gross. Vontobel-Analyst Simon Fössmeier sieht weniger schwarz: «Das Vordringen ins Private Banking wird schwer, die Konkurrenz ist gross. Die Swiss Life ist aber nicht chancenlos», meint er. Dennoch hinkt der Konzern seinen eigenen Zielen hinterher. Und auch Wettbewerberin Baloise tut sich hier schwer.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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«Wir wollen das Anlagegeschäft für Private als weiteres Kerngeschäft etablieren», bekräftigt Roman Stein, der Schweiz-Chef der Swiss Life. «Der Swiss Life ist es gelungen, ein etablierter Player in der Vermögensverwaltung für institutionelle Kunden zu werden. Wir sind überzeugt, dass wir die Marke und die Glaubwürdigkeit haben, das auch im Privatkundengeschäft zu schaffen», ergänzt er.

Swiss Life hat sich zum Assetmanager gemausert

Ein Punkt ist unstrittig: Unter der Führung des früheren CEO Patrick Frost hat sich die Swiss Life vom reinen Lebensversicherer zu einem Vermögensverwalter gemausert – und das ohne teure Zukäufe. Von den verwalteten Vermögen von 272 Milliarden Franken stammen mittlerweile knapp 125 Milliarden von Profidrittkunden. Im Bereich Immobilien ist die Swiss Life mittlerweile die grösste Assetmanagerin Europas.

Der Konzern wurde so weniger abhängig vom zinslastigen Versicherungsgeschäft. Vom Betriebsergebnis von zuletzt 1,8 Milliarden Franken stammen 875 Millionen aus Gebührenerträgen. Rund die Hälfte davon wiederum stammt aus dem Assetmanagement. Der neue Swiss-Life-Chef Matthias Aellig will nun die Gebühreneinnahmen auf über 1 Milliarde steigern. Und ein Teil dieses Zuwachses soll aus dem neuen Vermögensverwaltungsgeschäft für Privatkunden stammen.

Leiterin des Geschäfts ist die promovierte Mikrobiologin Marion Koch, die ihre gesamte Karriere beim Lebensversicherer absolvierte. Auf die Frage, wie die Swiss Life im umkämpften Private-Banking-Markt bestehen soll, führt sie zwei Argumente an: Zum einen gebe es in der Zielgruppe von Menschen mit Anlagevermögen ab 500'000 Franken eine Beratungslücke. «Viele Banken bedienen diese Kunden nur noch mit standardisierten Lösungen», erklärt sie. Gerade an der Schnittstelle zwischen Geldanlage und privater Vorsorge sei der Bedarf gross, wie die ausgebuchten Beratungsveranstaltungen der Swiss Life zu diesem Thema zeigten. Die Strategie mit Schwerpunkt Vorsorge erinnert an die VZ Vermögensverwaltung.

Marion Koch leitet die neue Einheit Swiss Life Wealth Managers.
Foto: ZVG

Bei den Produkten will Koch zudem mit dem Anlage-Know-how des Versicherers punkten: «Unsere Kunden haben Zugang zu Investments in Immobilien- und Infrastrukturanlagen, die sonst nur institutionellen Kunden zugänglich sind.» Mittlerweile hat Swiss Life Wealth Managers acht Standorte in der Deutschschweiz, Mitte des Jahres will Koch einen ersten in der Westschweiz eröffnen. Das Tessin kommt später an die Reihe.

Dazu, wie viel Geld sich die Swiss Life ihren Ausflug ins Private Banking kosten lässt, gibt es keine Zahlen. Um die Kosten tief zu halten, verzichtet der Versicherer in der Schweiz auf eine eigene Banklizenz. Die Kundengelder werden bei Lienhardt & Partner oder bei Vontobel gebucht, wenn der Kunde nicht bereits eine bestehende Depotbankbeziehung hat.

«Generalagenten haben die Tendenz, die Kunden an sich zu binden»

Das Geschäft läuft aber zäh. Beim Start vor drei Jahren wurde das Ziel ausgegeben, bis 2024 in der Schweiz rund 6,5 Milliarden Franken von Privatkunden zu verwalten. Tatsächlich geschafft hat die Swiss Life nur 5,6 Milliarden. Und das, obwohl in die Aufbauphase der Crash der Credit Suisse fiel, der vielen Wettbewerbern wie der Zürcher Kantonalbank eine Flut an Neugeldern eingebracht hatte. Schweiz-Chef Stein führt zu diesem Punkt ins Feld, dass der Versicherer im vergangenen Jahr auch für ein Volumen von rund 700 Millionen Franken Lebensversicherungen gegen Einmaleinlagen verkauft hat. «Und das ist zum Teil ein Substitutionsprodukt zu Anlagelösungen», so Stein.

Genau das ist der Knackpunkt: der Vertrieb. Wenn die eigenen Leute lieber Versicherungen verkaufen, als die Kunden an die eigenen Wealth-Experten zu vermitteln, dann wird es schwer. Und die Swiss Life hat gleich drei verschiedene Vertriebskanäle: die eigenen Generalagenturen, dazu Swiss Life Select – quasi ein Broker, der auch Fremdprodukte wie Fonds verkauft – und nun neu Swiss Life Wealth Managers, wo frühere Bankberater tätig sind. Damit die Kanäle zusammenarbeiten, ist es laut HSG-Professor Eling entscheidend, die richtigen Anreizsysteme zu haben: «Denn die Generalagenten haben sonst die Tendenz, die Kunden an sich zu binden und nicht weiterzuvermitteln.»

Das Problem geht die Swiss Life mit internen Vermittlungsvergütungen an: «Vermittelt ein Swiss-Life-Aussendienstmitarbeiter einen vermögenden Kunden an das Team von Swiss Life Wealth Managers, bekommt er dafür eine Erstvermittlungsgebühr, und er wird auch an den laufenden Gebühren aus den Mandaten beteiligt», erklärt Managerin Koch. Die Vermögensverwaltungsmandate kosten bis zu 1,22 Prozent der angelegten Gelder pro Jahr, zuzüglich der Verwaltungsgebühren der Produkte wie zum Beispiel der Fonds, in die angelegt wird. «Der Aussendienst hat ein Interesse daran, sehr vermögende Kunden weiterzuvermitteln, denn andernfalls riskiert er, dass der Kunde für die Vermögensverwaltung zu einer Bank geht», meint Schweiz-Chef Stein.

Handelszeitung macht ernüchternde Stichprobe

Wie sieht das in der Praxis aus? Die Handelszeitung hat eine Stichprobe gemacht und eine Generalagentur besucht. Der Handelszeitung-Testkunde erklärte dabei dem Vermittler, dass er eine anstehende Erbschaft über rund 600'000 Franken anlegen wolle – das entspricht exakt dem Beuteschema von Swiss Life Wealth Managers.

Der Berater stellte zunächst die hauseigenen Versicherungslösungen ins Schaufenster, kam dann aber auch auf die eigenen Anlageprodukte zu sprechen, inklusive der hauseigenen Vermögensverwaltung. Auf die Frage, ob sich denn ein Besuch bei den Kollegen von Swiss Life Wealth Managers lohnen könnte, meinte der Swiss-Life-Vertreter lapidar: «Die haben auch nur die gleichen Produkte wie wir.»

Überbordend gross scheint die Lust des Stammvertriebs also nicht zu sein, Kunden an Swiss Life Wealth Managers zu vermitteln. Ferner scheint es auch keine konzernweite Wealth-Strategie zu geben. Denn in Frankreich verfügt die Swiss Life schon seit 2007 über eine eigene Vermögensverwaltungsbank, die Swiss Life Banque Privée. Diese verzeichnete 2023 (jüngere Zahlen liegen nicht vor) rund 160 Millionen Euro an Einnahmen und verwaltet rund 7,4 Milliarden Euro an Kundengeldern. Laut Koch gibt es zwar einen Austausch mit den französischen Kollegen, aber keine engere Zusammenarbeit.

Die Baloise schöpft ihr Potenzial nicht aus

Macht es die Konkurrenz besser? Auch die Baloise reklamiert für sich, in der Schweiz das Anlagegeschäft als strategisches Geschäftsfeld zu bearbeiten. Die Basler verfügen gar über eine eigene Bank, die 4,7 Milliarden Franken Kundengelder verwaltet. Ähnlich wie die Swiss Life zielt auch die Baloise im Bereich Vermögensverwaltung auf das Affluent-Segment von Kunden mit bis zu 1 Million Franken Anlagesumme.

Laut Anlage-Chef Nicolas Samyn verfügt der Versicherungskonzern hierzulande über rund 250'000 Kunden, die in diese Zielgruppe fallen. «Bisher haben wir nur einen kleinen Teil dieser Kunden als Vermögensverwaltungskunden gewinnen können.» Ende 2024 wies die Baloise 5319 Vermögensverwaltungs- und Beratungsmandate aus. «Das Potenzial ist gross», tröstet sich Samyn.

Immerhin: Der eigene Versicherungsvertrieb pushe das Anlageangebot mittlerweile, der grösste Teil des Neugeschäfts komme über die Vermittler rein und nicht mehr über den Bankvertrieb. Noch kleiner ist die Zurich mit 3 Milliarden Franken verwalteter Vermögen; ihre Tochter Zurich Invest fokussiert vor allem auf Produkte rund um Freizügigkeitsgelder und Säule-3a-Lösungen.

Mehr Erfolg hat der italienische Versicherer Generali. Er hält die Mehrheit an der börsenkotierten Banca Generali, die sich mit rund 74 Milliarden Euro verwalteter Vermögen als Nummer drei auf dem italienischen Markt sieht. Der Erfolg beruht aber primär auf der Leistung der Bank, denn diese hat über 200 eigene Standorte im Land und 2353 eigene Berater. Laut der Generali gibt es aber über das Financial Planning Agent Network» das 90 Fachleute umfasst, eine Verlinkung zur Versicherungsmutter – hier würden Produkte der Bank und der Versicherung verkauft.

Und hier schliesst sich der Kreis. Denn in die Banca Generali war 2008 das italienische Geschäft der Banca del Gottardo aufgegangen.

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