Wie steht die Schweiz da?
Übersicht über die teuersten und billigsten Aktienmärkte der Welt

Die Aktienmärkte von einzelnen Ländern verzeichnen deutliche Bewertungsunterschiede. Wir machen den Vergleich – es gibt einige Überraschungen.
Publiziert: 26.08.2024 um 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 26.08.2024 um 15:28 Uhr
Bei den verschiedenen Aktienmärkten dieser Welt gibt es grosse Bewertungsunterschiede.
Foto: AFP
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Luca Niederkofler
Cash

Die letzten 15 Jahre und die damit verbundene Ära des billigen Geldes waren für die wichtigsten Aktienmärkte der Welt grundsätzlich positive Rahmenbedingungen. Während die Schweizer und westlichen Börsen die damaligen Höchststände von 2000 und 2007 deutlich übertroffen haben und weder Covid noch der schnellste Zinserhöhungszyklus der letzten 40 Jahre die Aktienindizes stoppen konnten, sind noch lange nicht alle Börsen teuer.

Die nachfolgende Grafik vergleicht das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die jeweils nächsten zwölf Monate der wichtigsten Börsenplätze und ordnet das Bewertungsniveau im Zeitverlauf ein. Ein Wert von 94 beim indischen «Nifty 50» bedeutet, dass der Index in 94 Prozent der Fälle während der letzten 20 Jahre tiefer bewertet wurde als heute.


Die weltweit teuren Aktienmärkte

Indien

Indien ist der teuerste Aktienmarkt der Welt. Derzeit profitieren die Aktien des bevölkerungsreichsten Landes von einem hohen Wachstum des Bruttoinlandproduktes, steigenden Einkommen und einer Ausweitung der Mittelklasse unter der Gesamtbevölkerung. Gemäss Experten reflektiert der Markt das Wirtschaftspotenzial und die Stärke Indiens - besonders im Vergleich zu China und Russland. Da Indien seine eigenen Interessen verfolgt und sich weder eindeutig auf die Seite des Westens einerseits oder China und Russland andererseits schlägt, profitiert das Land vom Diversifikationseffekt, den Investoren wie auch Unternehmen in Asien suchen.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Das vorwärtsgerichtete KGV des Nifty 50 beträgt 19. Während sich die Gewinne der Nifty-50-Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren verdreifachten, blieben die Gewinnmargen weitgehend stabil und weiteten sich vor drei Jahren vom langjährigen Niveau von 9 auf 12 Prozent aus. Für die kommenden zwei Jahre gehen Unternehmensanalysten von einer Gewinnmarge von über 12 Prozent und einem Gewinnwachstum von jährlich knapp 8 Prozent aus.

USA

Getrieben von der Fantasie über die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Vorstellung einer weichen Landung der US-Wirtschaft, wird der S&P 500 derzeit mit einem vorwärtsgerichteten KGV von 19 bewertet. Nur während der Dotcom-Blase und Ende 2021 war der US-Leitindex mit einem KGV von knapp 24 teurer.

Seit dem Covid-Rebound stagniert das jährliche Umsatzwachstum der 500 grössten US-Unternehmen zwischen minus 0,1 und 1,7 Prozent. Gleichzeitig sind die operativen Margen in den vergangenen zwei Jahren leicht gefallen und haben sich auf einem Niveau von etwa 12 Prozent eingependelt.

Das künftige Gewinnwachstum scheint von der Monetarisierungsfähigkeit der KI abzuhängen. Denn der Marktkonsens geht trotz Umsatzstagnation, verschlechternder Margen und bisher bescheidenem Gewinnwachstum (durchschnittlich 5,4 Prozent seit 2022) von gut 15 Prozent für 2025 aus.

Kursentwicklung des S&P 500 (in Dollar). 

Taiwan

Der Leitindex «Taiwan Weighted» ist eigentlich eine Wette auf den Chip-Riesen TSMC und die Techindustrie. Über zwei Drittel der Indexgewichtung ist auf den Technologiesektor zurückzuführen, wovon TSMC die Hälfte ausmacht. Finanztitel und Industrieunternehmen machen nur 12 respektive 8 Prozent aus - der Rest ist vernachlässigbar.

Auch wirtschaftlich verfügt Taiwan über Klumpenrisiken. Der Inselstaat hängt primär von den Handelsbeziehungen mit China und den USA ab. Während ein Drittel der Exporte an die Volksrepublik gehen, verschifft Taiwan 15 Prozent der Handelsgüter an die USA. Die Hälfte der Exporte sind der Elektronikindustrie zuzuschreiben.

Während die Rivalität der beiden Grossmächte Taiwan vor politische und wirtschaftliche Herausforderungen stellt, geht die UBS auf kurze Sicht von einem ausgereizten Techsektor aus: «Angesichts der hohen Messlatte, die für den ohnehin schon hoch bewerteten Sektors gelegt wurde, reicht es unseres Erachtens nicht mehr aus, die Gewinne zu übertreffen, um weitere Kursanstiege zu erzielen. Unserer Meinung nach sind die Aussagen des Managements zu den künftigen Umsatz- und Investitionstrends von grösserer Bedeutung», meint Mark Haefele, Anlagechef vom Global Wealth Management der UBS.

Schweiz

Auch der Schweizer Markt gehört zu den teuren Börsen weltweit. Die Gewinnstabilität, Margenstärke und tiefe Verschuldung der Schweizer Unternehmen führen zu einer erhöhten Bewertung beim Swiss Performance Index (SPI) von 17.

Analysten rechnen mit einem Anstieg des Gewinns pro Aktie des SPI auf 1080 Franken bis 2026 - das entspricht einem Gewinnwachstum von 20 Prozent. Die Reingewinnmarge befindet sich auf einem Rekordhoch bei knapp 16 Prozent, wobei mit einer Normalisierung auf gut 13 Prozent gerechnet wird. Doch auch die tiefe Verschuldung der Schweizer Unternehmen spricht für die Höherbewertung. Der italienische und koreanische Index weisen eine doppelt so hohe Verschuldung auf.

Kursentwicklung des Swiss Performance Index (in Franken). 

Die weltweit günstigen Aktienmärkte

Mexiko

Lazard zählt Mexiko zu den Gewinnern der De-Globalisierung. Um Risiken zu verringern, ziehen sich Unternehmen und Staaten aus den Billiglohnländern zurück und suchen Lösungen in der Nähe: «Friend- und Nearshoring sorgen für eine Re-Regionalisierung der Industrie», erklärt Werner Krämer von Lazard. Mexiko kann von der Nähe zur USA profitieren.

Das lateinamerikanische Land ist jedoch abhängig von den USA - knapp 80 Prozent der Exporte und die Hälfte der Importe macht der nördliche Nachbar aus. Die Handelspolitik der Amerikaner spielt für Mexiko deshalb eine zentrale Rolle. Während der Präsidentschaft von Donald Trump verlor der Leitindex BMV knapp 23 Prozent. Im Monat nach dem Sieg von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren legte die mexikanische Börse hingegen um mehr als 17 Prozent zu. 

Derzeit ist Mexiko der am tiefsten bewertete Markt mit einem KGV von unter 11. Gemäss Krämer sind «diese Märkte ökonomisch in guter Verfassung und die Bewertungen sind hervorragend», doch «es fehlt allein der Startschuss».

Brasilien

Brasiliens wirtschaftliche Komplexität ist tiefer als die von Mexiko. Das Land ist von Rohstoffen und der Landwirtschaft abhängig. Auch verzeichnete Brasilien während der letzten 20 Jahre eine relativ hohe Inflation von durchschnittlich 6,4 Prozent.

Die Inflationsraten spiegeln sich in den Aktienkursen und den Gewinnen. Der brasilianische Leitindex Bovespa vervielfachte sich in dieser Zeit. Gleichzeitig verlor der brasilianische Real aufgrund der erhöhten Inflation abermals an Wert. In Schweizer Franken veränderte sich der Leitindex deshalb von 9’400 auf nur 20’800 Zähler.

Die Gewinne der Bovespa-Titel haben sich in den letzten zwölf Jahren versechsfacht. Für die kommenden zwei Jahre gehen Analysten von einem weiteren Gewinnwachstum von jährlich 11 Prozent aus. Doch aufgrund der zyklischen Marktkomposition (Finanzsektor, Energie und Grundstoffe) schwanken die Gewinnmargen erheblich und befinden sich bei sinkender Tendenz bei 10 Prozent.

Polen

Normalerweise ist ein Leitindex ein gutes Barometer für die Wirtschaftslage in einem bestimmten Land. «In Polen ist die Situation jedoch anders, da der WIG20-Index weitgehend von Unternehmen mit einem bedeutenden Anteil des Staates dominiert wird. Diese Unternehmen sind weniger gewinnorientiert als rein private Unternehmen und werden manchmal sogar für staatliche Eingriffe in den Markt genutzt», erklärt ein Finanzanalyst. Der Free Float bei sieben der neun nach Marktwert wertvollsten polnischen Unternehmen liegt bei oder unter 50 Prozent.

Doch auch fundamental kann der polnische Index nicht überzeugen. Seit 2012 stagnieren Gewinne wie auch die Margen. Für die kommenden zwei Jahre gehen Analysten von einem Gewinnwachstum von gesamthaft etwa vier Prozent aus. Das aktuelle KGV liegt mit 8 deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt.

Korea

Korea verfügt gemäss Observer of Economic Complexity über die viert komplexeste Wirtschaft der Welt - Japan, die Schweiz und Taiwan sind noch komplexer. Elektronik und Maschinen machen den Grossteil des Aussenhandels aus. Ein Fünftel der Güter gehen an China und 16 Prozent an die USA.

Korea befindet sich wie Taiwan im Kreuzfeuer der beiden Grossmächte und die heimische Wirtschaft schwächelt seit einigen Jahren. Nachdem sich die Umsätze der Unternehmen im Leitindex Kospi seit 2007 mehr als verdoppelten, sinken sie seit zwei Jahren. Analysten rechnen nun mit einer Erholung und prognostizieren für 2025 und 2026 ein Gewinnwachstum von 24 respektive 46 Prozent.

Dieser Erwartungshaltung steht eine im internationalen Vergleich tiefe Gewinnmarge von 3,7 Prozent und die mit Italien höchste Verschuldung gegenüber. Das KGV des koreanischen Leitindex beträgt 8 - der Durchschnitt der letzten zwei Dekaden lag bei knapp 10.

Italien

Der italienische Leitindex wird von Banken dominiert. Mit fast der Hälfte stellt der Finanzsektor das grösste Gewicht. Seit der Euro-Krise haben die italienischen Unternehmen die Schulden massiv reduziert. 

Der verbesserten Schuldensituation stehen volatile Gewinne und eine Margenstagnation gegenüber. Nachdem der Gewinn pro Aktie des MIB40 als Folge der Eurokrise bis 2017 auf 640 Euro fiel, befindet er sich derzeit über 3’600 Euro. Analysten erwarten für die nächsten zwei Jahre ein weiteres Gewinnwachstum von jährlich zehn Prozent. Die Gewinnmargen betragen 11 Prozent, wobei mit einem leichten Rückgang gerechnet wird. Italien ist mit einem KGV von 9 nicht ganz so günstig - das durchschnittliche KGV betrug 11.

Heterogene Auswahl

Für ein geographisches Exposure eignen sich nicht alle Indizes. Die taiwanesische und italienische Börse sind eher Themenwetten auf den Tech- oder Bankensektor und der polnische Index leidet unter einem strukturellen Problem. Wiederum andere Indizes, wie der brasilianische Bovespa oder der mexikanisch BMV, bieten zwar einzigartige Chancen zu tiefen Kursen, kommen jedoch mit dem Haken einer schwachen Währung.

Die breit abgestützten Indizes S&P 500 und SPI erfüllen nicht nur die geographischen Kriterien und bieten dazu auch noch Stabilität und im Vergleich hohe Gewinne, befinden sich aber historisch betrachtet am oberen Ende der Bewertungen. Nur der Kospi tanzt aus der Reihe. Wie beim S&P 500 und SPI handelt es sich um einen breiten Index mit über 900 Unternehmen und die koreanische Wirtschaft gehört zu den fortschrittlichsten und komplexisten überhaupt.

Zwar leidet das Land unter einer Wachstumsschwäche, doch scheint die derzeitige Bewertungskompression heftig. Die politische und militärische Nähe zur USA und wirtschaftliche Nähe zu China und der diesbezüglichen Rivalität der beiden Grossmächte ist für den Bewertungsabschlag mitverantwortlich. 

Glauben Investoren an die Börsenweisheit «politische Börsen haben kurze Beine» und messen den Analystenschätzungen eine gute Warscheinlichkeit bei, dürften die stark steigenden Gewinne die negativen Bewertungsfaktoren (Margenhöhe und Verschuldung) übertrumpfen. In diesem Fall wäre der koreanische Markt tatsächlich günstig. Doch wie immer gilt: Je höher das Risiko, desto höher der potenzielle Ertrag. 

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