Darum gehts
Hat Martin Schlegel (48), der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), zu früh auf den Knopf gedrückt, als er im März den Leitzins noch einmal gesenkt hat? Dieser liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das Ziel der Zinssenkung: Die Teuerung sollte nicht noch weiter gegen null sinken.
Doch genau das ist nun passiert, die Jahresteuerung fiel im April auf 0,0 Prozent – und ist damit fast aus dem von der SNB mit Preisstabilität verbundenen Zielband von 0 bis 2 Prozent gerutscht.
Das Problem: Nun drohen die ungeliebten Negativzinsen noch schneller zurückzukehren. Der Nationalbank fehlt mit der Senkung im März bei der nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung der Spielraum, um mit einem grossen Zinsschritt der drohenden Deflation Einhalt zu gebieten. Der starke Franken wird aufgrund der globalen politischen und ökonomischen Unsicherheiten – Stichwort Zollpolitik von Donald Trump (78) – so schnell nicht abwerten.
Zins zu tief für die Wirtschaft
Denn wegen unserer superharten Währung sind die Preise für in die Schweiz importierte Güter deutlich gesunken, während sich Inlandgüter auch im April weiter verteuert haben.
Für Alexandra Janssen (35), CEO der Vermögensverwaltung Ecofin, ist nicht der einzelne Zinsschritt ein Problem, sondern die Summe der jüngsten Zinssenkungen seit Mitte 2024: «Wir haben in der Schweiz seit Monaten einen zu tiefen Zins. Das ist für die Wirtschaft heikel.» Denn die tiefen Zinsen lassen nicht nur die Immobilienpreise noch stärker steigen, sondern es gibt noch ein weiteres Problem: «Die tiefen Kapitalkosten führen dazu, dass Firmen bestehen bleiben, die eigentlich nicht überlebensfähig wären – und so andernorts dringend benötigte Fachkräfte binden», so die Ökonomin. Für sie ist klar: «Sinkende Preise bei den Produkten, die wir aus dem Ausland importieren, sind kein Problem. Deswegen Null- oder gar Negativzinsen einzuführen, halte ich für verfehlt.»
Negativzinsen schon im Juni
Der Geldökonom und Podcaster Fabio Canetg (36) dagegen begrüsst das konsequente Vorgehen der SNB: «Mit Zinssenkungen zuzuwarten, ist eine schlechte Idee.» Deshalb seine Prognose: «Im Juni wird es eine weitere Zinssenkung geben. Ich würde sogar einen Schritt ins Negative nicht komplett ausschliessen.»
So weit möchte Klaus Wellershoff (61) noch nicht gehen, auch wenn er kritisiert: «Die bisherige Zinspolitik hat nicht gefruchtet.» Denn trotz der aggressiven Zinssenkungen ist die Teuerung weiter gesunken – und der Franken gestiegen. Sein Rezept – geldpolitische Geduld: «Es gibt Situationen, da kann man nichts anderes machen, da muss man es einfach akzeptieren.» Zumal die SNB jederzeit auch ausserhalb der ordentlichen geldpolitischen Treffen die Zinsen senken könnte, sollte es nötig sein.
Im Moment zeichnet sich allerdings ab, dass die SNB im Juni die Zinsen zumindest auf null senken wird. Und dann bleiben als nächster Schritt im Kampf gegen den starken Franken und die verschwindende Teuerung nur noch Negativzinsen.